Fieber
von lateinisch: febris - Fieber und altgriechisch: πυρετός ("pyretos") - Fieber
Synonym: Pyrexie
Englisch: fever, pyrexia
Definition
Unter Fieber, auch Pyrexie genannt, versteht man eine Erhöhung der Körperkerntemperatur über die normalen täglichen Variationen hinaus. In vielen Fällen ist es die Folge einer Immunreaktion des Körpers auf Antigene, die mit einer erhöhten Wärmeproduktion bei gleichbleibender oder reduzierter Wärmeabgabe einhergeht. Die Körpertemperatur wird dabei zentral durch Erhöhung des hypothalamischen Sollwerts gesteuert. Einen distinkten Grenzwert für Fieber im Sinne einer Schwellentemperatur gibt es nicht, die Angaben variieren in der Literatur.
Das Gegenstück zum Fieber ist die Anapyrexie.
- ICD10-Code: R50.9 - Fieber, nicht näher bezeichnet
Ursachen
Fieber ist ein Allgemeinsymptom, das eine Vielzahl verschiedener Ursachen haben kann. Die wichtigsten Auslöser von Fieber sind:
- Infektionskrankheiten
- Neoplasien: z.B. Lymphome ("Tumorfieber")
- Autoimmunerkrankungen: z.B. rheumatoide Arthritis, rheumatisches Fieber, Vaskulitiden, Sarkoidose
- Autoinflammatorische Syndrome: z.B. Gicht, Hyper-IgD-Syndrom, familiäres Mittelmeerfieber, PAPA-Syndrom
- Schlaganfall, intrazerebrale Blutung, Subarachnoidalblutung
- Medikamente ("Drug Fever"): z.B. Allopurinol, Carbamazepin
- Operationen ("postoperatives Fieber")
- Transfusionen ("posttransfusionelles Fieber")
- psychosomatische Ursachen ("psychogenes Fieber")
- weitere Ursachen: tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Nebennierenrindeninsuffizienz, Myokardinfarkt, Pankreatitis
Grundsätzlich sollte ein artifizielles Fieber erwogen werden. Dieses künstlich vom Patienten herbeigeführte Fieber entsteht z.B. durch die intravenöse Injektion von kontaminiertem Wasser. Aber auch eine Manipulation am Thermometer bei bestehender Normothermie ist denkbar.
Eine Erhöhung der Körpertemperatur, deren Ursache nicht bekannt ist, bezeichnet man häufig als Fieber unklarer Genese (FUO). Jedoch sollte dieser Begriff nur bei Vorliegen von klar definierten Kriterien verwendet werden.
siehe Hauptartikel: Fieber unklarer Genese
Physiologie
In der Physiologie unterscheidet man bei der Erhöhung der Körpertemperatur den zentral regulierten Zustand des Fiebers vom ungeregelten Zustand der Hyperthermie.
Fieber
Der Hypothalamus, vor allem die Regio praeoptica, reguliert die Körperkerntemperatur. Diese Nervenzellregion erhält afferente Signale von Thermorezeptoren der Haut und ist zusätzlich in der Lage, die Körperkerntemperatur selbst zu messen. Auf der Basis dieser Informationen wird der Sollwert in zwei verschiedene Richtungen gesteuert:
- Up-Regulation: Wärmeproduktion durch Aktivierung des Stoffwechsels, um mehr Wärme zu bilden, sowie Aktivierung des sympathischen Nervensystems mit peripherer Vasokonstriktion und Hemmung der Schweißbildung, um den Wärmeverlust zu verringern. Bei hohem Wärmeverlust wird zusätzlich die Muskeltätigkeit zur Wärmeproduktion angeregt (Kältezittern, Schüttelfrost).
- Down-Regulation: Steigerung des Wärmeverlusts durch Hemmung des sympathischen Nervensystems mit der Folge einer peripheren Vasodilatation und Förderung der Schweißbildung.
