Atopische Dermatitis (Hund)
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Englisch: atopic dermatitis
1. Definition
Als atopische Dermatitis bezeichnet man eine genetisch bedingte, entzündliche Hauterkrankung beim Hund, die mit Juckreiz einhergeht.
Die canine atopische Dermatitis zeigt deutliche immunologische, strukturelle und klinische Ähnlichkeiten mit der atopischen Dermatitis (Neurodermitis) des Menschen.
2. Epidemiologie
Die atopische Dermatitis weist eine ausgeprägte Rasseprädisposition für alle Terrierarten (z.B. West Highland White Terrier, Jack Russell Terrier, Border Terrier) und Retrieverarten (Labrador, Golden und Flat-coated Retriever) auf. Ebenfalls häufig betroffen sind Deutscher Schäferhund, Dalmatiner, Shar Pei, Boxer, Mops, Shih Tzu und Lhasa Apso.
Die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf.
3. Ätiologie
Die canine atopische Dermatitis wird von Umweltallergenen (z.B. Pollen von Bäumen, Gräsern und Kräutern) sowie durch Hausstaub- und Vorratsmilben und Schimmelsporen ausgelöst. Alle diese Noxen führen zur Bildung von IgE-Antikörpern. Hohe IgE-Titer sind aber auch bei gesunden Hunden nachweisbar, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass noch andere Faktoren für die Entstehung der Erkrankung entscheidend sind. Damit sich die Symptome jedoch manifestieren, ist eine perkutanen Penetration und/oder Inhalation der Allergene notwendig.
Neben der IgE-vermittelten Form gibt es auch noch die nicht-IgE-vermittelte Dermatitis, die sogenannte atopic-like-Dermatitis.
4. Pathogenese
Drehpunkt der Krankheitsentstehung sind die Antigen-präsentierenden Langerhans-Zellen, die das entsprechende Antigen bzw. Allergen den T-Helferzellen (TH2-Zellen) präsentieren. Durch ein genetisch bedingtes Fehlen bestimmter Zytokine (Botenstoffe) sowie der fehlenden Regulation durch regulatorische T-Zellen kommt es zur vermehrten Produktion von IL-4.
Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es vermutlich auch zu einem Umschwenken des Reaktionsmusters durch sekundäre Infektionen mit Staphylokokken und Malassezien zu einer TH1-Reaktion und IgG-Produktion.
5. Klinik
Die klinischen Bilder einer Futtermittelallergie und einer atopischen Dermatitis sind nicht unterscheidbar.
Primäres Symptom einer allergischen Dermatitis ist Juckreiz. Hinzu kommen ein Erythem oder erythematöse Papeln. Selten ist nur Juckreiz ausgebildet und keine primären Veränderungen erkennbar (Pruritus sine materia). Typisch für die Erkrankung ist ein mehr oder weniger generalisierter Juckreiz, der sich durch verstärktes Lecken der Pfoten oder häufiges Reiben des Gesichts äußert und ganzjährig oder saisonal auftritt. Oftmals leiden betroffene Tiere an wiederkehrenden Otitiden, wobei in 20 % der Fälle Ohrenentzündungen das einzige Symptom sind.
Andere, sichtbare Hauteffloreszenzen kommen ausschließlich sekundär durch Selbsttraumatisierung zustande. Es entwickeln sich Läsionen der Haut, die sich infizieren und chronisch werden (Pyodermien und Malasseziendermatitiden). Durch die Infektionen wird der Juckreiz verstärkt, es entsteht eine Alopezie sowie schuppiges Fell, ein unangenehmer Körpergeruch, Pusteln und/oder Krusten, Hyperpigmentierung und Lichenifikation. Weitere klinische Erscheinungsformen sind Leckgranulome, pyotraumatische Dermatitiden und verstärktes Schwitzen (Hyperhidrosis).
