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Carbamat-Intoxikation (Hund)

Synonym: Carbamat-Vergiftung

1. Definition

Als Carbamat-Intoxikationen bezeichnet man Vergiftungen (Intoxikationen) beim Hund, die durch einen übermäßigen Kontakt mit Insektiziden aus der Gruppe der Carbamate hervorgerufen werden.

2. Chemie

Carbamate sind Salze und Ester der Carbamidsäuren (R2N–COOH), die als indirekte Parasympathomimetika systemisch gegeben werden. Die unterschiedlichen Wirkstoffe kommen bei verschiedenen Indikationen zum Einsatz, u.a.:

Vergleichbar mit anderen Organophosphaten wirken Carbamate als Cholinesterasehemmer. Sie stören die neuromuskuläre Erregungsübertragung im Parasiten und führen somit zu einem raschen Knock-Down-Effekt. Der indirekte cholinerge Effekt sowie die Wirkungsdauer nehmen mit steigender Lipophilie zu. Sie sind bei Insekten stärker ausgeprägt als bei Warmblütern. Carbamate wirken daher als reversible Hemmer der Acetylcholinesterase.

3. Pathogenese

Intoxikationen entstehen durch ein überschüssiges Insektizidangebot im Körper (z.B. Zerbeißen von Halsbändern, intensiver Kontakt u.ä.).

Das toxische Prinzip von Carbamaten beruht auf einer reversiblen Hemmung der Acetylcholinesterase. Da die Acetylcholinesterase Carbamate hydrolysieren kann, ist diese Blockade nach wenigen Stunden vollständig reversibel. Klinisch manifeste Vergiftungen entstehen daher erst bei einem übermäßigen Kontakt mit den Wirkstoffen, sodass das Insektizid die Carbamylisierungsrate an Acetylcholinesterase übersteigt. Infolgedessen kommt es zu einer Akkumulation von Acetylcholin an den neuromuskulären Verbindungsstellen, den parasympathischen postganglionären Enden der glatten Muskulatur, am Herzmuskel, an den Drüsen sowie an allen autonomen Ganglien und an den cholinergen Synapsen im ZNS.

Auf diese Weise sind alle muskarin- und nikotinartigen cholinergen Rezeptoren übererregt.

4. Toxizität

Die akute Toxizität von Carbamate ist nur mäßig. Die LD50 (Ratte) beträgt:

Windhunde und verwandte Rassen scheinen besonders gefährdet zu sein.

5. Klinik

Die Symptome einer Carbamat-Intoxikation ähneln denen einer Intoxikation mit Organophosphaten. Im Rahmen einer Carbamat-Intoxikation kommt es jedoch zu einer deutlich rascheren Besserung des klinischen Bildes.

Überdosierungen treten als Ausdruck erhöhter Acetylcholin-Konzentrationen infolge einer Hemmung der Acetylcholinesterase in Erscheinung. Es kommt zu einer Übererregung des peripheren cholinergen Systems. Die Symptomatik kann sowohl durch muskarinartige als auch durch nikotinartige oder gar zentralnervöse Effekte bestimmt sein.

Effekt Organsystem Symptome
muskarinartig: exokrine Drüsen Salivation, Lakrimation, Schwitzen
Augen Miosis, injizierte Konjunktivalgefäße
Gastrointestinaltrakt Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Tenesmus, fäkale Inkontinenz
Respirationstrakt Bronchokonstriktion, Bronchospasmus, Husten, Bradypnoe, Dyspnoe
kardiovaskuläres System Bradykardie, Hypotonie
Urogenitaltrakt frequenter Harnabsatz
nikotinartig: Muskulatur Unruhe, Tremor, Ataxie, Muskelsteife, generalisierte Muskelzuckungen, Paralyse
zentralnervös: ZNS Lethargie, Müdigkeit, Tremor, Krämpfe, Koma, Atemlähmung

6. Diagnose

Die Diagnose wird durch eine gründliche Anamnese - zusammen mit einer umfangreichen klinischen Untersuchung - gestellt. In unklaren Fällen kann ein Giftnachweis (aus Mageninhalt mittels Gaschromatographie) oder die Bestimmung der Cholinesterase in EDTA-Blutproben erfolgen.

7. Therapie

Die Therapie richtet sich nach dem ABCDE-Schema.

Bei Gefahr der Erstickung ist eine sofortige endotracheale Intubation vorzunehmen. Parallel dazu sind Krampfzustände mit Diazepam und kurz wirkenden Barbituraten sowie eine metabolische Azidose mit entsprechenden Infusionen zu behandeln. Abhängig von der Dauer der Aufnahme kann eine Entgiftung mittels induziertem Erbrechen (Apomorphin 0,08 mg/kgKG s.c.) und Eingabe von Aktivkohle durchgeführt werden.

Als Antidot steht Atropinsulfat zur Verfügung. Initial sind 0,05 mg/kgKG i.v. zu applizieren. Danach können 0,15 bis 1 mg/kgKG s.c. oder i.m. alle 6 Stunden bzw. nach Bedarf verabreicht werden.

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

8. Quelle

  • CliniPharm CliniTox. Propoxur CliniPharm Wirkstoffdaten (abgerufen am 29.09.2021)

9. Literatur

  • Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
  • Frey HH, Löscher W (Begr.). Löscher W, Richter A (Hrsg.). 2016. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin. 4., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219581-3

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