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Prämedikation (Schwein)

Synonyme: Sedierung, Sedation
Englisch: premedication

1. Definition

Die Prämedikation bzw. Sedation des Schweins ist die medikamentöse Vorbereitung einer Narkose (Allgemeinanästhesie).

2. Rechtliches

Schweine (auch als Haustiere gehaltene Schweine) sind lebensmittelliefernde Tiere, weshalb sie besonderen Gesetzen und Verordnungen unterlegen sind. Dementsprechend gibt es für diese Tierart neben verschiedenen nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) nur wenige zugelassene Anästhetika und Analgetika. In Deutschland und Österreich sind hierfür nur Ketamin und Azaperon zugelassen.

Aus seuchenhygienischen Gründen dürfen Schweine, die der Lebensmittelkette zugeführt werden, nicht aus einem Bestand entfernt und wieder eingeführt werden. Diese Tiere müssen unbedingt vor Ort (im Stall) anästhesiert und behandelt werden.

3. Hintergrund

Die Vorbereitungen für eine Anästhesie hängen maßgeblich von der Nutzungsart des Schweines ab. Schweine gibt es in unterschiedlichen Größen von 30 kgKG (Minipigs) bis zum ausgewachsenen Eber einer Landrasse mit über 300 kgKG. Um die verwendeten Medikamente exakt dosieren zu können, ist das Schwein vorab unbedingt zu wiegen.

Neben dem Gewicht spielen auch die Größe, die Verwendung sowie das Verhalten bzw. das Temperament des Schweins eine große Rolle. Aus diesem Grund muss die Handhabbarkeit sowie das Management des Tiers sowohl vor, als auch während und nach der Anästhesie angepasst werden. Während Ferkel und kleine zahme Schweine am besten kurz auf den Arm genommen und intramuskulär oder intravenös (via laterale Ohrrandvene) sediert/anästhesiert werden, müssen größere und weniger zahme Tiere im Stall oder in einer Box versorgt werden.

Große Sauen können mittels Oberkieferschlinge fixiert werden. Eber sowie wilde Tiere sind nur mit größter Vorsicht zu behandeln, da diese Tiere äußerst gefährlich sein können. Weil Schweine allgemein sehr stressanfällig sind, ist ein ruhiges Vorgehen stets angezeigt.

4. Komplikationen

Zu den klassischen, erwartbaren perioperativen Komplikationen zählen u.a.:

Zusätzlich sollte bei längeren Eingriffen eine balancierte Vollekeltrolyt-Lösung mit einer Rate von ca. 10 ml/kgKG/Stunde infundiert werden.

5. Besonderheiten

Vor einer Allgemeinanästhesie ist für 12 Stunden das Futter zu entziehen. Bei Magen-Darm-Operationen kann der Futterentzug auf 24 Stunden ausgeweitet werden. Säugende Ferkel hingegen dürfen nicht nüchtern gesetzt werden, während ältere Ferkel für maximal 3 Stunden nüchtern gehalten werden sollten. Ein Wasserentzug ist nur bei Operationen am Gastrointestinaltrakt notwendig.

6. Physiologie

Das Blutvolumen beim Schwein beträgt etwa 65 ml/kgKG. Folgende Tabelle listet die physiologischen Werte auf:

Parameter  Normwert
Innere Körpertemperatur (°C)
  • 37,0 bis 38,0 (Eber)
  • 38,0 bis 39,0 (Sau)
  • 38,5 bis 39,5 (Ferkel)
Herzfrequenz (/min)
  • 80 bis 100 (Sau)
  • 80 bis 110 (Eber)
  • 150 bis 200 (Ferkel)
Atemfrequenz (/min)
  • 20 bis 50 (Eber)
  • 20 bis 60 (Sau)
  • 60 bis 90 (Ferkel)
Hämatokrit (%) 28 bis 47
Totalprotein (g/dl) 5,7 bis 8,0

7. Besonderheiten

Bevor das Anästhesieprotokoll erstellt wird, ist das Schwein klinisch zu untersuchen und gemäß der ASA-Klassifikation einzuteilen. Neben den organspezifischen Veränderungen sind auch wirkstoffspezifische Sensibilitäten der einzelnen Rassen zu berücksichtigen.

