Phlebothrombose
Synonyme: (tiefe) Venenthrombose, TVT
Englisch: phlebothrombosis, deep vein thrombosis, DVT
Definition
Unter dem Begriff Phlebothrombose versteht man einen thrombotischen Verschluss tiefer Venen, der mit der Gefahr einer Lungenembolie oder der Entwicklung einer chronisch venösen Insuffizienz einhergeht.
Epidemiologie
Die Phlebothrombose ist ein häufiges Krankheitsbild. Da viele tiefe Thrombosen stumm verlaufen und erst Jahre später diagnostiziert werden, kann über die wahre Häufigkeit nur schwer eine Aussage gemacht werden. Die Unterschenkelregion, meistens links, ist Prädilektionsstelle.
Pathogenese
Wie bei allen Thrombosen ist auch bei der Phlebothrombose die Kombination aus Verlangsamung der Strömungsgeschwindigkeit, Wandveränderungen und Blutgerinnungsstörung (sogenannte Virchow-Trias) entscheidend.
Immobilisierung des Patienten oder Traumatisierung der Vene führen zur Stase. Beschädigung der Gefäßwand beruhen auf Verletzungen, Operationen oder Entzündungen. Als Ursache für die Gerinnungsstörung kommen hämatologische und neoplastische Erkrankungen in Frage. Patienten, die sich einem chirurgischen Eingriff im Bauch- oder Beckenbereich unterziehen mussten, sind in der postoperativen Phase besonders gefährdet, eine Phlebothrombose zu entwickeln. Auch bei Wöchnerinnen ist das Risiko erhöht.
Pathohistologie
Einteilung
Je nach betroffener Etage unterscheidet man:
Symptomatik
Kleinere Phlebothrombosen können asymptomatisch verlaufen. Typische Symptome bei ausgeprägten Venenthrombosen sind:
- Ödeme am Fußknöchel, am Unterschenkel oder am ganzen Bein
- Gerötete und gespannte Haut, eventuell mit livider bis zyanotischer Verfärbung
- Spannungsgefühl und/oder Schmerzen in Fuß, Wade und Kniekehle, die sich bei Hochlagerung bessern
- Wärmegefühl und/oder Überwärmung des betroffenen Beins
Weitere Warnhinweise sind eine Erweiterung der oberflächlichen Venen am Unterschenkel, ein Kletterpuls und subfebrile Temperaturen.
Komplikationen
In 10 bis 30 % der Fälle führt eine Phlebothrombose nachfolgend zur Lungenembolie, die selten tödlich endet, und in 50 % der Fälle zum postthrombotischen Syndrom.
Sonderform
Die Phlegmasia coerulea dolens ist eine Sonderform der Phlebothrombose, die durch Störung der Mikrozirkulation mit einer kompletten Verlegung des venösen Abflusses einer Extremität einhergeht. Die betroffene Extremität ist schmerzhaft zyanotisch, nachfolgend entwickelt sich eine Gangrän, die unbehandelt zum lebensbedrohlichen Schock führt.
Diagnostik
Die Diagnostik anhand der klinischen Untersuchung der Schmerzpunkte (z.B. Homans-Zeichen, Payr-Zeichen, Meyer-Zeichen, Lowenberg-Zeichen) kann Hinweise auf die Lokalisation der Phlebothrombose liefern, ist aber unzuverlässig.
Zur Beurteilung eines Phlebothrombose-Verdachts der unteren Extremität hat sich in den letzten Jahren der Wells-Score etabliert. Ergänzend erfolgt die Bestimmung des D-Dimers. Ein normales D-Dimer schließt eine Phlebothrombose in der Regel aus, sodass sich weitere Untersuchungen erübrigen. Umgekehrt kann aus einem erhöhten D-Dimer jedoch nicht automatisch auf das Vorliegen einer Phlebothrombose geschlossen werden.
Durch die Duplex-Sonographie oder den Plasmintest mit radioaktivem Technetium, kann die Diagnose gesichert werden. Die Phlebographie kann ebenfalls durchgeführt werden.
Differentialdiagnose
Therapie
Konservative Therapie
Nach der Diagnosestellung sollte unverzüglich eine therapeutische Antikoagulation begonnen werden. Ziel ist es, das Auftreten eines postthrombotischen Syndroms zu verhindern. Die Behandlung gliedert sich dabei in eine Initialphase, die einige Tage andauert, gefolgt von einer Erhaltungsphase über 3 bis 6 Monate. Zur Antikoagulation werden niedermolekulare Heparine (NMH) und Fondaparinux eingesetzt. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz wird stattdessen unfraktioniertes Heparin (UFH) verwendet.
Zur Erhaltungstherapie eignen sich Vitamin-K-Antagonisten (z.B. Phenprocoumon) oder direkte orale Antikoagulanzien (z.B. Rivaroxaban, Apixaban oder Edoxaban). Verlängernd kann eine Thromboseprophylaxe mit Acetylsalicylsäure erfolgen.
Zudem ist eine Kompressionstherapie des betroffenen Beins indiziert. Hierbei eignet sich ein Kompressionsverband (Typ Fischer) oder ein angepasster Kompressionsstrumpf (Klasse II).
Außerdem sollte der Patient so früh wie möglich mobilisiert werden. Immobilisierungen kommen nur zur Linderung starker Schmerzen infrage.
Generell wird die systemische Thrombolyse wegen eines hohen Blutungsrisikos nicht mehr angewandt, kann jedoch bei Rechtsherzbelastung oder progredienter Dyspnoe (Lungenembolie-Risiko) verordnet werden.
Chirurgische Therapie
Bei Phlebothrombosen im Becken- und Leistenbereich kann bis maximal fünf Tage nach dem Akutereignis eine Thrombektomie in Betracht gezogen werden. An die Operation schließt sich eine Heparinisierung und eine zusätzliche Kompressionstherapie der betroffenen Extremität an.
Als Operationstechniken kommen u.a. in Betracht:
- Ballonkatheter: Eröffnung der betroffenen Vene, Einbringen eines Ballonkatheters und Entfernung des Thrombus nach distal durch Zurückziehen des Katheters
- Offene Thrombektomie: Eröffnung der betroffenen Vene und Entfernung des Thrombus unter Sicht. Nur durchführbar bei geeigneter Lokalisation und kurzen Thromben
- Kompressionsthrombektomie: Eröffnen der Vene und Herauspressen des Thrombus
Nach der Entfernung des Thrombus kann die Gefahr eines erneuten Venenverschlusses durch eine passager angelegte arteriovenöse Fistel vermindert werden. Dadurch wird der Blutfluss in der Vene deutlich erhöht, was ggf. eine erneute Verschlussbildung verhindert.
Quiz
Bildquelle
- Bildquelle für Flexikon-Quiz: © Jens Herrndorff / Unsplash
Quellen
- AWMF Leitlinie - Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie, abgerufen am 11.03.2022
um diese Funktion zu nutzen.