Hyperadrenokortizismus (Hund)
Synonyme: HAK, Morbus Cushing, Cushing-Syndrom, Hyperkortisolismus
Englisch: hyperadrenocorticism, Cushing's syndrome
Definition
Hyperadrenokortizismus, auch Morbus Cushing genannt, ist neben Diabetes mellitus die häufigste Endokrinopathie beim Hund.
Vorkommen
Als Hyperadrenokortizismus fasst man die Gesamtheit aller klinischen und biochemischen Veränderungen im Organismus zusammen, die unter der Einwirkung chronisch erhöhter Serum-Glukokortikoid-Spiegel entstehen.
Betroffene Hunde sind meist älter als 6 Jahre (durchschnittlich 9 bis 11 Jahre), wobei weibliche Tiere etwas häufiger betroffen sind als männliche.[1] Die Erkrankung tritt grundsätzlich bei allen Rassen auf, kann aber gehäuft bei Pudel, Dackel, Deutschem Schäferhund, Boxer sowie bei Retriever- und Terrier-Rassen beobachtet werden.
Einteilung
Je nach Pathogenese unterscheidet man zwischen folgenden drei Formen:
- ACTH-abhängiger Hyperadrenokortizismus
- ACTH-unabhängiger Hyperadrenokortizismus
- iatrogener Hyperadrenokortizismus
ACTH-abhängiger Hyperadrenokortizismus
Die ACTH-abhängige Form des Hyperadrenokortizismus wird anhand der Ursache in zwei Arten unterteilt:
Ätiologie | Pathogenese |
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ACTH-produzierender Hypophysentumor: |
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Ektopische ACTH-Sekretion: |
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ACTH-unabhängiger Hyperadrenokortizismus
Bei der ACTH-unabhängigen Form des Hyperadrenokortizismus unterscheidet man ebenfalls anhand der Ursache zwei Arten:
Ätiologie | Pathogenese |
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Glukokortikoid-produzierende Tumoren der Nebennierenrinde: |
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Makronoduläre adrenokortikale Hyperplasie: |
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Iatrogener Hyperadrenokortizismus
Durch exogen zugeführte Glukokortikoide kann es zum klinischen Bild eines Hyperadrenokortizismus kommen. Dabei wird die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse supprimiert. Das Ausmaß der Veränderungen hängt stark von der Art des applizierten Glukokortikoids, der verwendeten Dosis und der Applikationsdauer ab.
Pathophysiologie
Glukokortikoide entfalten in nahezu allen Körpergeweben ihre Wirkung und führen u.a. zur
- Steigerung der hepatogenen Glukoneogenese und Glykogenolyse,
- Hemmung der peripheren Glukoseverwertung,
- Steigerung von Lipolyse und Proteinabbau,
- Beeinflussung von Wasser- und Elektrolythaushalt sowie des Blutbildes.
Sie spielen eine bedeutende Rolle bei der Beeinflussung der Blutdruckregulation, der Entzündungshemmung sowie der Gegenregulation in Stresssituationen.
Ein dauerhaft und unphysiologisch erhöhter Glukokortikoidspiegel führt zu Haut- und Muskelatrophie, Fettdepotumverteilung, Kollagen- und Bindegewebsverlust und Leukozytose.
Das klinische Bild eines Hyperadrenokortizismus entsteht hauptsächlich infolge der metabolischen Wirkungen der Glukokortikoide. Die begleitenden Allgemeinsymptome sind dabei meist unabhängig vom Ursprungsort der Erkrankung. Zu zentralnervösen Symptomen kommt es meist infolge eines nach dorsal expandierenden Hypophysentumors, wobei organspezifische Symptome oft aufgrund metastasierender Nebennierenrindentumoren entstehen.
Klinik
Die klinischen Symptome entwickeln sich langsam. Meist verläuft die Krankheit über Wochen bis Monate progredient, wobei die Anzeichen und der Schweregrad der Erkrankung von kaum erkennbar bis sehr schwer ausgeprägt sein können. Manche Tiere weisen eine Vielzahl von Veränderungen auf, andere nur eine einzige Abweichung.
Zu den typischen, mit einem Hyperadrenokortizismus einhergehenden Symptomen zählen in absteigender Reihenfolge:
Häufigkeit | Symptome |
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häufig: |
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gelegentlich: |
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selten: |
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Diagnose
Die Anamnese und die eindeutige Klinik geben die ersten Hinweise auf eine mögliche endokrine Erkrankung. Die Verdachtsdiagnose wird mithilfe verschiedener Testverfahren schrittweise aufgearbeitet und gesichert. Prinzipiell stehen vier Mess- bzw. Testverfahren zur Verfügung, die bei der Diagnosestellung helfen können:
- ACTH-Bestimmung (Basalwert)
- Urin-Kortikosteroid-Kreatinin-Verhältnis[2]
- Low-Dose-Dexamethason-Test: Diagnoseverfahren der Wahl (Goldstandard)[3]
- ACTH-Stimulationstest: in unklaren Fällen zur Differenzierung zwischen iatrogenem und endogenem Hyperadrenokortizismus
Therapie
Es stehen mehrere Therapieoptionen zur Verfügung. Die medikamentöse Behandlung stellt die Therapie der Wahl dar. Selten sind aufwendige chirurgische Interventionen notwendig.
Durch die Applikation von Trilostan, einem Wirkstoff aus der Klasse der Steroide, wird die Steroidsynthese durch die kompetitive Hemmung der 3-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase gehemmt.[4] Bei 80 bis 90 % der behandelten Hunde kommt es zu einer deutlichen Verbesserung bis hin zur Normalisierung der klinischen Symptome. In der Literatur sind verschiedene Therapieschemata beschrieben, die sowohl die einmalige Applikation als auch die zweimalige Gabe beinhalten. Eine mögliche Therapievariante ist:
- Initialdosis: 0,21 bis 1,1 mg/kgKG BID[5]
- Kontrolluntersuchungen zur Dosisüberprüfung mittels ACTH-Stimulationstest
- schrittweise Dosisanpassung bis zur klinischen Besserung
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Hans G. Niemand (Begründer), Peter F. Suter, Barbara Kohn, Günter Schwarz (Herausgeber). Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2012.
Quellen
- ↑ Gaia Carotenuto et al. Cushing’s syndrome—an epidemiological study based on a canine population of 21,281 dogs Open Vet J. 2019 Apr; 9(1): 27–32. Published online 2019 Feb 15. (abgerufen am 06.01.2020)
- ↑ van Vonderen IK et al. Influence of veterinary care on the urinary corticoid:creatinine ratio in dogs. J Vet Intern Med. 1998 Nov-Dec;12(6):431-5. (abgerufen am 06.01.2020)
- ↑ Michael Bennaim et al. Evaluation of individual low‐dose dexamethasone suppression test patterns in naturally occurring hyperadrenocorticism in dogs J Vet Intern Med. 2018 May-Jun; 32(3): 967–977. Published online 2018 Mar 2. (abgerufen 06.01.2020)
- ↑ Julie Lemetayer et al. Update on the use of trilostane in dogs Can Vet J. 2018 Apr; 59(4): 397–407. (abgerufen am 06.01.2020)
- ↑ CliniPharm CliniTox. Trilostan CliniPharm Wirstoffdaten (abgerufen am 06.01.2020)