Still-Syndrom
Synonyme: Morbus Still, systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA)
Englisch: systemic onset juvenile idiopathic arthritis
Definition
Das Still-Syndrom ist die systemische Verlaufsform der juvenilen idiopathischen Arthritis.
- ICD10-Code: M08.2
Epidemiologie
Die Inzidenz der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) liegt bei 4-5 Fällen auf 100.000 Kinder. Jedes Jahr erkranken etwa 750 bis 1.000 Kinder an der JIA. Jedes zehnte betroffene Kind entwickelt ein Still-Syndrom. Es manifestiert sich in den meisten Fällen zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr ohne Geschlechtspräferenz.
Ätiopathogenese
Die Ursache des Still-Syndroms ist noch nicht geklärt. Es wird vermutet, dass Autoimmunmechanismen bei vorhandener genetischer Disposition zur Erkrankung führen können. Möglicherweise spielen jedoch auch exogene Noxen wie z.B. eine Infektion mit dem Parvovirus B19 oder Traumen eine Rolle.
Charakteristisch sind eine chronische Entzündung der Synovia, eine Destruktion des Knorpels sowie extraartikuläre Entzündungen.
Klinik
Das Still-Syndrom zeigt einen schubweisen Verlauf. Leitsymptome sind
- eine Arthritis von mindestens einem Gelenk und
- ein intermittierendes Fieber über mindestens 2 Wochen, dokumentiert für mindestens drei aufeinanderfolgende Tage. Es spricht nicht auf eine ggf. verordnete Antibiose an.
Weiterhin ist mindestens eins der folgenden Begleitsymptome gefordert:
- generalisierte Lymphadenopathie (Lymphknotenschwellung)
- flüchtiges, lachsfarbenes, z.T. juckendes Exanthem, welches häufig nur während des Fieberschubs zu sehen ist
- Beteiligung innerer Organe
- Hepatomegalie und/oder Splenomegalie
- Serositis (Perikarditis, Pleuritis, Peritonitis)
Häufig werden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule angegeben. Der Allgemeinzustand ist stark reduziert.
Die Arthritis kann gleichzeitig mit den oben beschriebenen Symptomen auftreten oder sich erst nach Monaten oder Jahren entwickeln. Häufig liegt eine Polyarthritis vor, die z.B. das Sprunggelenk, das Kniegelenk, das Hüftgelenk, das Schultergelenk, das Ellenbogengelenk oder das Handgelenk betrifft.
In 10 bis 15 % der Fälle kann es zu einem Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) kommen. Dieses geht mit Gerinnungsstörungen und Bewusstseinstrübungen einher und verläuft häufig letal.
Diagnostik
Diagnostische Hinweise ergeben sich bereits durch eine sorgfältige Anamnese und eine gründliche körperliche Untersuchung.
Im Serum sind die Entzündungsparameter CRP und BSG meist stark erhöht. Es zeigen sich eine Leukozytose, eine Thrombozytose und eine hypochrome Anämie. Die Konzentration der Komplementfaktoren C3 und C4 sind ebenfalls erhöht.
Antinukleäre Faktoren und Rheumafaktoren sind in der Regel negativ.
Weiterhin sollte eine Sonographie der betroffenen Gelenke angefertigt werden sowie eine kardiologische Diagnostik (EKG, Echokardiographie) erfolgen.
Therapie
Grundsätzlich sollte das Still-Syndrom so früh wie möglich medikamentös behandelt werden. Ziel ist das Erreichen und Erhalten einer Remission bzw. eine niedrige Krankheitsaktivität. Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Aktivität und der Schwere der Erkrankung. Generell kommen alle Medikamente in Frage, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden, wobei nicht alle bei Kindern zugelassen sind. Zu den Basistherapeutika zählen:
- NSAR: Diese Medikamente können als initiale oder begleitende Therapie eingesetzt werden. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Ibuprofen und Naproxen (Zeitraum bis 6 Monate) ist belegt.
- Glukokortikoide:
- intraartikuläre Applikation von kristallinem Triamcinolonhexacetonid bei starker, aktiver Arthritis
- systemische Gabe aufgrund kataboler Wirkungen nur zurückhaltend und zeitlich limitiert, jedoch bei schwerem Organbefall meist indiziert. Ein längerfristige Therapie sollte vermieden werden.
- DMARDs (v.a. Methotrexat und Sulfasalazin): frühestmöglich bei nicht ausreichender Wirksamkeit von NSAR, hohem oder wiederholtem Steroidbedarf oder polyartikulärem Verlauf, ggf. mit Begleitmedikamenten (z.B. Folsäure bei Einnahme von Methotrexat).
Bei nicht ausreichender Wirksamkeit der Basistherapeutika kommen Biologicals zum Einsatz. Dazu zählen z.B.:
- TNF-Hemmer (z.B. Etanercept, Adalimumab, Infliximab, Golimumab)
- IL-6-Antagonisten (z.B. Tocilizumab)
- IL-1-Rezeptorantagonisten bzw. IL-1-Antagonisten (z.B. Anakinra ab 8. Lebensmonat, Canakinumab ab 2. Lebensjahr)
Zusätzlich sollte immer eine Physiotherapie und Ergotherapie erfolgen. In schweren Fällen kann auch eine Synovektomie notwendig sein. Grundsätzlich ist es sehr wichtig, Eltern und Kinder gut zu informieren und in therapeutische Entscheidungen einzubeziehen.
Prognose
Drei von vier Patienten zeigen im Erwachsenenalter keine Symptome der Erkrankung mehr. Bei jedem vierten Kind werden schwere Gelenkdestruktionen beobachtet. Prognostische Faktoren für einen schweren Verlauf sind:
- Polyarthritis
- Fieber über 3 Monate
- hohe Entzündungsparameter
nicht zu verwechseln mit: Morbus Still des Erwachsenen (AOSD)
Literatur
- DGKJ: Oommen PT, Schütz C. AWMF S2k-Leitlinie Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis, 2019, abgerufen am 09.12.2019
- Hinze CH et al. Practice and consensus-based strategies in diagnosing and managing systemic juvenile idiopathic arthritis in Germany, Ped Rheumatol (2018) 16:7, Pediatr Rheumatol 16, 7 (2018), abgerufen am 16.09.2020
- ter Haar NM et al. Treatment to Target Using Recombinant Interleukin‐1 Receptor Antagonist as First‐Line Monotherapy in New‐Onset Systemic Juvenile Idiopathic Arthritis: Results From a Five‐Year Follow‐Up Study, Arthritis Rheumatol. 2019 Jul; 71(7): 1163–1173, abgerufen am 16.09.2020
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