Toxocarose (Hund)
Synonym: Toxocara canis-Infektion des Hundes
Definition
Als Toxocarose des Hundes bezeichnet man eine parasitär bedingte Erkrankung der Hunde, die durch den Spulwurm Toxocara canis verursacht wird.
Erreger
Toxocara canis ist ein Parasit aus der Familie der Spulwürmer (Ascarididae). Die adulten Männchen sind 10 bis 12 cm lang und besitzen einen fingerförmigen Fortsatz am Hinterende, der mit zwei Spicula (750 und 950 μm lang) ausgestattet ist. Die Weibchen sind zwischen 12 bis 18 cm lang und 2,5 bis 3 mm dick. Ihre Vulva befindet sich am Ende des ersten Körperdrittels.
Toxocara-canis-Eier sind im Vergleich zu anderen Wurmarten mittelgroß (80 x 60 μm), rund und enthalten eine runde, ungefurchte und dunkle Eizelle als Inhalt. Ihre Wand ist dickschalig und mit golfballartigen Eindellungen versehen, sodass Toxocara canis eindeutig von Toxascaris leonina unterschieden werden kann.
Verbreitung
Toxocara canis ist weltweit in Hundepopulationen verbreitet. Die Prävalenz patenter Infektionen liegt zwischen 3 und 80 % und ist stark vom Alter der Tiere abhängig. In der Südschweiz konnten bei rund 15 % der Hunde in einem Tierheim Toxocara-canis-Eier im Kot nachgewiesen werden. Untersuchungen in einem Labor in Deutschland wiesen bei 7,2 % von 7.113 Kotproben eine Toxocarose nach.
Latent infizierte Hündinnen haben oft bis zu 100 % infizierte Welpen in ihren Würfen.
Entwicklung
Toxocara canis parasitiert im Dünndarm des Hundes. Die Weibchen produzieren Eier, die in ungefurchtem Zustand ausgeschieden werden. Die mit dem Kot an die Umwelt abgegebenen Eier entwickeln sich in einem Temperaturbereich von +10 °C bis 35 °C. Zwischen 15 und 20 °C entsteht im Ei innerhalb von 2 bis 7 Wochen eine infektionsfähige Larve (L3).
Nachdem ein Endwirt (Hund sowie andere Kaniden) oder ein paratenischer Wirt (Nagetier, Schwein, Schaf, Mensch, u.a.) larvenhaltige Eier aufgenommen hat, schlüpfen die infektionsfähigen Larven aus den Eihüllen und dringen in die Darmwand ein. Der anschließende weitere Entwicklungszyklus im Endwirt bzw. paratenischer Wirt ist stark vom Alter, dem Immunstatus und vom Infektionsdruck abhängig.
Trachealer Wanderweg
Nachdem die Larven in die Darmwand eingedrungen sind, erfolgt eine mit Differenzierungs- und Häutungsvorgängen verbundene Wanderung auf dem Blutweg zur Leber (1 bis 2 Tage p.i.) und zur Lunge. Von dort aus gelangen die Parasiten über die Trachea und den Pharynx in den Dünndarm (10 Tage p.i.). Im Dünndarm wachsen die Nematoden nach einer letzten Häutung zur Geschlechtsreife heran.
Die Präpatenz liegt zwischen 32 und 39 Tagen. Eine tracheale Wanderung findet v.a. bei jungen Hunden statt.
Somatischer Wanderweg
Nachdem die Larven über den Blutweg in die Lunge gelangt sind, verlassen sie nach kurzer Wanderung das Organ auf verschiedenen Wege: entweder per continuitatem über die Pleurahöhle oder (in deutlich größerem Umfang) nach Eindringen in Kapillaren über den Blutstrom. Anschließend erfolgt über den großen Kreislauf eine hämatogene Streuung der Larven in verschiedene Organe.
Die Larven verlassen im Endstromgebiet die Kapillaren und werden nach kurzer Wanderung in Granulome oder Kapseln eingeschlossen. Die bevorzugte Lokalisation dieser somatischen oder hypobiotischen Larven ist die quergestreifte Muskulatur, in der sie über mehrere Jahre hinweg lebensfähig bleiben.
Der Übergang vom trachealen zum somatischen Typ erfolgt unter natürlichen Infektionsbedingungen allmählich mit der Entwicklung der Immunkompetenz der Hunde (etwa in der 3. bis 10 Lebenswoche). Der Grund für einen Übergang zur somatischen Wanderung bei älteren Hunden ist nicht eine bestehende Immunität, sondern vielmehr die nach einer stärkeren Infektion rasch einsetzende Immunabwehr.
