Arzneimittel
Synonyme: Pharmakon, Pharmazeutikum
Definition
Ein Arzneimittel ist ein Wirkstoff oder eine Wirkstoffkombination, der bzw. die zur Diagnose, Therapie oder Prophylaxe von Krankheiten bestimmt ist.
EU-Definition
Nach dem europäischen Gemeinschaftkodex für Humanarzneimittel sind Arzneimittel
a) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder
b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.
Terminologie
Der Unterschied zwischen einem Arzneimittel und einem Arzneistoff ist juristisch determiniert. Im Gegensatz zu einem Arzneistoff hat ein Arzneimittel eine im Arzneimittelrecht definierte "Zweckbestimmung" (Indikation). In der medizinischen Alltagssprache wird dieser Unterschied meist ignoriert.
Die Bezeichnung "Pharmakon" wird in der Regel synonym zu Arzneimittel verwendet. Im ursprünglichen Sinn bezieht sich "Pharmakon" jedoch auf biologisch wirksame Dosen von Stoffen. Der altgriechische Begriff φάρμακον ("pharmakon") ist ambivalent; er schließt sowohl nützliche (heilend, therapeutisch) als auch schädlich (giftig, toxisch) wirkende Agenzien ein.
Der Begriff Arzneimittel schließt alle Medikamente ein, geht aber über den Begriff eines Medikamentes hinaus: Kontrastmittel oder Blutpräparate beispielsweise sind zwar Arzneimittel, aber keine Medikamente. Umgangssprachlich wird das Arzneimittel jedoch häufig synonym zu Medikament verwendet. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Stoffe, die als Wirkstoffe in zugelassenen Arzneimitteln enthalten sind, mit anderer Zweckbestimmung auch in Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten oder Kosmetika enthalten sein können.
Die ältere Bezeichnung Arznei wird heute (2025) in der Fachsprache nicht mehr verwendet.
Die Behandlung mit Arzneimitteln wird als Arzneimitteltherapie oder Pharmakotherapie bezeichnet.
Abgrenzung
Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte, für welche die Verordnung (EG) 1394/2007 Anwendung findet.
Nicht zu den Arzneimitteln zählen unter anderem Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse und Kosmetika, Lebensmittel. Zu letzteren gehören u.a. Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel.
Einteilung
Arzneimittel lassen sich nach ihrem Einsatzgebiet grob in Diagnostika und Therapeutika einteilen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von anderen Unterteilungen nach weiteren Gesichtspunkten.
...nach Bestimmung
Nach §2 Arzneimittelgesetz lassen sich Arzneimittel bzgl. ihrer Bestimmung unterteilen in:
- Präsentationsarzneimittel: Sie sind zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper vorgesehen und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt.
- Funktionsarzneimittel: Sie korrigieren oder beeinflussen die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung bzw. stellen sie wieder her.
- Diagnostika: Sie dienen der Erstellung einer medizinische Diagnose
Diese Neufassung der Definition eines Arzneimittels wurde mit der 15. AMG-Novelle in das AMG aufgenommen und gilt seit 24. Juli 2009.
...nach Abgabemodalität
- Freiverkäufliche Arzneimittel
- Apothekenpflichtige Arzneimittel
- Verschreibungspflichtige Arzneimittel
Eine Sonderstellung unter den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln haben die Betäubungsmittel, die in Apotheken nur gegen Vorlage eines Betäubungsmittelrezeptes erhältlich sind.
ATC-Klassifikation
Arzneimittel werden durch das DIMDI mittels der amtlichen ATC-Klassifikation nach anatomischen, therapeutischen und chemischen Gesichtspunkten klassifiziert.
Arzneimittelzulassung
In Deutschland müssen Arzneimittel vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen bzw. im Falle von homöopathischen oder traditionellen Arzneimitteln registriert werden. Für die Zulassung oder Registrierung eines Arzneimittels bedarf es einiger Voraussetzungen, die unter anderem im AMG (Arzneimittelgesetz) niedergelegt sind.
Der Verkauf bzw. die Abgabe von Arzneimitteln ist eingeschränkt und darf in Deutschland nur über Apotheken erfolgen. Ausnahmen von der Apothekenpflicht sind in §§ 44-46 des AMG geregelt. Für den Verkehr außerhalb der Apotheken sind nur die sogenannten freiverkäuflichen Arzneimittel zugelassen.
Neben diesen Arzneimitteln dürfen Apotheken auch apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Arzneimittel in den Verkehr bringen. Das Inverkehrbringen von Arzneimitteln beginnt dabei schon mit der Lagerung und nicht erst mit der Abgabe an den Kunden.
Statistik
Aktuell (2025) sind in Deutschland 104.226 Arzneimittel verkehrsfähig.[1] Davon sind 100.729 zugelassen und 3.497 registriert. Diese Zahl umfasst
- 34.362 freiverkäufliche Arzneimittel
- 16.468 apothekenpflichtige Arzneimittel
- 51.169 verschreibungspflichtige Arzneimittel
- 2.179 Betäubungsmittel (BtM)
- 30 Arzneimittel, die auf T-Rezept verordnet werden müssen
Arzneimittelkennzeichnung
Folgende Angaben müssen in Deutschland bei Arzneimitteln vorhanden sein:
- Name, Bezeichnung des Medikamentes
- Name oder Firma des Herstellers
- Art der Anwendung
- Zusammensetzung
- Herstellerdatum
- Haltbarkeitsdatum
- Zulassungsnummer
- Chargennummer
- Darreichungsform
- Verfallsdatum
- Anwendungsgebiete
- Gegenanzeigen
- Nebenwirkungen
- Wechselwirkungen mit anderen Arzneien
- verschreibungspflichtig oder apothekenpflichtig
Teile dieser Angaben müssen bereits auf der Arzneimittelverpackung gemacht werden. Für freiverkäufliche Arzneimittel sind vereinfachte Angaben zugelassen.