Substanzen, die Fieber hervorrufen, werden als Pyrogene bezeichnet. Exogene Pyrogene sind mikrobielle Toxine, Stoffwechselprodukte oder die Mikroorganismen selbst. Klassisches Beispiel ist das Lipopolysaccharid-Endotoxin von gramnegativen Bakterien. Auch die Superantigene von grampositiven Organismen (z.B. Enterotoxine von Staphylococcus aureus wie Toxic-Shock-Syndrome-Toxin) wirken pyrogen.
Als endogene Pyrogene wirken die Zytokine Interleukin-1 (IL-1), IL-6, TNF und CNTF. Die Synthese und Ausschüttung der Zytokine wird durch mikrobielle Erreger, aber auch durch Entzündungen (z.B. Perikarditis) und andere Stresssituationen (z.B. Trauma, Schlaganfall) ausgelöst. Sie werden insbesondere von Monozyten und Makrophagen sowie von Endothelzellen sezerniert.
Die Pyrogene bewirken im hypothalamischen Endothel und in der Peripherie eine vermehrte Bildung von Prostaglandin E2 (PGE2). Das periphere PGE2 ist für Myalgie und Arthralgie verantwortlich, die häufig das Fieber begleiten. Das zerebrale PGE2 bindet es an den EP3-Rezeptor auf benachbarten Gliazellen, die daraufhin cAMP ausschütten. Dieser Transmitter führt zur Erhöhung des thermoregulatorischen Stellwerts.
Zu starke Temperaturanstiege werden durch antiinflammatorische Moleküle sowie durch Stimulierung wärmesensitiver Neurone vermieden.
Fieber ist ein Teil der unspezifischen Immunantwort, da die Aktivität vieler Immunzellen (z.B. Granulozyten, Makrophagen oder Lymphozyten) in einem Temperaturbereich zwischen 38 und 41 °C gesteigert ist. Des Weiteren wird das Wachstum vieler Erreger gehemmt. Sehr hohe Temperaturen von über 41 °C können jedoch zur Denaturierung von Proteinen sowie zu Störungen der Blutgerinnung und anderer Enzymfunktionen führen.
Hyperthermie
Als Hyperthermie versteht man einen unkontrollierten Anstieg der Körpertemperatur ohne bzw. gegen die Steuerung der hypothalamischen Zentrums. Die Patienten mit Hyperthermie sprechen nicht auf Antipyretika an und die Haut ist typischerweise trocken und heiß.
Typische Ursachen sind:
- belastungsbedingte Hyperthermie bei inadäquater Wärmeabgabe (Hitzschlag)
- anhidrotische ektodermale Dysplasie
- Hyperthyreose
- Phäochromozytom
- Durstfieber beim Neugeborenen
- Drogen: z.B. MDMA
- Medikamente: L-Thyroxin, Atropin, trizyklische Antidepressiva
- "hypothalamisches Fieber": Regulationsstörung des Hypothalamus z.B. durch Schädel-Hirn-Trauma, Blutung oder Tumor
- maligne Hyperthermie
Referenzbereich
Gesunde, 18 bis 40 Jahre alte Personen zeigen eine mittlere oral gemessene Temperatur von 36,4 bis 37,2 °C. Dabei ist die orale Temperatur um 6 Uhr morgens niedriger (maximal 37,2 °C), zwischen 16 und 18 Uhr höher (maximal 37,7 °C). Diese Werte definieren das 99-%-Perzentil für gesunde Personen. Entsprechend bedeutet eine morgendliche oral gemessene Temperatur über 37,2 °C oder eine nachmittägliche Temperatur über 37,7 °C Fieber.
Neuere Untersuchungen (2020) kommen zu den Schluss, dass eine Temperatur von 37,2 °C möglicherweise ein zu hoher oberer Normwert ist, da die durchschnittliche Körpertemperatur in großen Reihenuntersuchungen in den letzten 160 Jahren um rund 1°C gesunken ist. Sie soll nun bei etwa 36,4 °C liegen.[1] Ein möglicher Grund dafür könnte das niedrigere "Grundrauschen" von latenten Infektionen in der Bevölkerung sein.
