Nichtseminom
Synonym: nicht-seminomatöser Tumor
Englisch: nonseminoma
Definition
Nichtseminome ist eine Sammelbezeichnung für maligne Hodentumoren, die im Gegensatz zum Seminom nicht aus Spermatogonien hervorgehen.
Einteilung
Die Nichtseminome können je nach Gewebeart weiter unterteilt werden in:
Nichtseminomatöse Keimzelltumoren
Nichtseminomatöse Keimzelltumoren (NSGCTs) haben ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild. Man differenziert 4 Haupttypen, die jedoch häufig nicht distinkt, sondern als Mischtumoren auftreten:
- Embryonales Karzinom: Zwischen 20 und 25% der Hodentumoren sind embryonale Karzinome. Sie sind besonders bösartig und gehen aus pluripotenten Stammzellen hervor.
- Teratom: Teratome machen etwa 20 bis 25% der Hodentumoren aus. Sie bestehen aus Abkömmlingen aller drei Keimblätter. Die Dignität der Teratome ist in der Regel altersabhängig. Im Kindesalter sind sie benigne, postpubertär maligne. Beim adulten Typ besteht die Gefahr einer frühzeitigen Metastasierung.
- Dottersacktumor: Der Dottersacktumor ist der häufigste Hodentumor bei Kindern unter 3 Jahren. Bei Erwachsenen liegt der Anteil bei rund 5% aller Hodentumoren.
- Chorionkarzinom: Chorionkarzinome sind selten und machen rund 1% der Hodentumore aus. Sie sind hochmaligne und führen zu einer frühen hämatogenen Metastasierung.
Stromatumoren
Stromatumoren stellen weniger 5% der Hodentumoren. Sie gehen nicht von den Keimzellen aus und sind hormonbildend. Als Begleiterscheinung kann es zu Gynäkomastie und Libidoverlust kommen. Sie werden weiter unterteilt in:
- Leydigzelltumor: Scharf umschriebener, gelb-brauner Tumor, der sich sonographisch gut abgrenzt. Er kann Testosteron und Östrogene bilden.
- Sertolizelltumor: Häufig bilateral. Er kann ebenfalls Testosteron und Östrogene bilden. Eine genetische Disposition im Sinne einer familiären Häufung wird beobachtet.
- Granulosazelltumor: Seltener Hodentumor, der von den Sertoli-Zellen ausgeht und Östrogene bildet.
Morphogenese
Der Großteil der Nichtseminome geht vom Keimepithel des Hodens aus. Sie bilden atypische Keimzellen, die sich morphologisch und immunhistologisch von gesunden Spermatogonien unterscheiden. Die Ausbreitung der Nichtseminome findet wie die der Seminome zunächst innerhalb der Tubuli seminiferi statt. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem invasiven Wachstum. Der genaue Stimulus ist bis jetzt unbekannt (Stand 2021). Während der Transformation des Tumors wird die Tubulusmembran durchdrungen, sodass es durch das expansive Wachstum zu einem Anschluss an die Blut- und Lymphgefäße kommt. Dadurch kann es zur Metastasenbildung kommen.
Stromatumoren gehen nicht vom Keimepithel aus. Sie entstehen aus den Leydig-Zellen oder Sertoli-Zellen des Hodens.
Pathologie
- Embryonales Karzinom: Das Stroma zeigt graue bis weiße regressive Veränderungen mit Einblutungen, Nekrosen und Zysten
- Teratom: Das reife Teratom präsentiert voll differenziertes Gewebe. Die häufigsten Gewebetypen sind Muskel, Knorpel, Knochen und Zähne. Zusätzlich findet man schwach differenziertes Nervengewebe bei der unreifen Form der Teratome.
- Chorionkarzinom: Histologisch sind mehrkernige Riesenzellen zu sehen.
- Dottersacktumor: Das Stroma präsentiert eine gelbliche Schnittfläche mit knötchenartigen Strukturen.
- Stromatumor
- Leydigzell-Tumor: kleine gelb-braune Tumoren mit scharf umschriebenen Hodengewebe. Histologisch sind Nekrosen und eine Lymphgefäßinvasion zu sehen.
- Sertolizell-Tumor: grau-gelblicher Tumor mit Überwiegen der epithelialen Sertollizellen.
Metastasierung
Die Metastasierung breitet sich zunächst über den Lymphweg aus. Prädisponierte Lymphknoten liegen retroperitoneal in Höhe der Nierengefäße. Grund dafür ist der embryonal erfolgte Descensus testis. Eine weitere Metastasierung kann auch die Lymphknoten betreffen, die entlang des Ductus deferens liegen. Eine hämatogene Ausbreitung ist relativ selten und betrifft am ehesten die Lunge.
Stadien
Die Stadien des Nichtseminoms entsprechen den klassischen Stadien bei Hodentumoren.
- Stadium I: keine Lymphknotenmetastasen
- Stadium II: Unterteilt in:
- IIa: betroffene Lymphknoten < 2 cm
- IIb: betroffene Lymphknoten 2 bis 5 cm
- IIc: betroffene Lymphknoten > 5 cm
- Stadium III: hämatogene Metastasen oder extraperitoneale Lymphknotenmetastasierung
Risikofaktoren
Die Risikofaktoren für die Entstehung eines Nichtseminoms entsprechen den allgemeinen Risiken, die zu einem Hodentumor führen. Diese sind:
- Kryptorchismus
- Kontralateraler Hodentumor oder nicht-invasive Keimzellneoplasie (GCNIS)
- Verwandte ersten Grades mit Hodentumor
- Infertilität, Hypospadie
Symptome
Die Symptomatik gleicht der des Seminoms, wobei erste Symptome deutlich früher auftreten. Leitsymptom ist eine meist schmerzlose, unilaterale Schwellung des Hodens. Bei 30 % der Erkrankten können jedoch auch Schmerzen auftreten. Manche Nichtseminome produzieren Beta-HCG, wodurch es zur Ausbildung einer Gynäkomastie kommen kann. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann es durch die Metastasenbildung und die damit zusammenhängende Verdrängung des Umgebungsgewebes zu weiteren Symptomen kommen, z.B. zu einer Stauungsniere.
Diagnostik
- Körperliche Untersuchung: Anamnese, Inspektion, bimanuelle Abtastung, Diaphanoskopie
- Labordiagnostik:
- Alpha-1-Fetoprotein (AFP): erhöht bei embryonalem Karzinom, Dottersacktumor
- Beta-HCG: erhöht bei embryonalem Karzinom, Chorionkarzinom
- Apparative Diagnostik:
- Sonographie des Skrotums: es präsentiert sich ein echoarmes bis inhomogenes, teilweise zystisches Stroma
- MRT des Abdomens und CT-Thorax: zur Metastasensuche und Beurteilung der Lymphknoten
Differentialdiagnosen
- Hydrozele testis
- Epididymitis
- Skrotalhernie
- Spermatozele
- Tumoren des Nebenhodens
Therapie
Unabhängig vom Tumorstadium erfolgt initial die Orchiektomie mit Absetzung des Ductus deferens auf Höhe des inneren Leistenringes.
Die weitere Therapie richtet sich nach dem klinischen Stadium. Im Stadium I kann eine Überwachungsstrategie (Watchful Waiting) ausreichend sein. Bei einer Gefäßinfiltration ist jedoch eine Polychemotherapie notwendig. Die Therapie ab Stadium II erfolgt routinemäßig durch eine Polychemotherapie. Rezidive eines Nichtseminoms werden mittels Bestrahlung, Polychemotherapie und gegebenenfalls Tumorresektion therapiert.
um diese Funktion zu nutzen.