Unter dem Begriff Retard ist eine spezielle Arzneiform zu verstehen, aus der nach Einnahme der Wirkstoff langsam freigesetzt wird. Somit wird eine gleichmäßige Versorgung mit der therapeutisch wirksamen Substanz über einen bestimmten Zeitraum gewährleistet. Eine funktionelle Ähnlichkeit besteht zu den Depotarzneimitteln; die Bezeichnung Retard bezieht sich allerdings vornehmlich auf oral zu verabreichende Medikamente.
Damit ein Wirkstoff für die Verabreichung als Retardform geeignet ist, muss er einige Kriterien erfüllen:
Für den Prozess der Freisetzung sollten folgende Punkte gelten:
Retardarzneiformen können durch die einmal tägliche Gabe die Compliance stark erhöhen. Das Dosierungsintervall wird länger und der prozentuale Swing verringert sich.
Nachteile liegen in der niedrigeren Bioverfügbarkeit als bei rasch zerfallenden Formen, einem möglichen dose dumping, bei welchem unbeabsichtigt der ganze Wirksotff auf einmal freigesetzt wird, und den hohen Entwicklungskosten.
Das Prinzip der diffusionsgesteuerten Freigabe ist in der Matrixtablette verwirklicht. Die Freigabe aus diesen Arzneiformen erfolgt über passive Diffusion. Der Arzneistoff ist in einer Grundlage dispergiert, die nicht im Magen-Darm-Trakt löslich ist (z.B. Eudragit NE). Der Arzneistoff diffundiert während der Magen-Darm-Passage durch die Arzneiform und wird in die umgebende Flüssigkeit freigesetzt.
Die Freigabe erfolgt nach einer Wurzelkinetik, die durch die Higuchi-Gleichung beschrieben wird. In einer Näherung kann davon ausgegangen werden, dass die Freisetzung des ersten Drittels der Arzneistoffmenge nach einer Kinetik 0. Ordnung und somit konstant stattfindet.
Die diffusionsgesteuerte Freigabe findet sich bei Tabletten mit einem nicht löslichen Retardüberzug (z.B. Eudragit RL). Die Freisetzung erfolgt über passive Diffusion durch die Hülle.
Das Polymer ist quellbar. Wasser dringt in die Tablette ein und löst den Arzneistoff im Kern (Reservoir), sodass dort eine gesättigte Lösung entsteht. Durch die Hülle diffundiert der Arzneistoff nach außen.
Wenn im Kern eine gesättigte Lösung vorliegt, erfolgt die Arzneistofffreisetzung nach einer Kinetik 0. Ordnung. Ist jedoch der Großteil des Arzneistoffes freigegeben, sodass keine gesättigte Lösung mehr vorleigt, erfolgt die Freisetzung nach einer Kinetik 1. Ordnung.
Die osmosegesteurte Arzneistofffreisetzung ist im oralen osmotischen System verwirklicht. Es handelt sich um eine Tablette, welche neben dem Wirkstoff ein Osmogen enthält. Wasser geht in die Tablette über, löst das Osmogen und drückt den Wirkstoff aufgrund des osmotischen Drucks durch ein Loch in der Tablettenwand heraus.
Die Freisetzung erfolgt über den gesamten Dosisbereich nach einer Kinetik 0. Ordnung.
Nicht nur durch Modifikation der Arzneistofffreisetzung im Darm kann eine Retardierung erzielt werden, sondern auch durch eine Erhöhung der Magenverweilzeit. Hierfür wurden gastroretentive Arzneiformen entwickelt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Verweilzeit im Magen zu erhöhen:
Gastroretentive Systeme sind bis jetzt (2020) nur wenig auf dem Markt vertreten.
Retard-Medikamente sind überall dort gefragt, wo ein konstanter Wirkstoffpegel notwendig ist und eventuelle Schwankungen gefährlich sein können. Dazu gehören v. a.:
Fachgebiete: Arzneimittel, Pharmazie
Diese Seite wurde zuletzt am 17. Juli 2020 um 15:07 Uhr bearbeitet.
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