Transdermales Pflaster
Synonyme: Transdermales Therapeutisches System (TTS), Emplastra transcutanea
Englisch: transdermal patch
Definition
Ein transdermales Pflaster, kurz TTS, ist eine spezielle Applikationsform zur Verabreichung eines oder mehrerer Wirkstoffe über die Haut für die systemische Therapie.
Hintergrund
Transdermale Pflaster werden auf die Haut geklebt und setzen den in einem Trägermedium gelösten bzw. suspendierten Wirkstoff langsam über einen bestimmten Zeitraum (retardiert) frei. Die Haut resorbiert den Wirkstoff und er gelangt über subkutane Blutgefäße direkt in den Blutkreislauf.
siehe auch: Transdermale Applikation
Aufbau
Transdermale Pflaster besitzen eine Trägerschicht, auf der sich das Arzneistoffreservoir befindet. In einigen Fällen liegt zwischen Trägerschicht und Arzneimittelreservoir eine Polsterschicht, welche das Reservoir vor mechanischen Einflüssen schützt. Die gegenüberliegende Seite des Reservoirs bilden eine Abdeckfolie und eine Haftschicht, mit welcher das TTS auf die Haut aufgeklebt wird.
Prinzipiell werden zwei Arten an TTS unterschieden: Membran- und Matrix-Pflaster.
Membrangesteuerte Pflaster
Bei membrangesteuerten Pflastern ist das Arzneistoffreservoir durch eine Membran abgedeckt, die sich nach Applikation zwischen Reservoir und Haut befindet. Sie besteht aus Polypropylen, Ethylen-Vinylacetat-Copolymer oder Polyethylen. Das Arzneistoffreservoir liegt in Form einer Lösung bzw. Suspension des Wirkstoffs in Mineral- bzw. Silikonöl vor.
Die Arzneistofffreisetzung wird über Löcher in der Membran kontrolliert. Je größer die Gesamtoberfläche der Löcher, umso schneller wird der Arzneistoff freigesetzt. Durch Wahl einer geeigneten Membran lässt sich also die Freigabegeschwindigkeit gezielt steuern. Die Arzneistoffresorption erfolgt nach einer Kinetik 1. Ordnung und lässt sich mit dem ersten Fick'schen Gesetz beschreiben.
Matrixgesteuerte Pflaster
Bei matrixgesteuerten Pflastern befindet sich keine Membran zwischen Arzneistoffreservoir und Haut; es liegt also direkt auf der Haut auf. Die Matrix besteht aus einer Lösung beziehungsweise Suspension des Arzneistoffes in einem Hilfsstoff, in der Regel Polypropylen, Ethylen-Vinylacetat-Copolymer oder Polyacrylat. Für die Auftragung auf die Abdeckfolie wird die Matrix entweder mit organischen Lösungsmitteln oder - unter Einwirkung von Wärme - mithilfe des Hotmelt-Verfahrens streichfähig gemacht.
Matrixpflaster gehorchen einer Wurzelkinetik, die mathematisch mit der Higuchi-Gleichung beschrieben werden kann. Ein Nachteil dieser Kinetik ist, dass die Arzneistofffreisetzung nur über einen geringen Konzentrationsbereich, nämlich bis etwa 30 % der Ausgangsdosis, linear verläuft und anschließend abnimmt. Um eine Verringerung der Arzneistofffreigabe zu verhindern, wurden TTS entwickelt, die in ihrer Matrix einen Konzentrationsgradienten aufweisen. Die dem Körper weiter entfernte Schicht weist eine höhere Konzentration auf und gleicht so den Konzentrationsverlust in der hautnahen Schicht aus.
Hilfsstoffe
Neben den bereits oben genannten Hilfsstoffen werden bei beiden Pflasterarten noch folgende Hilfsstoffe verwendet:
- Haftkleber: Der Kleber, der das Pflaster mit der Haut verbindet, darf keine lokalen Reizungen auslösen. Verwendet werden Polyacrylate, Polyisobutylen, Silikone und Kolophoniumester. Letztere erhöhen die Klebeeigenschaften durch eine Erniedrigung der Viskosität; hierdurch wird die Haut besser benetzt.
- Enhancer (Permeationsbeschleuniger): Stoffe, welche die Wirkstoffresorption durch die Haut verbessern bzw. beschleunigen. Verwendet werden Ölsäure, Harnstoff, Ethanol und Propylenglykol
Arzneistoff
Ein Arzneistoff für die transdermale Applikation muss über bestimmte Eigenschaften verfügen. Die ersten beiden Punkte gelten speziell für die Anwendung als TTS, die anderen Punkte gelten prinzipiell für alle Formen der Retardierung:
- ausreichende Hautpermeabilität: Dies erfordert eine hohe Lipophilie und eine Molekülmasse von unter 500 Dalton.