Pränatale (diaplazentäre oder intrauterine) Infektion
Larven, die im Muttertier ruhen, werden um den 42. Trächtigkeitstag infolge von hormonalen Umstellungen aktiviert. Anschließend dringen sie in die Blutbahn ein und gelangen so über die Plazenta in die Feten. Das selbe erfolgt auch mit Larven, die aus Neuinfektionen während der Trächtigkeit stammen.
So können auch Neuinfektionen, die nur 7 Tage vor dem Geburtstermin stattfinden, zur pränatalen Larvenübertragung führen. Beim Fetus bildet die Leber das Hauptreservoir für ante partum eingewanderte Larven. Zu dieser Zeit werden nur vereinzelt Larven in Muskulatur, Nieren und Gehirn gefunden. Eine Weiterwanderung zur Lunge und anschließend zum Darm erfolgt unmittelbar nach der Geburt. Pränatal infizierte Welpen scheiden ab dem 21. Tag post partum die ersten Eier im Kot aus.
Da die Larven eine besonders lange Lebensdauer in der Muskulatur der Hündin aufweisen, können mehrere Würfe pränatal infiziert werden. Aufgrund dessen stellt die pränatale Infektion der Welpen die wichtigste und effizienteste Übertragung von Toxocara canis dar.
Transmammäre Infektion
Im Zuge der somatischen Wanderung können Larven von Toxocaris canis auch hämatogen oder durch Gewebepassage in die Milchdrüsen gelangen. Auf diese Weise können die Larven über die Muttermilch auf die Welpen übertragen werden (laktogene Infektion). Das Ausmaß der transmammären Infektion ist jedoch stark vom Infektionszeitpunkt abhängig.
Bei einer Erstinfektion der Hündin, die vor der Trächtigkeit bis zum letzten Viertel der Gravidität erfolgt, überwiegen hauptsächlich pränatale Infektionen. Bei späterer Infektion wird ein höherer Anteil der Larven mit der Muttermilch übertragen. Wichtig ist jedoch, dass laktogene Infektionen der Welpen nach der Erstinfektion der Hündin auftreten, was in der Praxis relativ selten vorkommt. Hatte die Hündin hingegen bereits vor der Gravidität Antigenkontakt, so erfolgt eine somatische Wanderung der Larven mit anschließender pränataler Infektion.
Eine Larvenausscheidung über die Milch beginnt wenige Tage post partum. Der Peak der Ausscheidung beginnt in der 2. und 3. Woche und kann über die gesamte Laktation hinweg anhalten. Nach einer transmammären Infektion kommt es in den Welpen wahrscheinlich zu einer trachealen Wanderung. Die Präpatenz liegt zwischen 27 und 35 Tagen.
Epidemiologie
Der pränatale Übertragungsweg der Larven von der Hündin auf die Welpen ist epidemiologisch betrachtet der wichtigste Infektionsweg. Aus diesem Grund sind junge Hunde nicht nur am häufigsten Träger von patenten Toxocara-canis-Infektionen, sondern sie scheiden häufig auch große Zahlen von Eiern mit dem Kot aus (bis über 50.000 EpG). Mit zunehmendem Alter der Tiere sinkt aufgrund der Altersresistenz und der Immunitätsbildung der Anteil der Hunde mit patenten Toxocara-canis-Infektionen.
Eine Kontamination der Umwelt mit Toxocara-Eiern stellt sowohl für Hunde als auch für den Menschen sowie andere paratenische Wirte ein großes Infektionsrisiko dar. Eine der häufigsten Kontaminationsstellen sind Kinderspielplätze. Studien zufolge konnten in verschiedenen Österreichischen Städten bei etwa 15 % des untersuchten Spielsandes Toxocara-Eier nachgewiesen werden. Die mittlere Überlebensdauer von Toxocara-Eiern in feuchtem Milieu beträgt einige Monate bis zu 4 Jahren. Die Eier sind äußerst resistent gegenüber Umwelteinflüsse, sodass sie Kälteperioden sowie höhere Temperaturen (über 30 bis 35 °C) problemlos überstehen.
Hierbei ist v.a. zu beachten, dass Rotfüchse - die in Mitteleuropa häufig mit Toxocara canis befallen sind (Prävalenz in Deutschland bis etwa 70 %) - zur massiven Kontamination der Umwelt mit Toxocara-Eiern beitragen können (auch in Städten).