Einflussfaktoren
Zirkadiane Schwankung
Die normale zikardiane Temperaturschwankung beträgt typischerweise 0,5 °C, jedoch ist zu beachten, dass diese Variationsbreite bei der Genesung von febrilen Erkrankungen auch über 1,0 °C betragen kann. Bei Frauen ist die morgendliche Temperatur in den 2 Wochen vor Ovulation niedriger, um dann um ca. 0,6 °C anzusteigen.
Messort
Weiterhin ist die Definition des Fiebers abhängig vom Messort. Die oral gemessene Temperatur liegt meist 0,4 °C unter der rektal gemessenen, vermutlich aufgrund der Mundatmung. Die axilläre Messung liefert in der Regel sogar 0,5 bis 1,0 °C niedrigere Werte als die rektale Messung. Eine tympanische Messung erfordert eine anschließende Korrektur mittels Normogramm. Die tympanische Temperatur ist im Vergleich zur rektalen Temperatur um 0,8 °C niedriger. Die untere Ösophagustemperatur stimmt ziemlich genau mit der Kerntemperatur überein.
Demgemäß werden unterschiedliche Fieberwerte für die jeweiligen Messorte vorgeschlagen, z.B.:
- rektale Körpertemperatur über 37 °C, 38 °C oder > 38,3 °C
- sublinguale Körpertemperatur > 37,5 °C
- axilläre Körpertemperatur > 37,7 °C
Weitere Einflussfaktoren
Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass Neugeborene, ältere Patienten, Personen mit chronischer Leber- oder Niereninsuffizienz sowie Patienten mit Einnahme von Glukokortikoiden oder anderen antipyretischen Medikamenten eine abgeschwächte Fieberreaktion aufweisen können. Bei Patienten mit einer Neutropenie wird eine Körpertemperatur > 38,0 °C als Fieber bezeichnet.
Klinische Graduierung
Klinisch wird Fieber häufig graduiert, ohne dass es ein verbindliches Einteilungsraster gibt. Eine mögliche Einteilung ist z.B.:
Temperaturbereich | Einordnung |
---|---|
>37,1°C bis 37,9°C | subfebrile Temperatur |
38,0°C bis 38,4°C | mäßiges Fieber |
>38,5°C bis 40,4°C | hohes Fieber |
ab 40,5°C (auch: 41,5°C) | extremes Fieber (Hyperpyrexie) |
Subfebrile Temperatur
Der Begriff der subfebrilen Temperatur wird nicht einheitlich definiert. Während einige Autoren bereits ab einer Körpertemperatur von über 37 °C von subfebril sprechen, wird zum Teil auch der Bereich von 38 bis 38,5 °C als subfebril bezeichnet.
Hyperpyrexie
Ab einer Temperatur von 41,5 °C spricht man von einer Hyperpyrexie. Dieses besonders hohe Fieber kann zwar bei schwersten Infektionen auftreten, findet sich jedoch am häufigsten bei Blutungen im zentralen Nervensystem.
Fieberformen
Man kann nach ihrem Verlauf verschiedene Fieberformen unterscheiden. Sie sind zwar häufig mit bestimmten Krankheiten assoziiert, in der Regel ermöglichen sie aber keinen genauen Rückschluss auf die zugrundeliegende Ursache.
...nach Tagesverlauf
Je nach Tagesschwankung und Temperaturbereich differenziert man:
- kontinuierliches Fieber (Fieberkontinuum): anhaltendes Fieber mit nur geringer Tagesschwankung (< 1 °C), z.B. bei Masern, Leptospirose, Typhus
- remittierendes Fieber: anhaltendes Fieber mit größeren Tagesschwankungen (> 1 °C). Abends ist die Temperatur höher als am Morgen. Vorkommen z.B. bei Tuberkulose, Bronchitis oder Nephritis.
