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Medikamentöse Tuberkulosetherapie

1. Definition

Unter medikamentöser Tuberkulosetherapie versteht man die kurative Behandlung einer nachgewiesenen Tuberkulose mit Antituberkulotika.

2. Besonderheiten

Grundsätzlich sind bei den Erregern der Tuberkulose folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:

Diesen Besonderheiten wird mit der Auswahl der verwendeten Mittel und dem Therapieschema Rechnung getragen.

3. Arzneistoffe

3.1. Standardtherapeutika

Bei der Standardtherapie werden folgende Dosierungen empfohlen:[1]

Wirkstoff Dosis
(mg/kgKG)
Dosisbereich
(mg/kgKG)
Minimale / Maximale
Dosis (mg)
Dosis (mg)
bei 70 kgKG
Isoniazid 5 4 bis 6 200 / 300 300
Rifampicin 10 8 bis12 450 / 600 600
Pyrazinamid 25 20 bis 30 1.500 / 2.500 1.750
Ethambutol 15 15 bis 20 800 / 1.600 1.200

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

3.2. Reservetherapeutika

Reservemittel sollten nur bei Resistenzen oder absoluten Kontraindikationen gegen Mittel der Standardtherapie zum Einsatz kommen. Mögliche Reservemittel sind:[1]

3.3. Alternative Therapieschemata

Zu ersetzendes Arzneimittel Alternatives Therapieschema
Rifampicin Bedaquilin + Levofloxacin + Linezolid + Isoniazid für 18 Monate (ggf. kürzer)
Isoniazid Rifampicin + Levofloxacin + Pyrazinamid + Ethambutol für 6 Monate alternativ: Rifampicin + Levofloxacin + Ethambutol für 9 Monate
Pyrazinamid Rifampicin + Isoniazid + Ethambutol für 3 Monate, dann 6 Monate Rifampicin + Isoniazid

3.4. Wirkstoffe in klinischer Testung

Zurzeit (2024) in Entwicklung befindliche Wirkstoffe sind u.a.:[2]

  • Ganfeborol ist ein Inhibitor der Leucyl-tRNA-Synthetase. In einer Phase-IIa-Studie wurde eine sichere und effektive Behandlung der Lungentuberkulose gezeigt.
  • Oxadiazol-Derivate werden entwickelt, um durch eine Hemmung des EXS-1-Systems von Mycobacterium tuberculosis[3] die Virulenz des Erregers zu schwächen und die Wirksamkeit der Antibiotika zu steigern.
  • Benzothiazinon-Antiobiotika (BTZ-043) sind in Entwicklung befindliche Hemmstoffe der Zellwandsynthese der Tuberkulosebakterien. Bisher (2024) wurde in Phase-I/II-Studien ihre Sicherheit und Wirksamkeit geprüft.
  • Im internationalen UNITE4TB-Programm werden in Phase-IIb/c-Studien 14 Wirkstoffkombinationen von neun etablierten und zwei neuen Wirkstoffkandidaten (darunter BTZ-043) geprüft, um verbesserte Therapieschemata zu entwickeln.

4. Resistenzen

Die Entwicklung von Resistenzen oder die Erkrankung durch Infektion mit resistenten Keimen ist eine gefürchtete Komplikation der Tuberkulose und erschwert die Therapie immens. In Wildstämmen liegen bereits sporadisch Resistenzen gegen Antituberkulotika vor. Diese sind bei einer Mehrfachtherapie jedoch kein Problem. Eine Einfachtherapie hingegen fördert die Ausbildung neuer Resistenzen und sollte unterlassen werden.

Unter den resistenten Erregern unterscheidet man:

  • Einfachresistenz: In Deutschland sind etwa 10 bis 15 % der Tuberkulose-Erreger resistent gegenüber einem Antituberkulotikum.
  • Mehrfachresistenz: Etwa 2 % der Stämme in Deutschland sind multiresistent (MDR-Tb), das heißt, sie sind auf jeden Fall resistent gegenüber Isoniazid und Rifampicin.

