IgG4-assoziierte hypertrophe Pachymeningitis
Englisch: IgG4-related hypertrophic pachymeningitis
Definition
Die IgG4-assoziierte hypertrophe Pachymeningitis ist eine seltene Manifestationsform der IgG4-assoziierten Erkrankung. Sie ist durch eine entzündlich-fibrotische Verdickung der Dura mater gekennzeichnet, die zu fokalen oder diffusen meningealen Veränderungen führt.
Ätiologie
Die Erkrankung entsteht durch eine fehlgesteuerte Immunreaktion, an der CD4⁺-T-Zellen und IgG4-produzierende B-Zellen beteiligt sind. Zytokine wie IL-4, IL-10, IL-13 und TGF-β fördern die Bildung von IgG4-Antikörpern und aktivieren Fibroblasten zur Kollagensynthese. Daraus entwickelt sich eine chronisch-entzündliche Verdickung der Dura mater mit lymphoplasmazellulären Infiltraten und zunehmender Fibrosierung.
Die zugrundeliegenden Mechanismen sind bislang (2025) unklar. Vermutet wird eine chronische Antigenstimulation oder eine lokale Autoimmunreaktion, bei der Immunzellen direkt im Bereich der Meningen aktiv werden.
Klinik
Die Erkrankung kann isoliert auftreten oder Teil einer systemischen IgG4-Erkrankung sein. Sie betrifft meist Personen mittleren Alters und verläuft subakut über Wochen bis Monate.
Kopfschmerzen sind das häufigste Erstsymptom und können persistierend oder therapieresistent sein. Im Verlauf entwickeln viele Patienten Hirnnervenläsionen, vor allem des Nervus opticus, Nervus abducens oder Nervus trigeminus, was zu Sehstörungen, Doppelbildern oder Sensibilitätsstörungen im Gesicht führt. Spinale Läsionen verursachen häufig Myelopathie mit Gangstörung und Blasenfunktionsstörung.
Bei ausgedehnter meningealer Beteiligung können zusätzlich Paresen, sensible Defizite oder epileptische Anfälle auftreten. Die Läsionen liegen bevorzugt an der Schädelbasis, insbesondere im Bereich des Sinus cavernosus, des Clivus und der Orbitaspitze, seltener an den Konvexitäten oder im Spinalkanal.
Etwa die Hälfte der Patienten zeigt zusätzlich Organmanifestationen im Rahmen einer systemischen IgG4-Erkrankung. Am häufigsten betroffen sind die Nasennebenhöhlen, Lymphknoten und die Lunge, seltener Speicheldrüsen, Nieren oder das Pankreas.
Diagnostik
Die Diagnostik entspricht die der IgG4-assoziierten Erkrankung. Bei Verdacht auf eine IgG4-assoziierte Pachymeningitis steht zunächst die Magnetresonanztomographie des Schädels im Vordergrund. Typisch ist eine verdickte, kontrastaufnehmende Dura, die in aktiven Stadien T2-hyperintens und in fibrotischen Arealen T2-hypointens erscheint. Eine FDG-PET-CT kann zusätzlich entzündlich aktive Herde und systemische Manifestationen aufdecken.[1]
Ergänzend sollte eine Liquordiagnostik erfolgen, um zwischen infektiösen, neoplastischen und anderen entzündlichen Ursachen einer Pachymeningitis zu differenzieren. In etwa die Hälfte der Fälle zeigt sich eine lymphozytäre Pleozytose und eine Erhöhung des Gesamtproteins, meist ohne spezifische Befundkonstellation.[1] Ein erhöhter IgG4-Index kann die Diagnose unterstützen, insbesondere wenn keine Biopsie vorliegt oder diese unklar bleibt.[2]
Die endgültige Sicherung erfolgt histologisch, idealerweise durch eine durale Biopsie aus dem betroffenen Areal. Sie dient vor allem der Abgrenzung gegenüber infektiösen, granulomatösen oder neoplastischen Prozessen.
Differentialdiagnosen
Differentialdiagnostisch muss u.a. an folgende Erkrankungen gedacht werden:
Therapie
Die Behandlung erfolgt mit Glukokortikoiden, bei schweren neurologischen Verläufen kann initial eine Methylprednisolon-Pulstherapie erfolgen, anschließend eine längere orale Reduktionsphase. Eine niedrig dosierte Erhaltungstherapie über mehrere Jahre ist aus der Therapie der autoimmunen Pankreatitis bekannt, ihre Übertragbarkeit auf die Pachymeningitis ist jedoch bisher (2025) unklar.[3]
Da Rückfälle häufig sind, kann ein frühzeitiger Einsatz von Immunsuppressiva wie Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil erwogen werden. Bei rezidivierenden oder steroidrefraktären Verläufen ist Rituximab die wirksamste Therapieoption. Unter B-Zell-Depletion lassen sich deutlich geringere Rezidivraten erreichen als unter klassischer Immunsuppression.[1] Eine chirurgische Intervention ist nur bei ausgeprägter Raumforderung oder relevanter Nervenkompression erforderlich.
Inebilizumab (Anti-CD19-Antikörper) wird aktuell (2025) als neue therapeutische Option bei der IgG4-assoziierten Erkrankung geprüft.
Prognose
Das Ansprechen auf Glukokortikoide ist in den meisten Fällen gut, die klinische Besserung tritt oft rasch ein. Vollständige Remissionen werden bei etwa einem Drittel erreicht, Rückfälle treten jedoch bei rund 40 % auf, meist innerhalb des ersten Jahres.[4] Eine längerfristige Erhaltungstherapie reduziert das Rezidivrisiko deutlich.
Die Mortalität ist niedrig (<1 %), neurologische Residuen können bei ausgeprägter Fibrose persistieren.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Terrim S et al. Clinical Presentation, Investigation Findings, and Outcomes of IgG4-Related Pachymeningitis: A Systematic Review. JAMA Neurology. 2025
- ↑ Della-Torre et al. Diagnostic value of IgG4 indices in IgG4-related hypertrophic pachymeningitis. Journal of Neuroimmunology, 2014.
- ↑ Lu LX et al., IgG4-Related Hypertrophic Pachymeningitis: Clinical Features, Diagnostic Criteria, and Treatment, JAMA Neurology, 2014
- ↑ Levraut M et al. Immunoglobulin G4-related hypertrophic pachymeningitis: A case-oriented review. Neurology Neuroimmunology & Neuroinflammation, 2019.