7.1. Medikamente

Schweine sind in Abhängigkeit von der Rasse unterschiedlich empfindlich gegenüber Anästhetika. Hängebauchschweine benötigen daher geringere Dosierungen mancher Anästhetika im Vergleich zu anderen Rassen. Im Gegensatz dazu scheinen Yucatan- und Yorkshire-Schweine höhere Dosen zu benötigen.

Zusätzlich tolerieren Schweine relativ hohe Dosierungen von Opioiden. In der Literatur sind bis zu 10-fach höhere Dosierungen beschrieben, um einen analgetischen Effekt zu erreichen. Aufgrund der großen Mengen kann teilweise ein Anstieg der motorischen Aktivität sowie Dysphorie beobachtet werden.

7.2. Erkrankungen

Schweine sind aufgrund ihres vergleichsweise kleinen Herzens äußerst empfindlich gegenüber Stresssituationen. Zudem neigen alle Rassen während der Anästhesie dazu, aufgrund eines vererbten Gendefekts im Ryanodin-Typ-1-Rezeptor, eine maligne Hyperthermie zu entwickeln.

8. Protokolle

Für Schweine sind lediglich Ketamin und Azaperon als Anästhetika zugelassen. Demzufolge existieren in Abhängigkeit von der Nutzungsrasse drei Arten der Anästhesie beim Schwein:

  • Schwein als Fleischlieferant und damit Teil eines Bestandes (Feldnarkose)
  • Schwein als Liebhabertier
  • Schwein als Versuchstier

Bei nicht-handhabbaren Schweinen kann eine Sedierung vor der Narkoseeinleitung hilfreich sein. Hierbei empfiehlt es sich, die Sedativa niedriger zu dosieren, um eine komplikationsarme Allgemeinanästhesie zu gewährleisten. Grundsätzlich gilt jedoch: Je kleiner das Schwein, desto höher die Dosis pro Kilogramm Körpergewicht (und umgekehrt).

Wirkstoffe Dosierung
(mg/kgKG)
Verabreichung  Information
Midazolam 0,2-0,5
  • bei jungen Ferkeln empfehlenswert
  • sehr schonende Sedierung
Azaperon  0,5-4  intramuskulär
  • Effekt ist stark dosisabhängig
  • niedrige Dosierungen (0,5-2 mg/kgKG) bewirken leichte Sedierung
  • höhere Dosierungen (2-4 mg/kgKG) bewirken starke Sedierung mit Seitenlage
  • Nebenwirkungen steigen mit höherer Dosierung
  • Azaperon +
  • Midazolam
  • 4
  • 1
  • sehr gute und schonende Sedierung
  • keine analgetische Wirkung
  • Ketamin +
  • Azaperon
  • 10
  • 2-4
  • Mischspritze
  • intramuskulär
  • Ketamin +
  • Midazolam
  • 7-10
  • 1
  • Mischspritze
  • intramuskulär
  • sehr schonende und zuverlässige Sedierung
  • Tier befindet sich in Seitenlage
  • Setzen des Venenkatheters ohne Abwehr möglich
  • stabile kardiovaskuläre Parameter
  • v.a. für längere Eingriffe geeignet
  • Midazolam antagonisierbar mit Flumazenil
  • 10
  • 0,05-01
  • 0,2
  • Mischspritze
  • intramuskulär
  • zur Vertiefung kann Butorphanol hinzugefügt werden
  • tiefere Sedierung als die oberen Kombinationen
  • kardiovaskulär belastendere Sedierung
  • nur sehr geringe Dosierungen für Narkoseeinleitung notwendig
1-3 intramuskulär
  • gute Wirkung
  • Zolazepam wirkt länger als Tiletamin

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

9. Literatur

  • Eberspächer-Schweda E. 2017. MemoVet, AnästhesieSkills, Perioperatives Management bei Klein-, Heim- und Großtieren. Stuttgart: Schattauer GmbH. ISBN: 978-3-7945-3055-7
  • Baumgartner W (Hrsg.). Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. 8., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1216-8

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