Klinik
Massive pränatale Infektionen führen bei Welpen zu zahlreichen Störungen. Die durch Wanderlarven verursachten Schäden in der Leber und Lunge können zur Aktivitätssteigerung leberspezifischer Enzyme bzw. zur Pneumonie mit Husten, Nasenausfluss, usw. führen.
Infolge eines starken Befalls des Darmes werden ab der 2. Lebenswoche folgende Symptome beobachtet: Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, häufiges Erbrechen, aufgeblähtes und druckempfindliches Abdomen ("Askaridenbauch"), Koliken, Obstipation im Wechsel mit Diarrhö, ungeformter und schleimiger (z.T. blutdurchsetzter) Kot, Eosinophilie, Anämie, intermittierendes Fieber, wechselnd Anorexie, Abmagerung, Entwicklungsverzögerung bis hin zum Wachstumsstillstand, glanzloses und struppiges Haarkleid, nervöse Störungen sowie rachitische Erscheinungen (aufgrund verminderter Parathormonausschüttung infolge einer Schädigung der Glandula parathyreoidea). Todesfälle durch massiven Darmbefall treten meist in der 2. und 3. Lebenswoche auf. In manchen Fällen wandern Würmer auch in die Gallenwege ein oder durchbohren die Darmwand.
Pathologische Veränderungen bei massivem Toxocara-Befall bei Welpen sind u.a.: Gastroenteritis und disseminierte Granulome in verschiedenen Organen (Leber, Lunge, Nieren, Herzmuskel. Hinzu kommen Augenveränderungen, wie z.B. granulomatöse Retinitis und Chorioretinitis.
Ein mittel- bis geringgradiger intestinaler Befall verursacht bei Welpen sowie älteren Hunden meist keine oder nur leichte Symptome, wie Erbrechen und wechselnde Diarrhö mit schleimigem Kot. Solche Infektionen können sich jedoch bei Jungtieren negativ auf die Entwicklung auswirken. Eine Infektion bei älteren Hunden mit somatischen Larven verläuft meist klinisch inapparent.
Diagnose
Der Nachweis von Toxocara-Eiern verfolgt mittels Flotationsverfahren. Die Eier sind kugelförmig und dickschalig, wobei die Oberfläche mit netzförmigen Eindellungen (golfballähnlich) versehen ist. Oftmals werden auch unreife und reife Spulwürmer spontan im Kot ausgeschieden oder nach Einwanderung in den Magen erbrochen.
Toxocara canis kann auch molekular mithilfe der PCR nachgewiesen werden.
Therapie
Die Toxocarose beim Hund kann mit verschiedenen gut verträglichen Anthelmintika behandelt werden. Hierbei bieten sich Benzimidazole, Emodepsid, makrozyklische Laktone und Pyrantel an.
Es ist besonders wichtig, dass Welpen mit einem strategischen Entwurmungsschema behandelt werden. Dazu sollten Hundewelpen im Alter von zwei Wochen (Beginn der dritten Lebenswoche) das erste Mal entwurmt werden, wobei die Behandlung bis zum Absetzen alle zwei Wochen wiederholt werden sollte.
Prophylaxe
Muttertiere sollten bei der ersten Entwurmung der Welpen mitbehandelt werden. Außerdem ist eine gründliche mechanische Reinigung sowie Desinfektion mit parasitenwirksamen Desinfektionsmitteln - insbesondere in Tierheimen und Tierzuchten - regelmäßig anzuwenden, um die widerstandsfähigen Eier zu entfernen.
Bedeutung für den Menschen
Nach der Aufnahme infektionsfähiger Eier kann sich insbesondere bei kleinen Kindern und immunsupprimierten Menschen eine Larva migrans visceralis entwickeln. Die Larven wandern dabei in verschiedene Körperregionen ein, sodass unter Umständen auch das ZNS sowie die Augen betroffen sein können.
Kleinkinder infizieren sich hauptsächlich durch Geophagie, weshalb hier auch auf die Notwendigkeit, Hundkot aufzusammeln, hingewiesen werden sollte. Hunde und Katzen, die in engen Kontakt mit Kleinkindern leben, sollten daher unbedingt regelmäßig entwurmt werden.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005
- Hinney, Barbara, Joachim, Anja, Silbermayer, Katja. Vademecum der klinischen Parasitologie. Ekto- und Endoparasiten bei Hund und Katze.
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