5. Praktisches Vorgehen

Es besteht Konsens über folgendes Vorgehen:[1]

  • Initiale Behandlung mit einer Vierfachkombination aus Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB) für 8 Wochen.
  • Danach folgt eine Therapie für weitere vier Monate mit einer Zweifachkombination aus Rifampicin und Isoniazid.
  • Eine Dreifachtherapie (INH, RMP, PZA) soll in der Initialphase nicht eingesetzt werden.
  • Die Standardtherapie erfolgt nur mit den Medikamenten INH, RMP, PZA und EMB. Bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegen eine Substanz der Standardtherapie ist wie bei einer Monoresistenz gegenüber der unverträglichen Substanz zu verfahren.
  • Die Standardtherapie wird beim Eintreffen der Ergebnisse der Resistenztestung überprüft.
  • Nach einer Therapieunterbrechung, die länger als 2 Monate gedauert hat, wird die Standardtherapie neu begonnen. Nach Unterbrechung aufgrund mangelnder Adhärenz soll eine direkt überwachte Therapie durchgeführt werden.
  • Die Behandlung während der Schwangerschaft erfolgt durch eine Standardtherapie in Kombination mit Pyridoxin (Vitamin B6). Die Wirksamkeit einer oralen Kontrazeption ist unter der Therapie nicht sicher, da Rifampicin ein potenter CYP3A4-Induktor ist.

Sollte sich bei bereits begonnener Therapie im eingehenden Befund des Antibiogramms eine Resistenz zeigen, kann kurzfristig umgestellt werden.

Bei multiresistenter Tuberkulose werden drei Wirkstoffgruppen unterschieden:

  • Gruppe A: Bedaquilin, Moxifloxacin, Levofloxacin, Linezolid
  • Gruppe B: Clofazimin, Cycloserin/Terizidon
  • Gruppe C: Ethambutol, Delamanid, Pyrazinamid, Imipenem-Cilastin, Meropenem, Amikacin, Streptomycin, Ethionamid, Protionamid, p-Aminosalicylsäure

Es wird eine Vierfachkombination aus Wirkstoffen der Gruppe A und B abhängig vom Resistogramm des Erregers empfohlen. Wirkstoffe der Gruppe C kommen zum Einsatz, wenn die Wirkstoffe aus A und B aufgrund der Resistenzbestimmung nicht ausreichend sind. Dann sollten bevorzugt Carbapeneme eingesetzt werden.

Insgesamt wird unter Berücksichtigung von Resistenzen 6 bis 9 Monate behandelt, bei Immundefizienz u.ä. länger. Eine sechsmonatige Behandlung genügt in der Regel bei einer unkomplizierten Primärtuberkulose mit Affektion der Hiluslymphknoten, eine neunmonatige Therapie ist bei komplizierteren kavernösen Lungentuberkulosen indiziert.

Durch die lange Therapie werden auch temporär ruhende Keime erfasst, die zeitweise stoffwechselaktiv werden. Tritt unter der Therapie ein Verdacht auf Resistenzbildung ein, sollten alle Antituberkulotika für 3 Tage abgesetzt und neues Untersuchungsmaterial für ein Antibiogramm gewonnen werden.

Bestehen Mehrfachresistenzen oder Kontraindikationen, die ein Ausweichen auf Reservemittel notwendig machen, ist der Behandlungszeitraum länger anzusetzen.

6. Ergänzende Therapieformen

Sind das Zentralnervensystem, die Knochen oder die Gelenke betroffen oder handelt es sich um eine Miliartuberkulose, sollte die Therapiedauer auf bis zu zwölf Monate verlängert und gegebenenfalls durch eine systemische Glukokortikoid-Therapie erweitert werden.

Der initiale Einsatz von Glukokortikoiden kann bei einer tuberkulösen Meningitis und Nebennierenrindeninsuffizienz angebracht sein.

Bei frustraner medikamentöser Therapie können chirurgische Maßnahmen (z.B. Lungenteilresektion) erwogen werden.

7. Nebenwirkungen

Die Antituberkulotika weisen zahlreiche Nebenwirkungen auf, die potentiell gefährliche Folgen haben können. Daher sollten unter der Therapie, je nach verwendetem Präparat, regelmäßig Kontrollen stattfinden, beispielsweise:

8. Weblink

9. Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 S2k-Leitlinie Tuberkulose im Erwachsenenalter. AWMF Registernummer 020 - 019, abgerufen am 25.03.2024
  2. Martensen J, Kandulla J. Fortschritte in der Therapie der Tuberkulose. Ein Update. Arzneimitteltherapie 2023
  3. Wong KW. The Role of ESX-1 in Mycobacterium tuberculosis Pathogenesis. Microbiol Spectr. 2017
Stichworte: A15, A16, A17, GK2, Medikament, Tbc, Tuberkulose
Fachgebiete: Pharmakologie, Pneumologie

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