Beim typischen Verteilungsmuster einer allergischen Dermatitis beim Hund sind das Gesicht, die Ohren, die Pfoten, Achseln und Leiste, ventraler Hals und ventraler Schwanzansatzbereich betroffen.
6. Differenzialdiagnosen
Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen Parasitosen (Sarkoptesräude, Cheyletiellen, Demodikose), Pyodermie, Malasseziendermatitis, Flohbissallergien und Futtermittelallergien.
7. Diagnose
Die Diagnosesicherung einer atopischen Dermatitis erfolgt mittels schematischer Aufarbeitung der Symptome unter Zuhilfenahme verschiedener Untersuchungsverfahren. Da weder ein positiver serologischer noch ein intradermaler Allergietest diagnostisch wegweisend sind, kann die Diagnose nur durch das sorgfältige Ausschließen anderer juckender Erkrankungen (Ausschlussdiagnose) gestellt werden.
Um die Erkrankung bestätigen zu können, sollten Patienten mit Pruritis generell mit einem standardisierten Diagnoseschlüssel untersucht werden:
Schritt 1: | Befall mit Ektoparasiten → Suche bzw. diagnostische Therapie |
Schritt 2: | Möglichkeit einer sekundären Infektion → zytologischer Nachweis → angepasste Therapie |
Schritt 3: | Juckreiz bleibt trotz Ausschluss von Ektoparasiten und Sekundärinfektionen bestehen → Ausschluss einer Futtermittelallergie mithilfe Eliminationsdiat |
Schritt 4: | Juckreiz bleibt dennoch gleich bzw. es ist nur eine geringe Besserung sichtbar → Diagnose atopische Dermatitis (bei passender Klinik) |
8. Therapie
Die canine atopische Dermatitis ist eine unheilbare aber mit geeigneten Methoden gut kontrollierbare Erkrankung, weshalb sich beim Management eine Kombination aus mehreren verschiedenen Therapien empfiehlt. Die Erkrankung kann sehr individuell ausgeprägt sein, sodass die spezifische Behandlung an den jeweiligen Patienten angepasst werden muss.
Da die Vermeidung der auslösenden Allergene häufig keine Option darstellt, kann eine allergenspezifische Immunotherapie (ASIT) bei ca. 20 % der Fälle eine langfristige Besserung der Symptome bewirken. Bei diesen Tieren sind keine weiteren Therapieschritte mehr notwendig. Bei weiteren 40 % der mit ASIT therapierten Hunde werden gute Erfolge erzielt - hier werden jedoch gelegentlich andere Medikamente benötigt, um auftretenden Juckreiz zu behandeln. Bei rund 20 % ist nur eine geringfügige Verbesserung nachweisbar und bei weiteren 20 % erzielt die Behandlung keinerlei Effekt auf die Erkrankung.
Alternativ kann auch eine symptomatische Juckreiztherapie versucht werden. Hierzu eignen sich unterschiedliche Wirkstoffe, die verschiedene Schritte in der Juckreizkaskade unterbrechen. Essentielle Fettsäuren wirken antiinflammatorisch und immunmodulierend. Antihistaminika hingegen helfen bei ca. 20 % der atopischen Patienten, um den Juckreiz vollständig unterbrechen zu können. Andere Tiere wiederum benötigen Immunsuppressiva wie z.B. Ciclosporin A oder Glukokortikoide (z.B. Prednisolon oder Triamcinolon). Weiterhin führen auch Wirkstoffe aus der Gruppe der Januskinase-Hemmer (z.B. Oclacitinib) zu guten Erfolgen. Dieser Wirkstoff kann sowohl bei akuten Symptomen als auch als Langzeittherapie eingesetzt werden und ist nebenwirkungsärmer als herkömmliche Glukokortikoide.
9. Literatur
- Linek M. Hautkrankheiten. 2012. In: Suter PF, Kohn B, Schwarz G. (Hrsg.). Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG, 417. ISBN: 978-3-8304-1125-3.
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- CliniPharm CliniTox. Atopische Dermatitis (abgerufen am 17.08.2020)