Vaskulitische Neuropathie
Englisch: vasculitic neuropathy
Definition
Vaskulitische Neuropathien sind eine heterogene Gruppe immunvermittelter entzündlicher Gefäßerkrankungen des peripheren Nervensystems. Sie sind durch eine Entzündung der nervenversorgenden Blutgefäße gekennzeichnet, die zu einer ischämischen Neuropathie führt.
Ätiologie
Vaskulitische Neuropathien treten im Rahmen primärer systemischer Vaskulitiden, sekundärer systemischer Vaskulitiden und nicht-systemischer peripherer Vaskulitiden auf:
Neuropathie bei primärer systemischer Vaskulitis
- Vaskulitis der großen Gefäße
- Riesenzellarteriitis (RZA)
- Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße
- Panarteriitis nodosa (PAN)
- Vaskulitis der kleinen Gefäße
Neuropathie bei sekundärer systemischer Vaskulitis
- Rheumatische Erkrankungen
- Sarkoidose
- Morbus Behçet
- Infektionen
- Paraneoplastisches Syndrom
- Medikamentenassoziiert
Neuropathie bei nicht-systemischer Vaskulitis
Pathophysiologie
Die entzündliche Infiltration der Gefäßwand führt zu Lumeneinengung und Gefäßverschluss. Daraus resultiert eine Ischämie des versorgten Nervengewebes mit axonaler Degeneration und dem klinischen Bild einer Neuropathie. Typisch ist eine asymmetrische, multifokale Nervenschädigung („Mononeuritis multiplex“), die sich im Verlauf auch zu einer asymmetrischen Polyneuropathie entwickeln kann.
Klinik
- Sensibilitätsstörungen: Parästhesien, Dysästhesien, Taubheitsgefühl
- Motorische Defizite: Paresen, meist asymmetrisch
- Schmerzen: oft brennende oder stechende neuropathische Schmerzen
- Häufig akuter oder subakuter Beginn mit rascher Progredienz
Diagnostik
- Neurologische Untersuchung: Nachweis asymmetrischer Ausfälle
- Elektrophysiologie: axonaler Schaden, multifokales Muster
- Labor: Entzündungsparameter, Autoantikörper (ANCA, ANA u.a.)
- Biopsie: Sicherung durch Nachweis einer Vaskulitis (Nerven- und ggf. Muskelbiopsie)
- Bildgebung kann zur Beurteilung systemischer Organbeteiligung beitragen
Differentialdiagnosen
- Diabetische Polyneuropathie
- Hereditäre Neuropathien
- Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
Therapie
Die Therapie ist abhängig von der zugrundeliegenden Krankheit, beinhaltet aber in der Regel eine medikamentöse Immunsuppression. Typischerweise werden hochdosiert Glukokortikoide verabreicht, ggf. in Kombination mit Cyclophosphamid, Azathioprin, Methotrexat oder Rituximab. Neuropathische Schmerzen werden symptomatisch therapiert, z.B. mit Antikonvulsiva oder Antidepressiva. Ergänzend werden Physio- und Ergotherapie eingesetzt, um eine funktionelle Verbesserung zu erreichen.
Prognose
Unbehandelt ist die vaskulitische Polyneuropathie progredient und kann zu schwerer Behinderung führen. Unter frühzeitiger immunsuppressiver Therapie ist häufig eine Stabilisierung oder teilweise Rückbildung der neurologischen Defizite möglich. Die Prognose hängt maßgeblich von der zugrunde liegenden Vaskulitis und dem Zeitpunkt des Therapiebeginns ab.
Literatur
- Gwathmey et al.: Vasculitic neuropathies. Lancet Neurol. 2014
- Witt, Dysgaard: Vasculitic neuropathy. Ugeskr Laeger, 2023
- Knop, K.: Vaskulitische Neuropathien bei rheumatischen Erkrankungen. Akt Rheumatol, 2016