Etomidat
Handelsnamen: Etomidat Lipuro®, Hypnomidate®
Synonym: (+)-Ethyl-3-(1-phenylethyl)imidazol-4-carboxylat
Englisch: etomidate
Definition
Etomidat ist ein Hypnotikum, welches in der Anästhesiologie als Injektionsanästhetikum zur Einleitung und Supplementation einer Narkose verwendet wird.
Chemie
Etomidat trägt die Summenformel C14H16N2O2 und besitzt eine Molekülmasse von 244,3 g/mol. Die Substanz liegt als farbloser oder gelblicher, kristalliner Feststoff ohne charakteristischen Geruch vor. Die Schmelztemperatur liegt bei 63 bis 68°C. Die Löslichkeit in Ethanol, Methanol und Chloroform ist gut, in Wasser ist die Verbindung praktisch unlöslich.
Etomidat weist Enantiomerie, eine Form der Stereoisomerie, auf. Es gibt also ein rechtsdrehendes (R)- und linksdrehendes (S)-Enantiomer. Früher verwendete man das Razemat. Aktuelle Zubereitungen verwenden jedoch das rechtsdrehende (R)-Etomidat, da dieses pharmakologisch um den Faktor 10 stärker wirksam ist als (S)-Etomidat. Neben der Etomidat-Base existieren verschiedene Salze (Hydrochlorid, Hydrogensulfat).
Pharmakologie
Pharmakodynamik
- Etomidat wirkt über einen GABAergen Mechanismus hypnotisch. Etwa eine Minute nach Injektion einer wirksamen Dosierung tritt beim Patienten Bewusstlosigkeit ein. Die Dauer der Wirkung einer Einmaldosis beträgt in Abhängigkeit von der Dosis 5 bis 15 Minuten.
- Etomidat bewirkt keine Analgesie oder Anästhesie. Es muss daher für eine Narkose mit anderen Anästhetika bzw. Analgetika kombiniert werden.
- Das Herz und der Kreislauf werden durch Etomidat nicht so stark beeinträchtigt, wie bei anderen Anästhetika. Das Herzzeitvolumen nimmt leicht zu, da der periphere Widerstand geringfügig absinkt. Die Perfusion der Koronararterien nimmt unter Etomidat um etwa ein Fünftel zu.
- Das Atemminutenvolumen sinkt bei Etomidat-Applikation ab. Bei Dauerinfusion kann es zu einer Atemdepression kommen.
- Die Funktion der Nebennierenrinde ist nach Applikation von Etomidat vorübergehend eingeschränkt. Die Plasmaspiegel von Cortisol und Aldosteron sinken ab, die Veränderungen sind dabei reversibel.
- Bei vielen Patienten kommt es nach Injektion von Etomidat zu Myoklonien. Diese können durch vorherige Gabe eines Opioids (z.B. Fentanyl) abgeschwächt oder verhindert werden.
Pharmakokinetik
Die Eliminationshalbwertszeit von Etomidat beträgt 2-5 Stunden. Kombiniert mit einem Opioid wird die Halbwertszeit verlängert. Der Metabolismus von Etomidat erfolgt in der Leber, die Elimination ist überwiegend renal und zu einem kleinen Teil fäkal.
Die therapeutische Breite von Etomidat ist sehr hoch. Wirksame Spiegel im Plasma liegen bei über 300 ng/ml vor. Die Wirkung tritt innerhalb einer Minute ein. Die Wirkung einer Einleitungsdosis (etwa 0,2 mg/kg KG) hält 3-10 Minuten an. Das Abklingen der Wirkung wird v.a. durch eine Umverteilung in weniger durchblutete Kompartimente (Haut, Muskeln, Fettgewebe) verursacht.
Indikation
Etomidat eignet sich vor allem zur Narkoseeinleitung bei Risikopatienten (s. ASA-Klassifikation), da es im Gegensatz zu den anderen gebräuchlichen Injektionsanästhetika ein günstiges kardiales Nebenwirkungsprofil aufweist.
Jedoch kann es auch unter Etomidat bei herzkranken Patienten zu kardialer Beeinträchtigung kommen, auch wenn diese meist geringer ausfällt, als bei anderen Anästhetika.
Zubereitungsformen
Nachteile
Etomidat besitzt Nachteile für das Procedere der Einleitung.
- Die Reflexe bei Intubation werden nicht ausreichend gedämpft, die Intubation ist erschwert.
Die Reflexe bei Intubation können ebenso wie die unwillkürlichen Muskelbewegungen durch die Gabe eines Opioids abgeschwächt werden.
Nebenwirkungen
- Zentralnervensystem: Senkung des intrakraniellen Drucks (um circa 30%), Senkung des zerebralen Blutflusses, Senkung des zerebralen Sauerstoffverbrauchs, Myoklonie, Nausea, Emesis
- Lokal: Injektionsschmerz, Thrombophlebitis
- Respirationstrakt: nach erfolgter Applikation kurzzeitig Hyperventilation und Apnoe möglich
- Endokrines System: bei längerfristiger Anwendung (mehrere Stunden bis Tage) Suppression der Cortisol- und Aldosteronsynthese mit signifikant erhöhter Morbidität möglich - daher ist eine alleinige Narkoseunterhaltung mit Etomidat (auch in Kombination mit Analgetika) nicht indiziert.
Weiterentwicklungen
Weiterentwicklungen, die das Nebenwirkungsprofil von Etomidat verbessern sollen, sind Methoxycarbonyl-Etomidat (MOC-Etomidat) und Carboetomidat. Beide Substanzen sind zur Zeit (2023) in Deutschland noch nicht zugelassen.