Blitzeinleitung
Synonyme: Ileus-Einleitung, Crush-Intubation, Nicht-Nüchtern-Einleitung
Englisch: RSI, rapid sequence induction
Definition
Die Blitzeinleitung ("rapid sequence induction") oder Ileus-Einleitung ist eine anästhesiologische Einleitungsmethode zum Schutz vor Regurgitation und Aspiration während der Narkoseeinleitung.
Klinik
Bei der Blitzeinleitung wird der Patient - wenn möglich - zunächst suffizient über mindestens fünf Minuten mit dichtsitzender Gesichtsmaske präoxygeniert. Manche Autoren schlagen auch bei bekanntem Ileus vor weiteren Maßnahmen die Anlage einer Magensonde bei wachen Patienten vor. So soll erreicht werden, dass der intragastrale Druck durch Reflux aus dem Darm in den Magen reduziert wird und vorhandenes Sekret vor Einleitung nach außen abgeleitet werden kann. Danach wird die Magensonde unter Absaugung des Sekretes wieder entfernt - sie könnte sonst als Leitschiene von aufsteigendem Mageninhalt dienen - und bei Oberkörperhochlagerung mit der Präoxygenierung begonnen.
Ist der Patient nun suffizient präoxygeniert, erfolgt die Einleitung der Narkose. Nach suffizienter Relaxation ohne Zwischenbeatmung, mit oder ohne Krikoid-Druck wird der Patient zügig intubiert. Eine Zwischenbeatmung wird wegen einer möglichen Luftinsufflationsgefahr in den Magen weggelassen.
Alternativ wird bei Kindern mittlerweile eine vorsichtige Zwischenbeatmung mit niedrigen Tidalvolumina und Spitzendrücken propagiert. Da die funktionelle Residualkapazität kleiner und der Sauerstoffverbrauch größer als bei Erwachsenen ist, desaturieren Kinder schneller unter Apnoe. Das Risiko einer Hypoxie wird höher eingestuft als das Risiko einer Aspiration.
Anwendung
Die Blitzeinleitung ist bei allen Patienten indiziert, die nicht nüchtern sind bzw. deren Nahrungskarenz unklar ist und für die ein erhöhtes Aspirationsrisiko besteht. Dazu gehören u.a.
- Schwangere
- Notfallpatienten mit Traumen
- Patienten mit
- akutem Abdomen
- Ileus
- Blutungen im oberen Magen-Darm-Trakt
- Hirnnervenläsionen (aufgehobene Schutzreflexe)
- chronischem nahrungsunabhängigen Reflux
- (Nach-)Blutungen im Nasen-Rachen-Bereich
Patienten, die in den letzten 6 Stunden vor Narkoseeinleitung feste Speisen zu sich genommen haben, sind als nicht nüchtern einzustufen. Die Karenz für klare Getränke beträgt 2 Stunden.
Auch Patienten mit Diabetes mellitus oder ausgeprägter Adipositas weisen ein erhöhtes Aspirationsrisiko auf, welches jedoch nicht zwingend eine RSI vorsieht.
Bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz im Rahmen infektiöser Viruserkrankungen (v.a. COVID-19) wird ebenfalls eine Blitzeinleitung empfohlen, um die Aerosolbildung und damit die Ansteckungsgefahr für das medizinische Personal zu minimieren.[1]
Ablauf
- Oberkörperhochlagerung (Anti-Trendelenburg-Lagerung) oder alternativ Oberkörpertieflagerung (Trendelenburg-Lagerung)
- Absaugbereitschaft mit großlumigen Absaugkathetern
- Gegebenenfalls die Anlage einer Magensonde und nach Absaugung ihre Entfernung
- Suffiziente Präoxygenierung
- Zügige Injektion eines Opioids, eines Hypnotikums und eines schnellwirksamen Muskelrelaxans.
Mit Ausprägung der Relaxation (fehlender Cornealreflex und Apnoe) wird der Endotrachealtubus mit Führungsstab in der Luftröhre platziert und der Cuff sofort und sicher geblockt. Auf den Krikoiddruck (Sellick-Handgriff) verzichten wegen nicht nachgewiesener Wirksamkeit viele Anästhesisten.
Bei nicht traumatischer Atemwegsverlegung oder Atemwegsverlegungen durch Erbrochenes oder Nahrungsreste sollte eine Intubation mit einem Videolaryngoskop durchgeführt werden.
Risiken
- Aspiration mit Lungenschädigung (Pneumonie, ARDS)
- Fehlintubation
- Hypoxie
- Erhöhtes Risiko für Zahnschäden
- Hypotension
- Ösophagusruptur
Medikamente
Für die Blitzeinleitung werden Medikamente bevorzugt, die einen schnellen Wirkungseintritt aufweisen. Unter den Opioiden sind Fentanyl und dessen Analoga Remifentanil und Sufentanil Mittel der Wahl.
Bei den Hypnotika wird dem Barbiturat Thiopental wegen eines sehr schnellen Wirkungseintritts (Patienten schlafen noch während der Injektion ein) Vorzug gegeben. Alternativ wird zunehmend Propofol verwendet. Etomidat ist wegen des langsamen Wirkungseintritts ebenso ungeeignet wie Benzodiazepine (paradoxe Reaktion möglich).
Aufgrund der zum Teil durch Propofol induzierten Kreislaufdepression wird in der Notfallmedizin bevorzugt die Kombination aus Esketamin und Midazolam verwendet. Esketamin wirkt sowohl hypnotisch als auch analgetisch. Die Kombination mit Midazolam wird aufgrund der psychotropen Effekte von Esketamin durchgeführt.
Die Relaxation mit Succinylcholin wird auf Grund der unerwünschten Wirkungen zunehmend verlassen, ist für manche Anästhesisten jedoch noch der Goldstandard. Bei Kontraindikation kann auf Rocuronium ausgewichen werden, das sich in Studien unter dem Gesichtspunkt Anschlagszeit und Intubationsbedingungen als ebenbürtig dargestellt hat. Außerdem steht mit Sugammadex ein wirksames Antidot bereit.
Quellen
- ↑ Kluge S et al. Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, Med Klin Intensivmed Notfmed (2020), abgerufen am 24.03.2020
Literatur
- Nicolai et al., Kindernotfall-ABC, 3. Auflage, 2019