Coryza contagiosa (Geflügel)
Synonyme: Coryza contagiosa gallinarum, ansteckender Hühnerschnupfen
Englisch: infectious coryza of chickens
Definition
Coryza contagiosa ist eine hochkontagiöse und akut verlaufende Infektionskrankheit des oberen Respirationstrakts des Huhns, die sich unter Beteiligung anderer Erreger zu einer chronischen Atemwegserrkankung verkompliziert.
Ätiologie
Avibacterium paragallinarum ist ein gramnegatives, bekapseltes, kokkoides bis pleomorph geformtes und 0,3 bis 0,6 x 1 bis 3 µm großes Stäbchenbakterium, das zur Fadenbildung neigt. Es ist ein mikroaerophiler, mesothermophiler und chemoorganotropher Erreger, der anhand seines Wachstums in zwei Gruppen unterteilt werden kann:
- typische bzw. NAD-abhängige Variante
- atypische bzw. NAD-unabhängige Variante
Die typische Variante benötigt NAD ("Faktor V") zum Wachstum. Eine Anzüchtung gelingt daher nur auf hochwertigem Blutagar unter Zuhilfenahme eines Ammenstammes (z.B. Staphylococcus epidermidis) im mikroaeroben Milieu und bei 37 °C. Die atypische Variante hingegen wächst auf Blutagar ohne zusätzlichen NAD-Zusatz, benötigt jedoch auch ein mikroaerobes Milieu. Mittels Kreuz-HAH-Test sind bislang drei Serogruppen (A, B und C) sowie neun verschiedene Serovare (A-1 bis A-4, B-1 und C-1 bis C-4) unterschieden worden.
Sowohl die atypische als auch die typische Variante von Avibacterium paragallinarum sind primär-pathogen, weshalb sie bei Hühnern ohne zusätzliche endogene oder exogene Stressoren eine klinisch manifeste Erkrankung verursachen. Die Virulenz wird maßgeblich durch die Kapsel und das hämagglutinierende Antigen in der äußeren Zellmembran geprägt. Anhand der Pathogenität kann zwischen schwachvirulenten und hochvirulenten Stämmen unterschieden werden. Über die Virulenzfaktoren ist bislang (2021) noch wenig bekannt. Es sind jedoch hitzestabile Endotoxine und hitzelabile Ektotoxine beschrieben worden, z.B. Neuraminidase und Hyaluronidase.
Epidemiologie
Avibacterium paragallinarum ist weltweit verbreitet, wobei die verschiedene Serovare regional unterschiedlich stark vertreten sind. In Deutschland haben sich vorwiegend die Serovare A und B durchgesetzt. Als Hauptwirt gilt das Huhn. Feldinfektionen zeigten jedoch, dass auch Puten und Perlhühner infiziert werden können.
Aufgrund von Sekundär- und Doppelinfektionen kommt es zu deutlich schwereren Krankheitsverläufen, die mit Beteiligung anderer Organsysteme einhergehen. Die Mortalität ist grundsätzlich gering, während die Morbidität bis zu 90 % betragen kann.
Pathogenese
Infektionsquellen stellen vorwiegend ältere, latent infizierte Hühner dar, die entweder chronisch krank oder nach Genesung Dauerausscheider des Erregers geblieben sind.
Die Erregerausscheidung erfolgt mit entzündlichem Exsudat oder Nasen- und Konjunktivalsekret (über die Lidspalten, die Nasen- oder auch Schnabelöffnung). Übertragungen finden v.a. durch direkten Kontakt von Tier zu Tier sowie indirekt über lebende und unbelebte Vektoren statt. Infektionen sind aber auch aerogen möglich, indem der Erreger an Schwebstoffe haftend von empfänglichen Tieren aufgenommen wird.
Avibacterium paragallinarum weist einen besonderen Tropismus für zilienbesetzte Epithelzellen der Atemwegsschleimhaut auf. Da der Erreger jedoch eine geringe Invasivität zeigt, sind die mit einer Infektion einhergehenden pathologischen Veränderungen meist nur auf den Respirationstrakt begrenzt. Durch Interaktionen mit anderen primär oder sekundär pathogenen Erregern kommt es häufig zu einer Ausbreitung in den unteren Respirationstrakt und Beteiligung der Parabonchien, Lungen und der Luftsäcke. Infolgedessen entwickelt sich eine komplexe und chronisch verlaufende Erkrankung mit deutlich erhöhter Mortalität.
