Status epilepticus
Synonym: epileptischer Status
Definition
Als Status epilepticus, kurz SE, bezeichnet man einen prolongierten epileptischen Anfall oder eine Serie kürzerer epileptischer Anfälle, zwischen denen der Patient das Bewusstsein nicht vollständig wiedererlangt. Ein konvulsiver Status epilepticus ist akut lebensbedrohlich und muss unverzüglich nach dem etablierten Stufenschema behandelt werden.
Epidemiologie
Klassifikation
Generell kann jeder epileptische Anfall in einen Status epilepticus degenerieren. Dabei werden verschiedene Arten unterschieden:
- generalisierter konvulsiver Status epilepticus (früher: Grand-mal-Status): Generalisierter (bilateraler) tonisch-klonischer Anfall mit Bewusstseinsstörung, der länger als 5 Minuten andauert
- fokaler konvulsiver Status epilepticus: fokaler epileptischer Anfall mit oder ohne Bewusstseinsstörung ab einer Dauer von 10 Minuten
- Absence ab einer Dauer von 10 Minuten
- nonkonvulsiver Status epilepticus (NCSE): äußert sich klinisch durch eine Verlangsamung ohne motorische Symptome, Beginn oft schwer zu definieren, kann fokal oder generalisiert sein
Ätiologie
Die Ursachen für die verschiedenen Statusformen sind vielfältig und unterscheiden sich je nach Anfallsart. Dabei kann jedoch ein fokaler Anfall zu einer sekundären Generalisierung führen und somit auch einen generalisierten tonisch-klonischen Anfall verursachen. Ein Status epilepticus kann grundsätzlich eine epileptische Erstmanifestation oder eine Komplikation einer bekannten Epilepsie sein.
Die Ursachen werden grundsätzlich in verschiedene Kategorien eingeteilt:
Kategorie | Beispiele |
---|---|
strukturell | |
metabolisch | |
infektiös | |
immunvermittelt | |
unbekannt |
Diagnostik
Konvulsiver Status epilepticus
Der konvulsive Status epilepticus wird klinisch diagnostiziert und ist durch anhaltende (> 5 Minuten) tonisch-klonische Krämpfe und Bewusstlosigkeit des Betroffenen charakterisiert. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, da Komplikationen wie eine Laktatazidose, eine respiratorische Erschöpfung oder eine Rhabdomyolyse auftreten können. Eine schnelle Diagnostik und Therapie sind daher entscheidend.
Neben der Akuttherapie muss zudem eine Ursachenabklärung erfolgen. Dazu gehört unter anderem:
- Blutgasanalyse
- Blutzuckermessung
- Blutbild
- Elektrolyte
- Leberwerte
- Nierenretentionsparameter
- Kreatinkinase
- Schilddrüsenwerte
- Toxikologische Untersuchung
- Entzündungsparameter, insbesondere bei Fieber
- Bildgebung (in der Akutsituation cCT, im Verlauf MRT)
Je nach zugrundeliegender Symptomatik kommt weitere Zusatzdiagnostik hinzu (z.B. Liquorpunktion, Blutkulturen). Zudem muss bei einem therapierefraktären Status eine detailliertere Ursachensuche eingeleitet werden.
Nonkonvulsiver Status epilepticus
Die Diagnostik eines NCSE kann herausfordernd sein, da die Symptomatik oft sehr unspezifisch ist. Der NCSE, beinhaltet gemäß der Definition der International League Against Epilepsy (ILAE) von 2015 keine "prominenten motorischen Phänomene", jedoch können subtile klinische Symptome wie z.B. periorbitale oder periorale Zuckungen auftreten.
Der nonkonvulsive Status zeigt sich klinisch als
- qualitative oder quantitative Bewusstseinsstörung,
- Verhaltensabnormität
- vegetative Reaktion oder
- als rein subjektive Wahrnehmung (z.B. Aura)
Typisch ist das Auftreten von Delta-Wellen und epileptischen Potentialen (Sharp-waves, Spikes) im EEG-Befund.
Die Diagnose des NCSE setzt sich gemäß der Salzburg-Kriterien aus klinischen und EEG-Kriterien zusammen. Sie sind die bislang (2023) einzigen, (retrospektiv) evaluierten Kriterien des nonkonvulsiven Status epilepticus mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität, wobei die Erfüllung eines Kriteriums ausreichend ist:
- Frequenz der periodischen Entladungen > 2,5/s
- typische räumlich-zeitliche Ausbreitung der periodischen Aktivität
- zeitliche Assoziation der periodischen Aktivität mit subtilen klinischen Phänomenen (z.B. periorbitale oder periorale Zuckungen, eine konjugierte Blickdeviation oder ein Hippus pupillae)
- klinisches und elektroenzephalographisches Ansprechen auf intravenös applizierte Antiepileptika. Nicht-epileptische Enzephalopathien zeigen zwar auch ein Sistieren periodischer Entladungen im EEG, der klinische Zustand des Patienten ändert sich aber nicht.
Therapie
Konvulsiver Status epilepticus
Neben den allgemeinen Notfallmaßnahmen nach dem ABCDE-Schema sowie dem Schutz des Kopfes vor Verletzungen gibt es ein Stufenschema zur Therapie des konvulsiven SE:
Stufe | Maßnahmen | Zeitpunkt | Anmerkung |
---|---|---|---|
Stufe 1 | Benzodiazepine i.v.
|
5 Minuten nach Anfallsbeginn, Wiederholung nach 5-10 min möglich | Eine Kombination mehrerer Benzodiazepine wird nicht empfohlen. Teils ist eine intramuskuläre, bukkale, rektale oder intranasale Gabe sinnvoll. |
Stufe 2 | Antikonvulsiva z.B. mit | Bei Persistenz nach Stufe 1, spätestens nach 30 Minuten | Hierbei können mehrere verschiedene Wirkstoffe nacheinander angewendet werden. Kann auch zur Sicherung des Therapieerfolgs nach durchbrochenem Status erfolgen. |
Stufe 3: refraktärer Status epilepticus | Intubationsnarkose
|
Spätestens nach 60 Minuten | Weiterführung der Therapie auf der Intensivstation, mit EEG-Monitoring |
Stufe 4:
superrefraktärer Status epilepticus |
Nach sorgfältige Nutzen-/Risikenabwägung; | Bei erfolgloser Stufe 3 | Die Evidenzlage ist sehr unklar, daher muss immer individuell abgewogen werden, welche Therapie zum Einsatz kommt |
Kann ein Status epilepticus auch mit der Stufe 3 nicht durchbrochen werden, spricht man von einem superrefraktären Status epilepticus.
Nonkonvulsiver Status epilepticus
Die Behandlung des nonkonvulsiven Status erfolgt mittels intravenösen Benzodiazepinen und (Erst-)Einstellung mit oralen Antikonvulsiva (z.B. Valproat, Levetiracetam, Phenytoin).
Literatur
- Leitinger und Trinka Nonkonvulsiver Status epilepticus Springer-Verlag, 2018
- Epilepsienetz – Therapie des non-konvulsiven Status epilepticus, abgerufen am 13.10.2023
- AWMF online, S2k-Leitlinie – Status epilepticus im Erwachsenenalter, gültig bis 29. Juni 2025