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Retinopathia pigmentosa

Synonym: Retinitis pigmentosa
Englisch: retinitis pigmentosa

1. Definition

Die Retinopathia pigmentosa, kurz RP, ist eine nicht-entzündliche hereditäre Retinopathie, die durch eine progrediente Degeneration der Netzhaut gekennzeichnet ist.

  • ICD-10-Code: H35.5 Hereditäre Netzhautdystrophie

2. Epidemiologie

Die RP ist ein seltenes Krankheitsbild. Die Häufigkeit wird mit einer Prävalenz zwischen 1: 5.000 und 1: 3.000 angegeben. Weltweit sind rund 3 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland etwa 30.000.[1]

3. Ätiologie

Die RP beruht auf einem Strukturdefekt retinaler Proteine der Photorezeptoren oder des Pigmentepithels. Es kommt zunächst zu einem Verlust der Stäbchen und im Verlauf zu einem Verlust der Zapfen.

4. Formen

Man unterscheidet zwischen primärer und assoziierter Retinopathia pigmentosa.

4.1. Primäre Retinopathia pigmentosa

Die primäre Retinopathia pigmentosa macht etwa 90 % der Erkrankungen aus. Sie wird durch Genmutationen verursacht, bislang (2024) wurden mehr als 100 Mutationen in ca. 50 verschiedenen Genen identifiziert.[2]

4.2. Assoziierte Retinopathia pigmentosa

Die Retinopathia pigmentosa kann im Rahmen verschiedener Syndrome auftreten, z.B. bei:

5. Genetik

Mittels Genanalyse konnten bisher mehr als 100 Mutationen identifiziert werden, die Auslöser für eine primäre Retinopathia pigmentosa sind.[3] Dabei sind sowohl Spontanmutationen möglich, als auch familiäre Vererbung. Es kommen autosomal-dominante (50–60 %), autosomal-rezessive (30–40 %) sowie X-chromosomale Erbgänge (5–15 %) vor. Einige Beispiele für betroffene Gene sind in der nachfolgenden Tabelle genannt.

Gen Genlokus  Protein
RHO 3q21-24 Rhodopsin
NRL 14q11.1-2 neural retina leucine zipper
RP1  8q11-21 Retinitis-Pigmentosa-1-Protein
RP2 Xp11.3 XRP2
RPGR Xp11.4 RPGR-Gen
IMPDH1 7q31-35 Inosinmonophosphat-Dehydrogenase 1
PRPF31 19q13.4 Prä-mRNA-Prozessierungsfaktor 31
PRPF8 17p13.3 Prä-mRNA-Prozessierungsfaktor 8
PRPH2 6p21.2 Peripherin-2
ABCA4 1p22.1 ABC-A4
RPE65 1p31 Retinoid-Isomerohydrolase
MERTK 2q14.1 Tyrosin-Proteinkinase Mer

6. Klinik

Der Zeitpunkt der Erstmanifestation und die jeweilige Verlaufsform der Erkrankung können divergieren. Beim Auftreten in der frühen Kindheit spricht man auch von einer juvenilen Retinopathia pigmentosa.

In der Regel zeigt sich als erstes Symptom eine zunehmende Einschränkung des Dämmerungssehens durch die Degeneration der Stäbchen. Im Verlauf der Erkrankung kommt es meist zur vollständigen Nachtblindheit. Darüber hinaus besteht bei den Patienten eine Einschränkung des peripheren Sehens.

Die Retinadegeneration erfolgt von peripher nach zentral mit allmählicher Gesichtsfeldeinengung. Durch die periphere Einschränkung des Gesichtsfeldes kommt es zunächst zur Ausbildung eines Ringskotoms. Später kann sich ein sogenannter Tunnelblick bzw. ein Röhrengesichtsfeld entwickeln.

Die nachfolgende Degeneration der Zapfen führt zu Störungen des Farbsehens und zu einem Verlust des Visus bis zur Erblindung.

7. Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose wird anhand der Anamnese gestellt. Gesichert wird die Diagnose durch die folgenden Untersuchungsmethoden:

7.1. Perimetrie

Perimetrisch sind im fortgeschrittenen Verlauf der Erkrankung Gesichtsfeldausfälle nachweisbar. Neben einer anfänglich orientierenden Fingerperimetrie ist eine Kontur- oder Schwellenperimetrie zur Quantifizierung der Ausfälle unerlässlich.

