Ascariose (Schwein)
Synonym: Ascaris suum-Infektion des Schweines
Definition
Als Ascariose des Schweines bezeichnet man eine der häufigsten und bedeutendsten Nematodeninfektionen beim Schwein.
Erreger
Die Ascariose des Schweines wird durch Ascaris suum (Spulwurm des Schweines) verursacht.
Ascaris suum gehört zu den Nematoden, ist gelblich-weiß bis blassrötlich und hat drei kräftige Lippen am Vorderende. Die Männchen sind 15 bis 25 cm lang, 3 bis 4 mm dick und haben ein leicht eingerolltes Hinterende sowie zwei stäbchenförmige, etwa 2 mm lange Spicula. Die Weibchen sind 20 bis 30 cm lang, 5 bis 6 mm dick und haben ein stumpf zugespitztes Hinterende. Die Genitalöffnung liegt etwa am Ende des ersten Körperviertels.
Ascaris-suum-Eier sind elliptisch bis rundoval und 56 - 87 x 46 - 57 µm groß. Sie zeigen die typische Form eines Ascarididae-Eis: Sie erscheinen bräunlich, haben eine dicke und grobhöckerige Schale und beinhalten eine Zygote.
Ascaris lumbricoides (Spulwurm des Menschen) ist morphologisch nicht von Ascaris suum zu unterscheiden. Durch rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen konnten jedoch feinste Unterschiede in der Struktur der kleinen Zähnchen an den Lippen beschrieben werden. Molekularbiologische Untersuchungen bestätigen die Unterschiede zwischen den beiden Arten. Ascaris lumbricoides ist auch für Schweine infektiös, wohingegen Ascaris suum auch den Menschen befallen kann.
Intestinale Infektionen mit Ascaris suum können gelegentlich auch beim Schaf, Rind sowie anderen Tierarten auftreten.
Vorkommen
Ascaris suum ist weltweit verbreitet. Der Parasit kommt in sehr unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität vor - abhängig von Haltungs- und Hygienebedingungen, Alter der Tiere und Art der durchgeführten Bekämpfungsmaßnahmen. Die Befallsraten von patent infizierten Tiere pro Betsand werden mit 2 bis 40 % beschrieben.
Ein Indikator für die Häufigkeit des Ascaris-Befalls in Schweinebeständen ist die durch die Wanderlarven geschädigte und bei der Schlachtung wegen der charakteristischen Veränderungen ("milk spots") beanstandete Leber. Diese wird im Zuge der Fleischuntersuchung durch den amtlichen Tierarzt entfernt und verworfen.
Entwicklung
Die Adulten leben im Dünndarmlumen. Geschlechtsreife Weibchen legen täglich etwa 0,2 bis 2 Mio. Eier, die den restlichen Darmtrakt unbeschadet passieren und mit dem Kot an die Umwelt abgegeben werden. Die anschließende Embryonalentwicklung verläuft im Freien ab und endet - je nach Temperatur - mit der infektiösen Drittlarve (L3). Die einzelnen Entwicklungsprozesse benötigen Feuchtigkeit und Sauerstoff, sodass bei Abwesenheit dieser Faktoren die Reifung nicht vollzogen werden kann.
Eine Infektion mit den Eiern (enthalten die Drittlarve) erfolgt über die orale Aufnahme durch neue Wirte. Kurze Zeit (wenige Stunden) nach der Infektion schlüpfen aus den Eiern im Magen und Dünndarm bereits die ersten Larven. Diese bohren sich im hinteren Dünndarm, vorwiegend jedoch im Caecum und Colon in die Mesenterialvenen ein. Nach einer kurzen Wanderphase (ca. 6 Stunden) treffen sie in der Leber ein und verbleiben dort für etwa 4 bis 6 Tage. Während dieser Zeit wachsen die Larven herum und wandern im Parenchym umher.
Zwischen dem 4. und 7. Tag p.i. werden zunehmend mehr Larven in der Lunge gefunden. Ab dem 7. Tag p.i. beginnen sie in die Trachea zu wandern, während sie ab dem 8. Tag p.i. in hoher Zahl im Dünndarm erscheinen. Dort unterziehen sie sich einer weiteren Häutung, wobei zwischen dem 17. und 21. Tag p.i. ein Großteil der Larven bereits aus dem Darm eliminiert wird. Die letzte Häutung findet im Zeitraum zwischen dem 25. und 29 Tag p.i. im Dünndarm statt. Die Präpatenz beträgt - abhängig vom Alter der infizierten Tiere - 6 bis 8 Wochen.
