Stress-Kardiomyopathie
Synonyme: Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, Takotsubo-Syndrom, Gebrochenes-Herz-Syndrom, transiente linksventrikuläre apikale Ballonierung
Englisch: broken heart syndrome, transient left ventricular apical ballooning syndrome, apical ballooning syndrome, Takotsubo cardiomyopathy, stress cardiomyopathy
Definition
Bei der Stress-Kardiomyopathie handelt es sich um eine akut einsetzende, i.d.R. reversible Dysfunktion des Herzmuskels, die vor allem den linken Ventrikel betrifft. Sie tritt meist bei postmenopausalen Frauen durch intensiven emotionalen oder physischen Stress auf.
- ICD-10: I42.8
Nomenklatur
Das Synonym Tako-Tsubo-Kardiomyopathie leitet sich von einer japanische Tintenfischfalle in Form eines Kruges mit kurzem Hals (Tako-Tsubo) ab, da die Form der linken Herzkammer am Ende der Systole daran erinnert. Diese Aufdehnung wird auch als apikale Ballonierung ("apical ballooning") bezeichnet.
Epidemiologie
In über 90 % der Fälle sind ältere postmenopausale Frauen von der Stress-Kardiomyopathie betroffen. Es wird davon ausgegangen, dass ein Großteil der Betroffenen falsch diagnostiziert wird. Insgesamt sind die Fallzahlen vor allem in den Industrienationen zunehmend.
Ätiologie
Die eigentliche Ursache der Stress-Kardiomyopathie ist derzeit (2023) unklar. Aufgrund einer akuten oder dauerhaften Stressbelastung oder eines katecholaminproduzierenden Tumors (Phäochromozytom) kommt es zu einer übermäßigen Katecholaminfreisetzung, die zur Schädigung und Störung der Herzmuskelzellen beiträgt. Weiterhin werden hormonelle (Sympathikusaktivierung durch Östrogendefizit), virale (Zytomegalievirus) und genetische Faktoren diskutiert.
Symptome
Patienten mit einer Stress-Kardiomyopathie zeigen ähnliche Symptome wie beim akuten Koronarsyndrom (ACS) mit kardialer Dekompensation. Die Beschwerden treten oft nach schweren psychischen Verlusterlebnissen (Konflikte, Naturkatastrophen, Krieg) oder physischem Stress auf.
Komplikationen
Insgesamt kann die Prognose von Stress-Kardiomyopathien als gut angesehen werden. In rund 10 % der Fälle kommt es jedoch zu Komplikationen wie:
Diagnostik
Wegweisend für die Diagnostik ist die Anamnese. Durch eine tiefgehende und gezielte Befragung muss ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Beschwerden und einem emotional belastenden Ereignis eruiert werden.
Daneben gilt es, alle relevanten Differentialdiagnosen klinisch auszuschliessen. So sollte neben dem Routinelabor mit Herzenzymen, Retentionsparametern und Schilddrüsenwerten auch eine Sonographie des Abdomens und des Herzens erfolgen. Des weiteren gehört zur Diagnostik ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen. Den Auschluss einer KHK kann man durch eine Koronarangiographie erbringen. Je nach Symptomatik wird auch ein Kardio-MRT durchgeführt.
Elektrokardiogramm
Bei der Stress-Kardiomoypathie zeigen sich in 44 % d.F. ST-Hebungen im Elektrokardiogramm (EKG), insbesondere über den seitlichen und präkordialen Ableitungen ohne Zuordnung zu einem koronaren Versorgungsgebiet. ST-Senkungen sind seltener.
Nach 12 bis 24 Stunden kommt es häufig zu T-Inversionen und QT-Verlängerungen. Selten kommt es zu supraventrikulären Tachykardien wie Vorhofflimmern oder Sinustachykardie.
Labor
Typischerweise liegen bei der Stress-Kardiomyopathie deutlich erhöhte NT-proBNP-Serumwerte vor. Die Troponin-Erhöhung ist eher niedrig und spiegelt das Ausmaß des betroffenen Herzmuskelgewebes oft nicht wider.
