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Retina-Implantat

Synonym: Netzhautprothese
Englisch: visual prosthesis

1. Definition

Unter einem Retina-Implantat versteht man eine elektronische Sehprothese, die in der Lage ist, ein funktionelles Sehvermögen teilweise wiederherzustellen. Man unterscheidet subretinale und epiretinale Implantate.

2. Hintergrund

Im gesunden Auge wird Licht über die optischen Bestandteile des Auges auf die Photorezeptoren der Netzhaut projiziert und hier in elektrische Signale umgewandelt. Diese werden in den inneren Netzhautschichten verarbeitet und über den Sehnerven an das Gehirn (visueller Kortex) geleitet.

3. Subretinales Implantat

3.1. Aufbau

Fallen die Photorezeptoren krankheitsbedingt aus, können sie durch ein subretinales, d.h. unter der Netzhaut liegendes, Netzhaut-Implantat ersetzt werden. Subretinale Retina-Implantate setzen sich aus drei Teilen zusammen.

3.1.1. Implantat

Das Implantat verfügt über 1.600 winzige Photodioden, die das auf sie projizierte Licht messen und über jeweils einzeln gekoppelte Elektroden entsprechende spezifische elektrische Impulse an die inneren Netzhautschichten abgeben. Die natürliche intraretinale Signalverarbeitung sowie die natürlichen Blickbewegungen werden hierbei weiterhin genutzt. Eine spezielle Kamera zur Bildaufnahme außerhalb des Auges ist nicht erforderlich. Amplitude und Frequenz der Impulse sind individuell festgelegt. Die Lichtempfindlichkeit sowie die Signalverstärkung können ständig an die äußeren Lichtbedingungen angepasst werden. Die spezifischen elektrischen Ströme des Retina-Implantats werden gemäß den Anweisungen des externen Steuergeräts ausgegeben. Die Energieversorgung des Netzhaut-Implantats sowie die Anweisungen des Steuergeräts werden mittels Transponder per transkutaner Induktion übertragen.

3.1.2. Transponder

Der Transponder verbindet das Steuergerät mit dem Implantat. Er wird extern magnetisch angebracht und besteht aus einem Kabel und einer Sendespule. Ein magnetisches Wechselfeld überträgt die Energie induktiv durch die Haut (transkutan) auf die hinter dem Ohr im Schädelknochen implantierte Empfangsspule.

3.1.3. Steuergerät

Neben der Energieversorgung des Implantats bietet das Steuergerät dem Patienten die Möglichkeit, das Signal individuell an die umgebenden Lichtbedingungen anzupassen.

3.2. Implantation

3.2.1. Voruntersuchung

Im Rahmen der Voruntersuchung wird nach der Ursache der Blindheit gesucht sowie die funktionelle und morphologische Integrität der Sehbahn überprüft. Dies geschieht über eine visuelle Prüfung des Augenhintergrunds (Fundus), eine Analyse der Netzhautschichtung mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) und soweit erforderlich über eine funktionelle Prüfung des Sehnerven mittels elektrisch ausgelöster Phosphene. Weiterhin wird die psychosoziale Situation des Patienten abgeklärt und der allgemeine visuelle Entwicklungsstand untersucht.

3.2.2. Durchführung

Vor der Implantation erfolgt eine Kataraktoperation, da eine hohe Koinzidenz der Katarakt mit genetisch bedingten Netzhauterkrankungen besteht und eine vorzeitige Linseneintrübung in Folge der Operation wahrscheinlich ist. Der erste Schritt der Implantation beinhaltet das Platzieren der Empfangsspule hinter dem Ohr im ausgebohrten Knochen. Im Anschluss wird das Kabel subkutan zum Auge geführt. Es folgt die Eröffnung der Binde- (Konjunktiva) und Lederhaut (Sklera) und das Platzieren des Chips zwischen Aderhaut (Choroidea) und Netzhaut (Retina) im Bereich mit der ehemals größten Dichte von Sehzellen (Makula).

3.2.3. Nachsorge

Nach beendeter Wundheilung wird das Steuergerät individuell eingestellt. Ein Sehtraining im Anschluss zur Bestimmung der individuellen Stimulationsparameter und zum Handling des externen Steuergeräts ist notwendig. Zur Erkennung von technischen Defekten und zur Einbringung von Neuerungen werden regelmäßige technische Kontrollen durchgeführt.

3.3. Indikation

Voraussetzungen für die Implantation eines subretinalen Retina-Implantats sind eine intakte innere Netzhaut, eine funktionelle Verbindung zum Gehirn (intakter Sehnerv) und ein funktionell ausgebildeter visueller Kortex (nutzbare formerkennende Sehfähigkeit vor Beginn der Degeneration). Für Krankheiten bei denen die Photorezeptoren der Netzhaut ihre Funktion vollständig verloren haben oder abgestorben sind, d.h. dass nur noch Lichtscheinwahrnehmung besteht oder vollständige Erblindung vorliegt, aber alle anderen Netzhautschichten sowie der visuelle Kortex intakt sind, besteht folglich eine Indikation zur Implantation.

Hierzu zählen die Retinitis pigmentosa, die Retinopathia pigmentosa, das Usher-Syndrom oder die Chorioideremie (Stand 2018). Es dürfen keine zusätzlichen Augenerkrankungen vorliegen, welche die Optik oder die inneren Netzhautschichten betreffen. Weitere mögliche Indikationen aus dem Bereich der erblichen Netzhautdegenerationen sind mit dem behandelnden Augenarzt individuell zu besprechen.