- Wirkungseintritt schon in geringen Dosen, da aufgrund der geringen Pflasterfläche keine hohen Plasmaspiegel erzielt werden können.
- kurze Halbwertszeit
- ausreichend große therapeutische Breite
Anwendung
Transdermale Pflaster werden in verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt. Am bekanntesten sind dabei:
- Nikotinpflaster zur Raucherentwöhnung
- Hormonpflaster für die Hormontherapie oder Hormonersatztherapie zur Empfängnisverhütung oder bei klimakterischen Beschwerden mit Östrogenen bzw. Östrogen/Gestagen-Kombinationen
Ferner werden transdermale Pflaster mit geeigneten Wirkstoffen bei verschiedenen Indikationen eingesetzt:
- Scopolamin bei der Reisekrankheit (Kinetose)
- Oxybutynin bei einer hyperaktiven Blase
- Nitroglycerin für die Vorbeugung von Angina pectoris und Herzinfarkt
- Clonidin zur Behandlung von Bluthochdruck
- Fentanyl und Buprenorphin in der Schmerztherapie
- Rotigotin zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung
- Rivastigmin zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit
- Testosteron bei Testosteronmangel
Anwendungs- und Abgabehinweise
Der Patient sollte bezüglich der Anwendung von TTS beraten werden. Hierbei sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
- Die Klebeschicht darf nach dem Entfernen der Schutzfolie auf keinen Fall mit den Fingern berührt werden, da so die Klebeeigenschaften beeinträchtigt werden können. Nach dem Aufkleben sollten die Hände gewaschen werden.
- Der Patient sollte das TTS auf keinen Fall teilen oder mit einer Schere zerschneiden. Bei Membranpflastern wird beim Durchtrennen die freisetzungskontrollierende Membran zerstört, was zu einem dose dumping führen kann. Matrixpflaster sind prinzipiell teilbar; aus Gründen der Arzneimittelsicherheit sollte dies jedoch unterlassen werden.
- Erhöhte Temperatur beschleunigt die Arzneimittelfreisetzung: Saunieren und die Anwendung eines Heizkissens direkt auf dem Pflaster sollte vermieden werden. Baden, Duschen und Waschen sind jedoch prinzipiell möglich.
- Nach dem Entfernen des Pflasters ist die Klebeseite zusammenzufalten und über den Hausmüll zu entsorgen. Nach der angegebenen Tragzeit befindet sich noch ein Großteil des Arzneistoffes in dem Pflaster. Durch das Zusammenkleben wird verhindert, dass z.B. Kinder mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen. Dies ist vor allem bei Fentanylpflastern zu beachten.
Prüfungen
Bei TTS wird vor allem die in vitro-Freisetzung geprüft. Dabei werden Variationen der Blattrührer-Apparatur eingesetzt: Das Pflaster wird in eine Freisetzungsscheibe gelegt, welche wiederum über den Blattrührer montiert wird. Auch eine Extraktionszelle kann das Pflaster aufnehmen. In einer dritten Variation wird der Rührer durch einen sich drehenden Zylinder ersetzt, auf welchen das Pflaster aufgeklebt wird.
Die Temperatur der Prüfflüssigkeit beträgt 32 ± 0,5 °C, was der Temperatur der Haut entspricht.
Bewertung
Vorteile
Die Verabreichung eines Wirkstoffs über transdermale Pflaster hat den Vorteil, dass der Wirkstoff kontinuierlich abgegeben wird, so das gleichbleibende Plasmaspiegel erzielt werden. Das Pflaster muss meistens erst nach mehreren Tage gewechselt werden, was zur Compliance des Patienten beiträgt.
Da der Wirkstoff direkt in den Blutkreislauf abgeben wird, wird ein First-Pass-Effekt verhindert, da der Wirkstoff nicht im Magen-Darm-Trakt resorbiert und in der Leber metabolisiert wird. Außerdem werden gastrointestinale Nebenwirkungen verhindert. Bei der Behandlung von Übelkeit ist es von Vorteil, dass die Wirkstoffaufnahme nicht durch Erbrechen verhindert wird.
Nachteile
Das Tragen eines Pflasters über mehrere Tage kann das Mikroklima der Haut unterhalb des Pflasters ungünstig beeinflussen und Hautirritationen oder Allergien auslösen. Zudem werden Wirkstoffe nur sehr langsam freigesetzt, sodass sich der Wirkeintritt verzögert.
Literatur
- Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
- Marc Schiller, Peter C. Schmidt: Transdermale therapeutische Systeme - Arzneistoffe zum Aufkleben. Pharmazeutische Zeitung, Ausgabe 22/2002
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