Epidemiologie
Die Epidemiologie des Ascaris suum-Befalles in Schweinebetrieben wird im Wesentlichen durch folgende Faktoren bestimmt:
- Dynamik und Intensität der Eiausscheidung durch Parasitenträger
- Persistenz und Entwicklung der Eier in der Umwelt
- Übertragungsmöglichkeiten
- Immunstatus der Herde
Da ein Großteil der bestimmenden Faktoren durch die Art der Haltung und des Managements beeinflusst werden - ist es nicht möglich - allgemein gültige epidemiologische Grundsätze aufzuzeigen. In mitteleuropäischen Stallhaltungen geht man von folgenden Verhältnissen aus: Schweine infizieren sich - je nach Managementform - erstmalig im Saugferkelalter (kleinbäuerliche Betriebe) oder erst nach dem Absetzen (intensiv geführte Betriebe). Nach einer Präpatenz von ca. 8 Wochen beginnt die Eiausscheidung und erreicht bei Mastläufern ihren Höhepunkt. Bei älteren Tieren (Sauen, Eber) sinkt sie wieder ab, während Infektionen, die erst in der Aufzuchtphase auftreten, höhere Prävalenzraten bei Zuchttieren bedingen. Da sich im Verlauf einer Infektion eine Immunität in einer Herde ausbildet, kann diese als wichtiger Regulationsfaktor bei der Eiausscheidung verschiedener Altersgruppen angesehen werden.
Von besonderer epidemiologischer Bedeutung ist einerseits die hohe Widerstandsfähigkeit der Eier in der Außenwelt (bedingt durch ihre dreischichtige Eischale), andererseits die geringe Eianzahl die notwendig ist, um eine Tier zu infizieren. Bereits die Aufnahme von 50 infektiösen Eiern pro Tier führt regelmäßig zur Ansiedlung adulter Askariden im Darm und in weiterer Folge zur Eiausscheidung. Gleichzeitig stellen Ausläufe wegen des mehrjährigen Überlebens der Eier im Boden sowie der Möglichkeit der Aufnahme von Regenwürmer (die als Stapelwirte fungieren) eine ständige Infektionsquelle dar.
Pathogenese
Bei einer Ascaris-Infektion muss bei der Pathogenese zwischen der Wander- und der Darmphase unterschieden werden. Während der Passage der Larven durch die Darmschleimhaut können punktförmige Blutungen entstehen. Dabei sind oftmals leukozytäre Infiltrationen und ödematöse Schwellungen in der Submukosa erkennbar. Veränderungen in diesem Ausmaß bleiben im Allgemeinen unbedeutend. Durch den Erstkontakt zwischen Parasit und Wirtsgewebe dürften jedoch die ersten Stimulationen des Immunsystems erfolgen, die für die weitere Ausbildung der Immunität ausschlaggebend sind.
Wenige Stunden nach der Infektion sind schon die ersten Larven in der Leber angesiedelt. Dort entstehen Blutungs- und Nekroseherde, die zunehmend mit eosinophilen Granulozyten sowie anderen Entzündungszellen infiltriert werden. Die Infiltration kann sich dabei auf das benachbarte interlobuläre Bindegewebe ausbreiten, das gleichzeitig auch proliferiert. Die Parenchymdefekte werden im Laufe der Zeit bindegewebig organisiert. Im Gewebe abgefangene und noch lebende Larven werden von eosinophilen Granulozyten und anderen Zellen umschlossen. Abgestorbene Larven hingegen sind von lymphoiden Zellen und einer Bindegewebskapsel umgeben. Die daraus entstehenden Knötchen beinhalten die zerfallenen Larven und organisieren sich im späteren Verlauf bindegewebig um. Einige Tage nach der Infektion können diese Vernarbungen als stecknadelgroße, grau-weiße Veränderungen und später als 10 bis 20 mm große Flecken (Milchflecken, "milk spots") erkannt werden. Nach 3 bis 6 Wochen bilden sich die Herde wieder zurück.