Bildgebung
Echokardiographie
In der Echokardiographie zeigen sich apikal Wandbewegungsstörungen und Hypo- bis Akinesie, die zu einer Ballonierung der linken oder seltener rechten Herzspitze führen. Die basalen Segmente sind hyperkinetisch. Die Ejektionsfraktion ist reduziert. Weiterhin kann eine dynamische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) und eine mitrale Regurgitation auffallen.
Varianten der Stress-Kardiomyopathie zeigen eine Akinesie der basalen und mitt-ventrikulären Segmente und eine Hyperkinesie des Apex. Auch isolierte Wandbewegungsstörungen der inferioren und inferolateralen Segmente sind möglich.
Kardio-MRT
In der Kardio-MRT können in CINE-Sequenzen vier Muster von Wandbewegungsmuster auffallen:
- apikal
- biventrikulär
- mitt-ventrikulär
- basal
Im betroffenen Myokard fällt in T2w-Sequenzen ein Myokardödem auf. Ein Late Gadolinium Enhancement (LGE) tritt in der Regel nicht auf. Die Perfusion ist in der Regel normal.
Lävokardiographie
Die Lävokardiographie kann eine vorübergehende Funktionsstörung und Ballonierung der mittleren und apikalen Segmente des linken Ventrikels zeigen.
Diagnosekriterien
Es existieren verschiedene postulierte Diagnosekriterien, wobei meist folgende Punkte gefordert werden:[1]
- transiente Wandbewegungsstörung des linken oder rechten Ventrikels, die meist über das Versorgungsgebiet einer Koronararterie hinausgehen
- emotionaler oder physischer Trigger (nicht obligat)
- EKG-Veränderungen (meist vorhanden)
- Erhöhung von BNP in der Akutphase
- nur moderate Troponin- und Creatinkinase-Erhöhung
- Ausschluss von anderen möglichen Ursachen der linksventrikulären Dysfunktion
Die Heart Failure Association fordert weiterhin folgende Punkte:[2]
- Fehlen einer koronaren Herzkrankheit, die das Muster der linksventrikulären Dysfunktion erklären könnte
- Reversibilität der ventrikulären systolischen Funktion in der Bildgebung nach 3 bis 6 Monaten
Die InterTAK Diagnostic Criteria betonen folgende Punkte:[3]
- signifikante KHK führt nicht zum Ausschluss einer Stress-Kardiomyopathie
- typischerweise postmenopausale Frauen
- neurologische Erkrankungen (Subarachnoidalblutung, Schlaganfall, Krampfanfälle) und Phäochromozytom können als Trigger fungieren
- nur selten fehlen EKG-Veränderungen
Differentialdiagnosen
Therapie
Derzeit (2023) existiert noch keine einheitliche Therapieempfehlung. Betroffene Patienten sollten vorerst in einer Intensivstation aufgenommen und gemonitort werden. Es kann eine vorsichtige Volumenzufuhr erfolgen. Weiterhin können Alpha-Blocker und bei hämodynamisch stabilen Patienten Beta-Blocker (z.B. Bisoprolol oder Nebivolol) zum Einsatz kommen, um die Herzbelastung zu reduzieren. Des Weiteren sollte eine symptomatische Therapie wie bei einer Herzinsuffizienz durchgeführt werden.
Prognose
Die Prognose bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie ist im Vergleich zu anderen Kardiomyopathien günstig. Eine spontane Erholung innerhalb einiger Wochen bis Monate ist häufig möglich. Bei kardiovaskulären Komplikationen beträgt die Mortalität 4 - 5 %.
Quellen
- ↑ Keramida K et al. Takotsubo syndrome in Heart Failure and World Congress on Acute Heart Failure 2019: highlights from the experts, ESC Heart Fail. 2020;7(2):400–406, abgerufen am 26.04.2020
- ↑ Lyon AR et al. Current state of knowledge on Takotsubo syndrome: a Position Statement from the Taskforce on Takotsubo Syndrome of the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur J Heart Fail. 2016
- ↑ Ghadri JR et al. International Expert Consensus Document on Takotsubo Syndrome (Part II): Diagnostic Workup, Outcome, and Management. Eur Heart J. 2018