Pemphigus vulgaris
von altgriechisch: πῆμφιξ ("pēmphix") - Blase, Bläschen
von lateinisch: vulgaris - gewöhnlich
Synonym: Blasensucht
Englisch: pemphigus
Definition
Der Pemphigus vulgaris ist eine Hautkrankheit aus der Gruppe der blasenbildenden Autoimmundermatosen, die zuerst die Schleimhaut befällt.
Epidemiologie
Ätiologie
Die genaue Ätiologie dieser Erkrankung ist bislang (2025) noch nicht abschließend geklärt. Man vermutet jedoch eine Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen. Weiterhin kann der Pemphigus als paraneoplastisches Syndrom bei Karzinomen und Lymphomen auftreten. Er lässt sich dann als Ausdruck der verstärkten Aktivierung des Immunsystems durch bestimmte Tumorkomponenten verstehen. Auch Medikamente (z.B. ACE-Hemmer, Antibiotika, Thiaziddiuretika) stehen im Verdacht, einen Pemphigus auslösen zu können.
Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich nach der Klassifikation von Coombs und Gell um eine allergische Reaktion vom Typ II (zytotoxische Reaktion). Charakteristisch sind Autoantikörper (IgG) gegen desmosomale Proteine der Epidermis (Desmogleine), wodurch eine Zerstörung der Desmosomen mit daraus resultierender Akantholyse erfolgt. Das Ergebnis dieser Vorgänge ist eine intraepitheliale Blasenbildung.[2]
Beim Pemphigus vulgaris ist die Bildung von Antikörpern gegen Desmoglein-3 obligat, während – vor allem in der Frühphase der Erkrankung – Antikörper gegen Desmoglein-1 fehlen können.
Klinik
Der Pemphigus vulgaris verläuft in 2 Stadien:
- Initialphase: (Dauer: bis zu einem Jahr) Zunächst treten die Blasen nur an den Schleimhäuten auf. Dort platzen sie meist sehr rasch und leicht auf und hinterlassen langsam verheilende Erosionen, die meist sehr schmerzhaft sind.
- Generalisationsphase: Mit dem Auftreten von Desmoglein-1-Autoantikörpern greift die Blasenbildung auf das gesamte Integument über. Es tritt bevorzugt an Stellen mit besonders hoher mechanischer Beanspruchung gegenüber Scherkräften auf. Die Blasen sind hautfarben, schlaff und mit klarer Flüssigkeit gefüllt. Kommt es zum Platzen, entstehen krustös belegte hellrote Erosionen, die brennen und schmerzen, jedoch meist ohne Narbenbildung abheilen.
Lokalisationen
In der ersten Krankheitsphase treten Läsionen fast ausschließlich auf der beweglichen oder fixierten Mundschleimhaut auf. Bevorzugt betroffen sind darüber hinaus:
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Einen klinischen Hinweis kann der Nikolski-Test erbringen. Im Gegensatz zu Erkrankungen mit Blasenbildung entlang der Basalmembran ist das Nikolski-I-Zeichen beim Pemphigus positiv.
Pathohistologie
Die diagnostische Sicherung erfolgt pathohistologisch. In einer Haut- oder Schleimhautbiopsie lässt sich die Akantholyse nachweisen. Typisch ist ein suprabasaler Kohärenzverlust der Keratinozyten. Man erkennt flottierende Keratinozyten und einen Tombstone-Pattern der Basalzellen. In einem Abklatsch-Präparat des Blasenbodens lassen sich Tzanck-Zellen nachweisen. Des Weiteren kann man mittels direkter Immunfluoreszenz an Desmosomen gebundene IgG-Antikörper im Gewebe nachweisen.