7.2. Funduskopie

Der auffälligste ophthalmoskopische Befund sind Ablagerungen von Pigmentaggregaten (Knochenkörperchen). Weitere mögliche Befunde sind:

7.3. Elektroretinogramm (ERG)

Im Elektroretinogramm ist die Netzhautaktivität herabgesetzt. Zudem sind Amplitude und Frequenz der abgeleiteten Potentiale vermindert.

7.4. Farbtests

In späteren Verlaufsstadien zeigen sich Störungen des Farbsehens.

7.5. Molekulargenetische Untersuchung

Durch eine molekulargenetische Untersuchung kann die ursächliche Mutation nachgewiesen werden.

8. Differentialdiagnosen

Mögliche Differentialdiagnosen der RP sind beispielsweise:

Die Pseudo-Retinopathia pigmentosa ist eine nichterbliche Netzhautdegeneration, die sich klinisch genauso wie die Retinopathia pigmentosa präsentiert. Sie wird jedoch durch Entzündungen (z.B. Tuberkulose oder Syphilis), Autoimmunerkrankungen, Intoxikationen oder Medikamente verursacht.

9. Therapie

Es existiert keine kausale Therapie der Erkrankung. Den betroffenen Patienten werden Lesehilfen angeboten. Therapieversuche durch Gabe von Vitamin A können in seltenen Fällen eine Besserung oder Verzögerung der Symptomatik erzielen. Eine weitere Therapieoption zur Verlangsamung des Visusverlusts ist die Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren. Im Endstadium der Erkrankung kann durch Retina-Implantate das Kontrastsehen wiederhergestellt werden, was eine Hell-Dunkel-Unterscheidung und das Erkennen von Umrissen ermöglicht.

Für die Behandlung von Patienten mit einer nachgewiesenen biallelischen RPE65-Mutation ist das Orphan Drug Voretigen-Neparvovec zugelassen. Bei dem Medikament handelt es sich um das erste in Deutschland zugelassene ophthalmologische Gentherapeutikum.[4]

Bei Auftreten eines zystoiden Makulaödems werden folgende Therapeutika angewandt:[5]

Bei unzureichendem Ansprechen der konservativen Therapie kann das Einsetzen von intravitrealen Dexamethasonimplantaten erwogen werden. Für weitere Behandlungsmethoden des Ödems (z.B. NSAIDs, retinale Laserkoagulation) existiert nur sehr wenig Evidenz.[5]

Betroffenen Familien sollte eine humangenetische Beratung empfohlen werden.

10. Forschung

Langzeitstudien zu neueren Behandlungsmethoden wie der Applikation von Wachstumsfaktoren und Stammzellimplantationen gibt es bisher nicht.

Im Jahr 2021 konnte ein internationales Forschungsteam durch den Einsatz einer optogenetischen Gentherapie die Sehkraft eines erblindeten Patienten mit erblicher Retinopathia pigmentosa teilweise wiederherstellen.[8]

11. Quellen

  1. Pschyrembel - Retinopathia pigmentosa, abgerufen am 20.10.2022
  2. StatPearls – Retinitis Pigmentosa, abgerufen am 17.04.2024
  3. OMIM – Retinitis pigmentosa, abgerufen am 20.10.2022
  4. Gelbe Liste - Voretigen neparvovec, abgerufen am 20.10.2022
  5. 5,0 5,1 Chen et al. Management of Cystoid Macular Edema in Retinitis Pigmentosa: A Systematic Review and Meta-Analysis. Frontiers in Medicine (Lausanne). 2022.
  6. Artunaj et al.: "Intravitreal ranibizumab in the treatment of cystoid macular edema associated with retinitis pigmentosa" Journal of Ocular Pharmacology and Therapeutics, 2009.
  7. Yuzbasioglu et al.: "Intravitreal bevacizumab (Avastin) injection in retinitis pigmentosa" Current Eye Research, 2009.
  8. Sahel et l. Partial recovery of visual function in a blind patient after optogenetic therapy, Nature Medicine, 2021

12. Literatur

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