- intermittierendes Fieber: regelmäßige fieberfreie Phasen und größere Tagesschwankungen (> 1 °C). z.B. bei Osteomyelitis, Abszessen, Miliartuberkulose, bakterieller Sepsis
...nach langfristigem Verlauf
Anhand des langfristigen Verlaufs grenzt man folgende Fiebertypen voneinander ab:
- biphasisches Fieber: initialer Temperaturanstieg, dann Temperaturabfall, anschließend erneuter Anstieg einer zweiten Phase, z.B. bei Masern, Dengue-Fieber, Leptospirose
- periodisches Fieber: Fieberschübe bestimmter Dauer und fieberfreie Episoden bestimmter Dauer, z.B. Malaria tertiana und quartana
- undulierendes Fieber: wellenförmiger Verlauf über Wochen bis Monate, z.B. bei Morbus Hodgkin (Pel-Ebstein-Fieber), Brucellose
- rekurrierendes bzw. rezidivierendes Fieber: Fieberschübe wechselnder Dauer und fieberfreie Episoden wechselnder Dauer, z.B. bei Rückfallfieber oder Schlafkrankheit
Fieberkrankheiten
In der Tropenmedizin werden Infektionskrankheiten häufig nach dem auslösenden Erreger mit dem Zusatz "-Fieber" benannt. Beispiele sind:
Messung
Die Messung der Körpertemperatur (Fiebermessung) mit Hilfe eines Thermometers kann - abhängig vom verwendeten Gerät - an verschiedenen Orten erfolgen:
- im Rektum (rektal)
- in der Achselhöhle (axillär)
- im Mund (oral)
- im Ohr (aurikulär)
- an der Stirn
Dabei kann das Thermometer in Kontakt mit dem Körper stehen oder eine kontaktfreie Messung erfolgen. Weiterhin existieren invasive Messmethoden, z.B. durch eine Sonde im Ösophagus, durch einen Pulmonaliskatheter oder durch einen Blasenkatheter.
Bei der Beurteilung der Messergebnisse ist zu beachten, dass diese Körperstellen verschiedene Normaltemperaturbereiche besitzen. Zur Überwachung des Temperaturverlaufs sollte immer an derselben Stelle gemessen werden.
Anmerkung: Eine Temperaturdifferenz von mehr als 1,0 °C zwischen der axillären und der rektalen Messung kann ein Indiz für das Vorliegen einer Appendizitis sein.
Therapie
Fieber ist keine Erkrankung, sondern ein Symptom. Die Therapie des Fiebers richtet sich daher primär gegen die auslösende Ursache, d.h. die Grunderkrankung.
Die symptomatische Behandlung des Fiebers, die Fiebersenkung, umfasst unter anderem eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, die medikamentöse Gabe von Antipyretika und wärmeableitende Maßnahmen (z.B. Wadenwickel, Ganzkörperwaschung, Eisbeutel in der Leistenregion). Als Antipyretika wirken Paracetamol, NSAR, Coxibe sowie Glukokortikoide.
Bevor Maßnahmen zur Fiebersenkung eingeleitet werden, sollte bedacht werden, dass Fieber Teil der physiologischen Immunantwort ist. Eine grundsätzliche medikamentöse Senkung des Fiebers kann sich ggf. negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken, jedoch finden sich hierzu in der Literatur widersprüchliche Aussagen. Weiterhin gilt es zu beachten, dass die Vermeidung einer antipyretischen Therapie die Beurteilung der Wirksamkeit einer Antibiotikatherapie verbessert.
Eine antipyretische Therapie ist zwingend indiziert bei Hyperpyrexie sowie bei besonderen Patientengruppen. Fieber erhöht den Sauerstoffbedarf und kann dann beispielsweise kardiale Insuffizienzen verstärken. Des Weiteren wird eine Antipyrese bei Kindern mit Fieberkrampf empfohlen, wobei die genaue Pathogenese hierbei ungeklärt ist.
Literatur
- Suttorp N, Möckel M, Siegmund B et al., Hrsg. Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2019.
Quellen
- ↑ Shmerling RH: Time to redefine normal body temperature? Harvard Health Publish, veröffentlicht am 13.3.2020
Weblinks
- S3-Leitlinie Ambulantes Fiebermanagement bei Kindern und Jugendlichen, AWMF Registernummer 027 - 074, abgerufen am 09.10.2024
- S1-Leitlinie Fieberkrämpfe im Kindesalter. AWMF Registernummer 022 - 005, abgerufen am 09.10.2024
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