4. Epiretinales Implantat

4.1. Aufbau

Das epiretinale Implantat besteht aus einer Kamera, einem Elektrodenarray und einer externen Bildverarbeitung. Es nimmt Bildinformationen über eine Kamera auf, verarbeitet diese in der Videoverarbeitungseinheit und sendet elektrische Signale an den Netzhautchip, welcher die Ganglienzellen der Netzhaut stimuliert. Über den Sehnerven gelangen die Signale an den visuellen Kortex, wo schließlich die Interpretation dieser Signale erfolgt.

4.1.1. Kamera/Brille

Die Kamera ist im Bereich des Nasenstegs einer Brille montiert. Per Kopfbewegung kann die Umgebung abgetastet werden. Die Bildinformationen der Kamera werden per Kabel an eine externe Verarbeitung übertragen, dort in Signalsequenzen umgewandelt und zurück zur Brille gesandt. An der Brille sind eine Induktionsspule zur Stromübertragung an das im Auge befindliche Implantat und eine Antenne zur Übertragung der Signalsequenzen montiert.

4.1.2. Implantat

Die Bildinformationen aus der Kamera, die an ein Brillengestell montiert ist, werden in elektrische Signale konvertiert und mittels 60 Elektroden auf die Ganglienzellen der Netzhaut übertragen. Die natürliche intraretinale Signalverarbeitung sowie die natürlichen Blickbewegungen entfallen. Die computergestützte Bildverarbeitung reduziert komplexe Bilder auf eine Sequenz weniger elektrischer Signale. Der Patient lernt diese Signale in Bildinformationen zu transferieren. Die spezifische Sequenz elektrischer Signale wird von der Brille kabellos an das im Auge befindliche Implantat übertragen. Die Energieversorgung des Netzhaut-Implantats erfolgt per Induktion.

4.1.3. Externe Videoverarbeitungseinheit

Neben der Energieversorgung des Implantats dient die externe Einheit der Bildverarbeitung und Transferierung der Bilddaten der Kamera in elektrische Signalsequenzen zur Stimulation der Ganglienzellen über die 60 Elektroden des Implantats.

4.2. Implantation

4.2.1. Voruntersuchung

Die Untersuchungen zur Indikationsstellung gleichen den Untersuchungen für ein subretinales Implantat.

4.2.2. Durchführung

Eine Routine-Kataraktoperation ist ebenfalls Voraussetzung für die Implantation eines epiretinalen Implantats, kann aber auch während der Implantation erfolgen. Der erste Schritt der Implantation beinhaltet das Platzieren eines Gürtelbandes (Cerclage). Die Empfängerspule sowie der Netzhautchip sind am Gürtelband befestigt und werden nach Glaskörperentfernung in das Auge eingeführt. Der Chip wird auf der Netzhaut mittels Netzhautnagel im Bereich der Makula befestigt.

4.2.3. Nachsorge

Nach beendeter Wundheilung werden die Kamera und der externe Computer kalibriert und die Signalsequenzen individuell eingestellt. Ein Sehtraining im Anschluss an die Implantation ist notwendig, da die Übersetzung der Signalsequenzen in Bilder trainiert werden muss.

4.3. Indikation

Voraussetzungen für die Implantation eines epiretinalen Retina-Implantats sind, ähnlich wie die Voraussetzung zur Implantation eines subretinalen Implantats, eine intakte Ganglienzellschicht, eine funktionelle Verbindung zum Gehirn (intakter Sehnerv) und ein funktionell ausgebildeter visueller Kortex (nutzbare formerkennende Sehfähigkeit vor Beginn der Degeneration). Für Krankheiten bei denen die Photorezeptoren der Netzhaut ihre Funktion vollständig verloren haben oder abgestorben sind, d.h., dass nur noch Lichtscheinwahrnehmung besteht oder vollständige Erblindung vorliegt, aber der Sehnerv, sowie der visuelle Kortex intakt sind, besteht folglich die Möglichkeit zur Implantation.

5. Ergebnisse und Vergleich der Implantate

Subretinales Implantat Epiretinales Implantat
Name Alpha AMS Argus II
Hersteller Retina Implant AG, Reutlingen, Deutschland Second Sight, Sylmar CA, USA
Bester Visus 0,037[1] 0,015[2]
Erkannte Objekte mit hohem Kontrast 11/12 Patienten[1] Von 8 Gegenständen erkannt: 25 % (angeschaltet) versus 13 % (ausgeschaltet)[3]
Haltbarkeit > 5 Jahre unklar
Zulassung ja ja
OP-Dauer 6-8 h 1,5 bis 4 h[4]

6. Quellen

  1. 1,0 1,1 Stingl K et al.: Interim Results of a Multicenter Trial with the New Electronic Subretinal Implant Alpha AMS in 15 Patients Blind from Inherited Retinal Degenerations. Front Neurosci. 2017 Aug 23;11:445. doi: 10.3389/fnins.2017.00445.
  2. Humayun MS et al.: Interim results from the international trial of Second Sight's visual prosthesis. Ophthalmology. 2012 Apr;119(4):779-88. doi: 10.1016/j.ophtha.2011.09.028.
  3. Arsiero et al. ARVO Meeting Abstract 2011
  4. Rizzo S. et al.: The Argus II Retinal Prosthesis: 12-month outcomes from a single-study center. Am J Ophthalmol. 2014 Jun;157(6):1282-90. doi: 10.1016/j.ajo.2014.02.039.

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