Orales osmotisches System
Synonym: OROS, osmotic release oral system
Definition
Orale osmotische Systeme, kurz OROS, sind retardierende Arzneiformen, die auf dem Prinzip der Osmose basieren. Sie setzen den Wirkstoff mit einer konstanten Geschwindigkeit frei und zählen deshalb zu den therapeutischen Systemen.
Historisches
Das erste orale osmotische System war die Rose-Nelson-Pumpe, die 1955 mit einem Fassungsvermögen von bis zu 90 ml für Tierversuche entwickelt wurde. Im Jahr 1974 entwickelte Felix Theeuwes mit der elementaren osmotischen Pumpe ein System, das auch für den Menschen geeignet ist.
Prinzip
Ein orales osmotisches System besteht aus einer Tablette, die mit einer semipermeablen Membran umhüllt ist. Die Tablette hat eine hohe Konzentration an Osmogenen, sodass Wasser aufgrund des Prinzips der Osmose durch die Hülle in die Tablette strömt. Hierbei wird der Wirkstoff gelöst und durch den osmotischen Druck aus einem Loch, das zuvor in die Hülle eingebracht wurde, nach außen gepresst.
Mathematisch lässt sich dies durch eine Modifizierung des Van't Hoffschen Gesetzes beschreiben:
Formel |
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dV/dt = K × A/l × (Δπ - ΔP) |
mit: dV/dt = Fließgeschwindigkeit des Wasservolumens K = Permeabilität A = Fläche der Membran l = Dicke der Membran Δπ = hydrostatische Druckdifferenz ΔP = osmotische Druckdifferenz |
Solange in der Tablette das Osmogen im Überschuss vorliegt, ist die Menge des freigesetzten Wirkstoffs konstant, da die Permeabilität, die Eigenschaften der Hülle und die Druckdifferenz unverändert bleiben. Es liegt eine Kinetik 0. Ordnung vor, bei welcher eine konstante Wirkstoffmenge pro Zeiteinheit freigesetzt wird.
Aufbau
Es werden zwei Arten unterschieden:
Einkammersysteme
Hier ist ein homogener Tablettenkern von einer semipermeablen Membran umgeben. Der Tablettenkern besteht aus dem Wirkstoff, dem Osmogen und den übrigen Hilfsstoffen. An einer Stelle befindet sich ein Loch in der Hülle, durch welches die sich bildende Arzneistoff-Lösung freigegeben wird.
Das Loch wird nach dem Überziehen der Tablette mit einem Laser in die Hülle eingebrannt.
Zweikammersysteme
Diese Systeme werden auch als Push-Pull-Systeme bezeichnet. Während Einkammersysteme eine homogene Tablette als Kern haben, besteht der Kern des Zweikammersystems aus einer Schichttablette. Die Schichten sind identisch aufgebaut, bis auf dass bei einer Schicht der Wirkstoff fehlt und stattdessen ein Quellmittel zugegeben ist. Dringt Wasser in die Tablette ein, wird die Wirkstofflösung durch den osmotischen Druck aus der Arzneiform gepresst und hauptsächlich durch die zweite Schicht, die aufgrund des Quellmittels eine Volumenzunahme erfährt, nach außen gedrückt.
Hilfsstoffe
- Osmogen: Das Osmogen sorgt für den Konzentrationsgradienten über die semipermeable Membran und ermöglicht so die Osmose. Verwendet wird Natriumchlorid oder Mannit. Früher wurde auch Kaliumchlorid verwendet; hierbei kam es jedoch teilweise zu Magenperforationen.
- Semipermeable Membran: Sie ermöglicht die Osmose. Sie besteht in der Regel aus Celluloseacetat
- Quellmittel: Als Quellmittel bei den Zweikammersystemen wird in der Regel Hydroxypropylmethylcellulose verwendet
Daneben werden noch die üblichen Tablettierhilfsstoffe verwendet.
Vorteile
Der Vorteil der oralen osmotischen Systeme ist, dass die Wirkstofffreigabe über die gesamte Darmpassage konstant und pH-unabhängig erfolgt. Dies ist mit kaum einer anderen Arzneiform erreichbar.
Nachteile
- aufwendige Produktion
- die Tablette enthält genug Wirkstoff für 24 Stunden und ist deshalb ziemlich groß. Sie kann den geschlossenen Pylorus nicht durchqueren, weshalb ihre Magenverweildauer variiert
- bei Wirkstoffen mit einer hohen Halbwertszeit (>2 Stunden) ist eine Initialdosis notwendig
- da die Arzneiform nicht zerfällt, wird sie über den Stuhl ausgeschieden. Bei fehlender Aufklärung des Patienten kann dies zu Compliance-Problemen führen.
Literatur
Bauer, Frömmig, Führer: Pharmazeutische Technologie. Mit Einführung in die Biopharmazie. 10. Auflage, Stuttgart 2017
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