Haarzellenleukämie
Synonyme: Haarzell-Leukämie, Haarzellleukämie, leukämische Retikuloendotheliose
Englisch: hairy cell leukemia
Definition
Die Haarzellenleukämie, kurz HZL, ist eine chronisch verlaufende lymphoproliferative Erkrankung aus der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome. Sie ist unter anderem durch das Auftreten veränderter B-Lymphozyten im Blutausstrich, der sogenannten Haarzellen, charakterisiert. Die proliferierenden Zellen sind klassischerweise positiv für die Oberflächenantigene CD11c und CD25.
Einteilung
Die klassische Haarzellenleukämie wird von der HZL-Variante (HZL-V) unterschieden.
Epidemiologie
Die Haarzellenleukämie ist sehr selten. Die Inzidenz wird mit 0,3 bis 0,4 pro 100.000 Personen angegeben.[1] Der Anteil der HZL aller lymphatischen Leukämien beträgt ca. 3 %. Männer sind etwa 3-mal häufiger betroffen als Frauen.[2] Der Altersgipfel bei Männern liegt bei etwa 62 Jahren und bei Frauen bei etwa 65 Jahren.
Ätiopathogenese
Zur Ätiologie der Haarzellenleukämie liegen bisher (2024) wenige Daten vor. Als Ursprungzellen werden B-Zellen vermutet.
Die klassische Haarzellenleukämie ist charakterisiert durch variable Immunglobulinschwerketten-Genumlagerungen (IGHV) und die Mutation BRAF-V600E.[1] Die Mutation ist bei 70 bis 100 % zu finden.[3][4] Weitere genetische und epigenetische Veränderungen werden vermutet und betreffen z.B. die Gene CDKN1B, KMT2C oder KDM6A.
Als Risikofaktoren werden Insektizide, Herbizide, organische Lösungsmittel und ionisierte Strahlung diskutiert.[1]
Symptome
Die Haarzellenleukämie geht aufgrund des fortschreitenden Umbaus des Knochenmarks (Knochenmarkfibrose) mit einer Panzytopenie und ihren typischen klinischen Symptomen einher:
- Anämie mit Schwäche, Blässe und Belastungsdyspnoe
- Leukozytopenie mit erhöhter Anfälligkeit für Infekte
- Thrombozytopenie mit erhöhter Blutungsneigung
Zusätzlich kann eine Splenomegalie, selten auch eine Hepatomegalie auftreten. Weitere seltene Symptome sind u.a.:[1]
- Lymphadenopathie
- Hautinfiltrate oder Erythema nodosum
- Autoimmunphänomene (z.B. Vaskulitis oder Polyarthritis)
- Osteolysen
- B-Symptome
Während die klassische HZL einen chronisch-schleichenden Verlauf hat, ist die HZL-V meist aggressiver mit einer kürzen Überlebenszeit.
Diagnostik
Im Differentialblutbild sieht man bei etwa 60 % der Patienten sogenannte Haarzellen ("hairy cells"). Sie tragen ihren Namen nach den langen, unruhig gefärbten, haarartigen Zytoplasmaausläufern. Ihr Zellkern weist meist lockeres, retikulär kondensiertes Chromatin auf. Der Verdacht auf Haarzellenleukämie wird darüber hinaus durch Monozytopenie, Anisozytose und niedrige Retikulozytenwerte gestützt.
Zusätzlich wird eine Knochenmarkspunktion durchgeführt. Die Fibrosierung des Knochenmarkes äußert sich nicht selten in einer sogenannten "Punctio sicca".
Zur Sicherung der Diagnose wird ein molekulargenetischer Nachweis der BRAF-V600E-Mutation empfohlen.
Therapie
Die Therapie der Wahl ist die Gabe von zytostatisch wirkenden Purinanaloga wie Cladribin (2CDA) oder Pentostatin. Cladribin ist ein relativ gut verträgliches Chemotherapeutikum. Purinanaloga müssen in der Regel in nur einem einzigen Zyklus verabreicht werden.
Dabei sieht das klassische Therapieschema eine 7-tägige 24-Stunden-Dauerinfusion vor. Nach den heutigen Leitlinien (Stand 2024) wird meist über 5 Tage eine 2-stündige Infusion verabreicht. Alternativ ist auch die subkutane Anwendung innerhalb von 5 Tagen möglich.
Bei einer Kontraindikation gegen Purinanaloga, einem Rezidiv oder einer Refraktärität sind weitere Therapeutika empfohlen, die jedoch überwiegend für diese Indikation nicht zugelassen sind. Dazu gehören z.B.:[1]
- Cladribin in Kombination mit Rituximab (anti-CD20-Antikörper)
- BRAF-Inhibitoren (v.a. Vemurafenib)
- Trametinib in Kombination mit Dabrafenib (MEK-Inhibitor)
- Ibrutinib
- pegyliertes Interferon-α
- Bendamustin in Kombination mit Rituximab
Die Ansprechrate auf eine Therapie mit Purinanaloga liegt bei der HZL-V bei ca. 50 %. Ein deutlich besseres Ansprechen zeigt sich bei einer Kombinationstherapie. Bei der HZL-V können auch BTK-Inhibitoren und bei Nachweis einer MAP2K1-Mutation MEK-Inhibitoren eingesetzt werden.
Prognose
Die HZL hat im Allgemeinen eine gute Prognose. Die Patienten sprechen in bis zu 90 % der Fälle auf eine Behandlung mit Purinanaloga an und bis zu 80 % sind auch nach 5 Jahren noch in der Remission.
Bildquelle
- "Haarzellen" mit freundlicher Genehmigung der Firma Sysmex
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Onkopedia – Haarzell-Leukämie (HZL), abgerufen am 05.03.2024
- ↑ Teras et al.: "2016 US Lymphoid Malignancy Statisticsby World Health Organization Subtypes" CA: A Cancer Journal for Clinicians, 2016.
- ↑ Maitre, Cornet, Troussard: "2020 update on diagnosis, risk stratification, and treatment" American Journal of Hematology, 2019.
- ↑ Ahmadzadeh A. et al., BRAF Mutation in Hairy Cell Leukemia, Oncology reviews, 8(2), 253, 2014
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