Atopische Dermatitis (Hund)
Englisch: atopic dermatitis
Definition
Als atopische Dermatitis bezeichnet man eine genetisch bedingte, entzündliche Hauterkrankung beim Hund, die mit Juckreiz einhergeht.
Die canine atopische Dermatitis zeigt deutliche immunologische, strukturelle und klinische Ähnlichkeiten mit der atopischen Dermatitis (Neurodermitis) des Menschen.
Epidemiologie
Die atopische Dermatitis weist eine ausgeprägte Rasseprädisposition für alle Terrierarten (z.B. West Highland White Terrier, Jack Russell Terrier, Border Terrier) und Retrieverarten (Labrador, Golden und Flat-coated Retriever) auf. Ebenfalls häufig betroffen sind Deutscher Schäferhund, Dalmatiner, Shar Pei, Boxer, Mops, Shih Tzu und Lhasa Apso.
Die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf.
Ätiologie
Die canine atopische Dermatitis wird von Umweltallergenen (z.B. Pollen von Bäumen, Gräsern und Kräutern) sowie durch Hausstaub- und Vorratsmilben und Schimmelsporen ausgelöst. Alle diese Noxen führen zur Bildung von IgE-Antikörpern. Hohe IgE-Titer sind aber auch bei gesunden Hunden nachweisbar, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass noch andere Faktoren für die Entstehung der Erkrankung entscheidend sind. Damit sich die Symptome jedoch manifestieren, ist eine perkutanen Penetration und/oder Inhalation der Allergene notwendig.
Neben der IgE-vermittelten Form gibt es auch noch die nicht-IgE-vermittelte Dermatitis, die sogenannte atopic-like-Dermatitis.
Pathogenese
Drehpunkt der Krankheitsentstehung sind die Antigen-präsentierenden Langerhans-Zellen, die das entsprechende Antigen bzw. Allergen den T-Helferzellen (TH2-Zellen) präsentieren. Durch ein genetisch bedingtes Fehlen bestimmter Zytokine (Botenstoffe) sowie der fehlenden Regulation durch regulatorische T-Zellen kommt es zur vermehrten Produktion von IL-4.
Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es vermutlich auch zu einem Umschwenken des Reaktionsmusters durch sekundäre Infektionen mit Staphylokokken und Malassezien zu einer TH1-Reaktion und IgG-Produktion.
Klinik
Die Symptome einer Futtermittelallergie und einer atopischen Dermatitis sind nicht unterscheidbar.
Primäres Symptom einer allergischen Dermatitis ist ein mehr oder weniger generalisierter Juckreiz, der ganzjährig oder saisonal auftritt. Hinzu kommen ein Erythem oder erythematöse Papeln. Selten ist nur Juckreiz ausgebildet und keine primären Veränderungen erkennbar (Pruritus sine materia). Die betroffenen Tiere fallen durch verstärktes Lecken der Pfoten oder häufiges Reiben des Gesichts auf. Oftmals leiden sie an wiederkehrenden Otitiden, wobei in 20 % der Fälle Ohrenentzündungen das einzige Symptom sind.
Andere, sichtbare Hauteffloreszenzen kommen ausschließlich sekundär durch Selbsttraumatisierung zustande. Es entwickeln sich infizierte, chronische Hautläsionen, z.B. Pyodermien und Malasseziendermatitiden. Durch die Infektionen wird der Juckreiz verstärkt, es entsteht eine Alopezie sowie schuppiges Fell, ein unangenehmer Körpergeruch, Pusteln und/oder Krusten, Hyperpigmentierung und Lichenifikation. Weitere Symptome sind Leckgranulome, pyotraumatische Dermatitiden und verstärktes Schwitzen (Hyperhidrosis).
Beim typischen Verteilungsmuster einer allergischen Dermatitis beim Hund sind das Gesicht, die Ohren, die Pfoten, Achseln und Leiste, ventraler Hals und ventraler Schwanzansatzbereich betroffen.
Differenzialdiagnosen
Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen Parasitosen (Sarkoptesräude, Cheyletiellen, Demodikose), Pyodermie, Malasseziendermatitis, Flohbissallergien und Futtermittelallergien.
Diagnose
Die Diagnose wird klinisch gestellt, da es kein spezielles diagnostisches Nachweisverfahren gibt. Andere juckende Hauterkrankungen sollten zuvor mit folgendem Algorithmus ausgeschlossen werden:
Schritt 1: | Befall mit Ektoparasiten → Suche bzw. diagnostische Therapie |
Schritt 2: | Möglichkeit einer sekundären Infektion → zytologischer Nachweis → angepasste Therapie |
Schritt 3: | Juckreiz bleibt trotz Ausschluss von Ektoparasiten und Sekundärinfektionen bestehen → Ausschluss einer Futtermittelallergie mithilfe Eliminationsdiät |
Schritt 4: | Juckreiz bleibt dennoch gleich bzw. es ist nur eine geringe Besserung sichtbar → Diagnose atopische Dermatitis (bei passender Klinik) |
Therapie
Die canine atopische Dermatitis ist nicht heilbar, aber mit geeigneten Methoden gut kontrollierbar. Die Behandlung muss dabei an das individuelle Krankheitsbild des Tieres angepasst werden.
Wenn eine Allergenkarenz nicht möglich ist, kann eine allergenspezifische Immunotherapie (ASIT) versucht werden. In ca. 20 % der Fälle bewirkt sie eine deutliche Besserung der Symptome. Bei diesen Tieren sind keine weiteren Therapieschritte mehr notwendig. Bei weiteren 40 % der mit ASIT therapierten Hunde wird eine Symptomminderung erzielt - hier werden jedoch gelegentlich andere Medikamente benötigt, um auftretenden Juckreiz zu behandeln. Bei rund 40 % der Tiere ist der Effekt der ASIT gering oder bleibt aus.
Alternativ ist eine symptomatische Juckreiztherapie möglich. Hierzu eignen sich unterschiedliche Wirkstoffe, die verschiedene Schritte in der Juckreizkaskade unterbrechen. Essentielle Fettsäuren wirken antiinflammatorisch und immunmodulierend. Antihistaminika unterbrechen den Juckreiz bei ca. 20 % der atopischen Patienten. Andere Tiere wiederum benötigen Immunsuppressiva wie z.B. Ciclosporin A oder Glukokortikoide (z.B. Prednisolon oder Triamcinolon). Weiterhin führen auch Wirkstoffe aus der Gruppe der JAK-Hemmer (z.B. Oclacitinib) zu guten Erfolgen. Dieser Wirkstoff kann sowohl bei akuten Symptomen als auch als Langzeittherapie eingesetzt werden und ist nebenwirkungsärmer als herkömmliche Glukokortikoide. Alternativ kann auch der monoklonale Antikörper Lokivetmab verwendet werden.
Literatur
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- CliniPharm CliniTox. Atopische Dermatitis (abgerufen am 17.08.2020)
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