Anhand der Pathogenese lassen sich zwei Verlaufsformen unterscheiden:
- protrahierter Verlauf
- schwer-protrahierter Verlauf
Verlauf | Hintergrund |
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protrahiert: |
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schwer-protrahiert: |
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Klinik
Beim komplikationslosen Verlauf kommt es zu einer raschen Ausbreitung der Erkrankung in der gesamten Herde. Die Krankheitsdauer bei schwachvirulenten Stämmen liegt zwischen 7 und 10 Tage, während sie bei hochvirulenten Erregern 14 bis 21 Tage beträgt. Während der akuten Krankheitsphase leiden betroffene Tiere an verminderter Lebhaftigkeit, die Futter- und Wasseraufnahme ist reduziert und es kommt zu grünlich-dünnflüssigem Kotabsatz. Die Gewichtszunahme ist vermindert und die Legeleistung reduziert.
Aufgrund des Tropismus zum zilientragenden Epithel entwickeln die Tiere Schnupfen mit trüb-flockigem Nasenausfluss. Zusätzlich leiden sie an Augenausfluss, Konjunktivitis und entzündlichen Ödemen im Infraorbitalsinusbereich ("Eulenkopf"). Die Vögel niesen, zeigen Schnabelatmung und Schleuderbewegungen des Kopfes infolge verklebter Nasenöffnungen. Vereinzelt sind auch dyspnoeische Atemgeräusche hörbar.
Beim protrahiert-chronischen Krankheitsverlauf greifen die entzündlichen Prozesse auch auf die Kehllappen und die Augen über. In Kombination mit anderen Pathogenen entsteht ein klinisches Bild, das dem Swollen-Head-Syndrome sehr ähnlich ist.
Histopathologie
Der akute und monokausale Krankheitsverlauf ist durch eine katarrhalische bis fibrinöse Rhinitis, Konjunktivitis, Sinusitis und seltener durch eine Tracheitis geprägt. Als Komplikationen entwickeln sich häufig Bronchopneumonien und eine Aerosacculitis. Zusätzliche Läsionen anderer Organsysteme hängen maßgeblich von den beteiligten Sekundärerregern ab.
Im histologischen Schnittbild fallen ein Verlust der Kinozilien und Mikrovilli, Zellödeme, vakuoläre und hydropische Degenerationen sowie Desquamationen des Zylinder- und Drüsenepithel, der Schleimhäute der oberen Atemwege auf. Durch die entzündlichen Reaktionen kommt es zu einer hochgradigen Hypersekretion mit nachfolgender Depletion der Becherzellen und der alveolären Schleimdrüsen. Es kommt zur Infiltration der Epithelzellsäume, der Lamina propria und der Submukosa mit heterophilen Granulozyten, Lymphozyten und Plasmazellen.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Kombination des klinischen Bildes und der histopathologischen Veränderungen. Die Diagnose wird durch den direkten Nachweis des Erregers aus Tupfer- oder Organproben gesichert. Die Bioptate werden auf Blutagar mit 5 % Schafblutzusatz ausgestrichen und anschließend durch einen NAD-produzierenden Ammenkeim (Staphylococcus epidermidis oder Staphylococcus hyicus) auf der Agarplatte angezüchtet.
Die Identifizierung erfolgt über den Nachweis von Katalase sowie der Kohlenhydratfermentation oder mithilfe des MALDI-TOF-Systems bzw. einer PCR.
Therapie
Die Infektionskrankheit kann mit unterschiedlichen Antibiotika bekämpft werden. Als wirksam haben sich Beta-Laktam-Antibiotika, Tetrazykline, Makrolidantibiotika, Sulfonamide, Gyrasehemmer sowie Sulfonamid-Trimethoprim-Kombinationen erwiesen. Die Behandlung erfolgt in der Regel über das Trinkwasser.
Nach Absetzen der Therapie kommt es jedoch häufig zu Rezidiven, die erst nach der Entwicklung einer spezifischen Immunität endgültig ausheilen.
Prophylaxe
Ziel ist die Eradikation des Erregers im Stall sowie die vorsorgliche Immunisierung gefährdeter Tiere. Eine Unterbrechung der Infektionskette kann nur durch eine totale Depopulation nach dem Prinzip "all in/all out" erfolgen. Anschließend sind die Stallungen sorgfältig zu reinigen und zu desinfizieren.
Länderspezifisch sind unterschiedliche Impfstoffe verfügbar, die bei adäquatem Impfschema einen zuverlässigen Schutz bieten.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
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