Labormedizin
Ein serologischer Nachweis zirkulierender Antikörper der IgG-Klasse (Desmoglein-1-Ak, Desmoglein-3-Ak) ist mittels ELISA möglich. Diese Antikörper korrelieren gut mit der Schwere der Erkrankung und eignen sich daher auch zur Verlaufsbeobachtung.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch kommt eine große Anzahl anderer blasenbildender Hauterkrankungen in Frage, u.a.:
- Pemphigus foliaceus (keine Schleimhautbeteiligung)
- bullöses Pemphigoid
- Staphylococcal scalded skin syndrome
- Toxische epidermale Nekrolyse
- Epidermolysis bullosa
Therapie
Topische Therapie
Augen
Die Therapie erfolgt lokal mit antiseptischen Augentropfen. Es sollten regelmäßige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen erfolgen.
- Rezeptur: Zinksulfat-Augentropfen 0,25 % (NRF 15.9.) ad 10,0 g, Dos.: 3x/Tag in jedes Auge
Haut
Die externe Therapie erfolgt mit milden Antiseptika. Um Infektionen zu vermeiden, sollten die Blasen steril eröffnet werden. Bei Verdacht auf eine Infektion ist ein Abstrich und ein Antibiogramm notwendig. Bei infizierten Läsionen kann eine Sulfadiazin-Silber-Creme aufgetragen werden.
- Rezeptur: Clioquinol 0,5 – 2,0 % in Ungt. emulsif. aq. ad 100,0 g, Dos.: 1-2x/Tag
Mundschleimhaut
Die Mundschleimhautläsionen können mit lokalen Glukokortikoiden behandelt werden. Alternativ kann eine lokale Therapie mit einer Tacrolimus-Suspension oder einer ciclosporinhaltigen Haftpaste versucht werden. Als schmerzlindernde und wundheilungsfördernde Therapie kann die Krister-Lösung zur Anwendung kommen.
- Rezepturen
- Betamethasonvalerat-Haftpaste 0,1 % (NRF 7.11.) ad 20,0 g - Dos.: 2x/Tag
- Clobetasol 0,01 g, Pyrogene Kieselsäure (z.B. Aerosil®) 0,76 g, Paraffinum subliquidum 10,6 g, Adhäsivpaste (z.B. Stomahesive®) ad 20,0 g - Dos.: 1x/Tag
- Prograf® 5 mg, Tylopur 0,3 in Aqua purificata ad 100,0 g, S: 1x/Tag den Mund mit 5 ml der Lösung spülen, für ca. 14 Tage, dann 3–4 Wochen Pause und dann erneut für 14 Tage den Mund 1x/Tag spülen.
- Ciclosporin A 0,25 % in Hypromellose-Haftpaste 40 % (NRF 7.8.) ad 10,0 g, Dos.: 1x/Tag
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Systemische Therapie
Zur initialen Unterdrückung der Immunreaktion kann Prednisolon in Kombination mit Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin) gegeben werden. Alternativ kann auch Cyclophosphamid mit Dexamethason kombiniert werden. In schwereren Fällen kann eine Gabe von Rituximab oder intravenösen Immunglobulinen (IVIG) erfolgen.
Die Erhaltungstherapie sollte nach Ausschleichen des Glukokortikoids mit einem Immunsupressivum in niedrigst-möglicher Dosierung fortgeführt werden.
Bei Rezidiven wird mit einem Glukokortikoid gestartet bzw. die Einnahmedosis eines aktuellen Präparates erhöht.
Komplikationen
Besonders gefürchtet sind Superinfektionen der Erosionen mit der Gefahr von Bakteriämie, Sepsis und Schock.
In der Schwangerschaft können diaplazentar übertragbare IgG-Autoantikörper der Mutter beim Neugeborenen einen Pemphigus hervorrufen, der jedoch unter syptomatischer Therapie innerhalb weniger Wochen nach Abbau der maternalen IgGs abheilt.
siehe auch: Pemphigus neonatorum
Prognose
Unbehandelt kann der Pemphigus vulgaris letal verlaufen, bei ausreichender Immunsuppression ist die Prognose jedoch gut.
Quellen
- ↑ Website des UKSH
- ↑ Santoro FA, Stoopler ET, Werth VP: Pemphigus. Dent Clin North Am. 2013 Oct;57(4):597-610. doi: 10.1016/j.cden.2013.06.002.