Arzneiformen
Bei Arzneimitteln liegt der Wirkstoff nicht als reine Substanz vor, sondern in einer besonderen Arzneiform bzw. galenischen Form. Diese Zubereitung verbessert die Haltbarkeit, ermöglicht eine sichere Dosierbarkeit und optimiert die Anwendung und Wirkung des Arzneistoffs. Arzneimittel enthalten zu diesem Zweck eine unterschiedliche Anzahl von Hilfsstoffen, die pharmakologisch inaktiv sind.
Man unterscheidet flüssige, feste und halbfeste Arzneiformen sowie spezielle Formen wie das transdermale Pflaster oder Sprays. Die am häufigsten verwendeten Arzneiformen sind feste Formen wie Tabletten und Kapseln für die orale Einnahme. Sie stellen etwa 80 % der verwendeten Arzneimittel.
Arzneimittelherstellung
Wer Arzneimittel herstellen will, benötigt in Deutschland dazu eine Herstellungserlaubnis. Sie wird durch staatliche Stellen im jeweiligen Bundesland erteilt. Ausnahmen sind Rezepturen und Defekturen, die in einer Apotheke zur direkten Abgabe an Patienten hergestellt werden.
Arzneimittelsicherheit
Unter Arzneimittelsicherheit versteht man den Zustand der Gefahren- bzw. Risikofreiheit von Arzneimitteln. Die damit verbundenen Aktivitäten werden unter dem Begriff Pharmakovigilanz zusammengefasst.
Innerhalb der Pharmaunternehmen wird die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit durch einen Arzneimittelsicherheitsbeauftragten (Drug Safety Manager) verantwortet. Für die Einhaltung der Arzneimittelsicherheit sind in Deutschland das BfArM und die jeweiligen Landesbehörden zuständig.
Toxikologie
Durch die breite Anwendung von Arzneimitteln in Industrieländern kommt es häufig zu Anwendungsfehlern. Vor allem bei Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite und bei Polymedikation kann dann im Falle einer fehlerhaften Dosierung eine Arzneimittelintoxikation auftreten.
Darüber hinaus ist die Einnahme in suizidaler Absicht ein möglicher Grund für Vergiftungen mit Arzneimitteln. Vor allem bei Kleinkindern handelt es sich dagegen entweder um Vergiftungsunfälle (akzidentelle Ingestion) oder Fehlanwendungen (Medikationsfehler) durch betreuende Personen.
Kosten
Die Entwicklung eines originären neuen Arzneimittels kostete im Zeitraum 2001 und 2020 in den USA etwa 6,16 Milliarden US-Dollar (rund 5,6 Milliarden Euro).[2]
Entsorgung
In der Regel sind Arzneimittel in der Restmülltonne zu entsorgen; das gilt ausdrücklich nicht für Zytostatika, die als überwachungsbedürftiger Abfall behandelt werden.[3][4] Dabei ist besonders darauf zu achten, dass für Kinder attraktive Arzneiformen (z.B. Säfte, Dragees, Filmtabletten) nicht in Kinderhände geraten. Durch die Verbrennung des Restmülls werden die Wirkstoffe zerstört und können nicht mehr in die Umwelt gelangen. Um Gewässer und Trinkwasser zu schützen, sollen Restbestände von Arzneimitteln niemals über die Toilette oder die Spüle entsorgt werden.[5]
Apotheken sind nicht zur Rücknahme von Arzneimitteln verpflichtet, können das aber auf freiwilliger Basis tun. Eine Entsorgung über Schadstoffmobile oder Recyclinghöfe der Stadtwirtschaft ist nicht überall möglich.[6]
Quellen
- ↑ https://www.bfarm.de/DE/Aktuelles/Statistiken/Arzneimittelzulassung/verkehrsfaehige-Arzneimittel/_node.html
- ↑ Schuhmacher A et al. Analysis of pharma R&D productivity - a new perspective needed. Drug Discov Today. 2023
- ↑ Zytotoxische und zytostatische Arzneimittel entsorgen. Abfall-Manager Medizin 19.12.2023, abgerufen am 29.01.2025
- ↑ Abfallschlüsselnummer 180108* - Entsorgung von CMR-Arzneistoffen, Abfall-Manager Medizin 19.12.2023, abgerufen am 29.01.2025
- ↑ Humanarzneimittel und Umwelt, UBA, abgerufen am 29.01.2025
- ↑ Arzneimittel-Entsorgung richtig gemacht! Entsorgungswege finden, abgerufen am 29.01.2025
Weblinks
- Arzneimittel-Informationssystem, BfArM, abgerufen am 31.01.2025
- Liste unentbehrlicher Arzneimittel, Flexikon
- Rote Liste® , abgerufen am 31.01.2025
- Gelbe Liste , abgerufen am 31.01.2025
- Medikamenten-Informationssystem des BASG (Österreich) , abgerufen am 31.01.2025
- AIPS (Schweiz) , abgerufen am 31.01.2025
- EMA - Medicine finder , abgerufen am 31.01.2025
- EPARs for authorised medicinal products for human use , abgerufen am 31.01.2025