Bohren sich Larven aus dem Kapillargebiet in die Lunge, kommt es dort ebenso zu punktförmigen Blutungen. Im Dünndarm verursachen Ascaris-Larven eine Reduktion der Futteraufnahme, der Futterverwertung und der Gewichtszunahme. Es werden zusätzlich noch Verdickungen und Verkürzung der Dünndarmzotten, Vertiefung der Krypten, eine Abnahme des Krypten-Zotten-Verhältnisses, Infiltrationen der Lamina propria mucosae mit Mastzellen und eosinophilen Granulozyten sowie Becherzellhyperplasie und Verdickung der Tunica muscularis beschrieben. Im weiteren Verlauf kommt es zu verdauungsphysiologischen Veränderungen wie etwa verminderte Stickstoffretention und reduzierte Laktaseaktivität sowie Störungen in der Adsorption von Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten und Vitaminen.
Immunität
Natürliche und wiederholte Ascaris-Infektionen führen zur Stimulation des Immunsystems mit einer Aktivierung protektiver und immunpathologischer Mechanismen. Im Verlauf der Infektion werden Ascaris-Antigene freigesetzt, welche die Produktion von Antikörpern (v.a. IgE) induzieren und so auch Komponenten des zellulären Immunsystems stimulieren. Die protektive Immunität richtet sich im Verlauf einer Reinfektion gegen die neu eingewanderten Larven im Darm, gegen die Wanderlarven in der Leber und in der Lunge und auch gegen unreife Stadien im Darm.
Ferkel von chronisch infizierten Muttersauen sind nicht durch kolostrale Antikörper vor einer Ansteckung mit Ascaris suum geschützt.
Klinik
Ein Spulwurmbefall verläuft in der überwiegenden Zahl der Fälle asymptomatisch. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zur akuten Erkrankung - v.a. dann, wenn Wurmknäuel den Darm verstopfen oder einzelne Askariden in den Ductus choledochus einwandern und den Gallenabfluss behindern (Cholestase).
Bei Ferkel und auch bei jungen Läufern kann ein Spulwurmbefall seuchenartig auftreten. Die Tiere zeigen in der Wanderphase der Larven Mattigkeit, ihre Atmung ist erschwert, sie husten und haben Fieber. Die Haut wird unansehnlich und die Entwicklung der Jungtiere ist erheblich gestört. Zwar erholen sich die Tiere allmählich von den Symptomen, jedoch bleiben sie im Wachstum immer hinter gleichaltrigen, nicht befallenen Wurfgeschwistern zurück. Befallene ältere Tiere zeigen oft nur eine geringere Gewichtszunahme, wobei eine Infektion in den meisten Fällen nicht in Erscheinung tritt.
Diagnose
Die Erreger werden mittels Koproskopie nachgewiesen. Nach Aufbereitung der Kotprobe können die dickschaligen, braunen und grob-höckrigen Askarideneier im Mikroskop eindeutig identifiziert werden.
Therapie
Therapiewürdige Ascariosen können mit verschiedenen Benzimidazol-Derivaten behandelt werden. So zeigen Fenbendazol (8 mg/kgKG), Febantel (5 bis 10 mg/kgKG) und Flubendazol (30 ppm im Fütter für 10 Tage) eine gute Wirkung. Ebenso können makrozyklische Laktone gegen Ascaris-Larven eingesetzt werden. Da Resistenzen gegen diese Wirkstoffgruppen beobachtet wurden, sollte eine Therapie stets unter engmaschiger Kontrolle erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Prophylaxe
Das Hauptaugenmerk bei der Bekämpfung des Askaridenbefalls sollte auf der Vermeidung der Einschleppung des Parasiten in einen Bestand liegen. Dazu müssen neu eingestallte Tiere entweder in eigene Quarantäneställe untergebracht, oder (idealerweise) ein Rein-Raus-Verfahren angewendet werden.
Ist bereits ein Bestand mit Ascaris suum befallen, sind neben planmäßigem Einsatz von Medikamenten auch gründliche Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung.
Literatur
- Boch, Josef, Supperer, Rudolf. Veterinärmedizinische Parasitologie. 6. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Parey Verlag, 2005