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Polyomaviridae

Synonym: Polyomaviren

1. Definition

Als Polyomaviridae bzw. Polyomaviren wird eine Familie von DNA-Viren bezeichnet, die beim Menschen, bei anderen Wirbeltieren sowie bei Vögeln insbesondere zu opportunistischen Infektionen führen können.

2. Geschichte

Bereits 1953 wurde mit dem Mauspolyomavirus der erste Vertreter dieser Virusfamilie von Ludwik Grosz beschrieben. Die Isolierung gelang 1957/58 nach Beimpfung von Mausfibroblastenkulturen, in denen ein zytopathischer Effekt zu beobachten war. 1964 wurden Viren dieser Familie zusammen mit Papillomviren von Joseph Melnick unter die Familie der Papovaviridae eingeteilt. In den letzten Jahren allerdings entdeckte man signifikante Unterschiede zwischen Polyoma- und Papillomaviren hinsichtlich Genomaufbau, Replikation und der Molekularbiologie, sodass man sie heute getrennten Virusfamilien zuordnet.

3. Systematik

4. Taxonomie

Derzeit (2024) werden Polyomaviren in vier Gattungen eingeteilt. Es existieren weitere Virusspezies, die noch nicht endgültig einer Gattung zugeordnet sind:[1]

Gattung Art Synonyme
Alphapolyomavirus Humanes Polyomavirus 5 Merkelzell-Polyomavirus, MCPyV
Humanes Polyomavirus 8 Trichodysplasia spinulosa-Polyomavirus, TSPyV
Humanes Polyomavirus 9 HPyV9
Humanes Polyomavirus 13 New Jersey Polyomavirus, NJPyV
Maus-Polyomavirus 1 Mus musculus-Polyomavirus 1, MPyV
Hamster-Polyomavirus 1 Mesocricetus auratus-Polyomavirus 1, HaPyV
Meerkatzen-Polyomavirus 1 Chlorocebus pygerythrus-Polyomavirus 1, VmPyV1
Betapolyomavirus Humanes Polyomavirus 1 BK-Polyomavirus, BKV, BKPyV
Humanes Polyomavirus 2 JC-Polyomavirus, JCV, JCPyV
Humanes Polyomavirus 3 KI-Polyomavirus, KIPyV
Humanes Polyomavirus 4 WU-Polyomavirus, WUPyV
Simian-Virus 40 Macaca mulatta-Polyomavirus 1, SV40
Gammapolyomavirus Aves-Polyomavirus 1 Polyomavirus des Wellensittichs, BFDV
Deltapolyomavirus Humanes Polyomavirus 6 HPyV6
Humanes Polyomavirus 7 HPyV7
Humanes Polyomavirus 10 MW-Polyomavirus, MWPyV
Humanes Polyomavirus 11 STL-Polyomavirus, STLPyV
Unklassifiziert Bovines Polyomavirus Bos taurus-Polyomavirus 1, BPyV

siehe Hauptartikel: Virustaxonomie

5. Aufbau

5.1. Morphologie

Polyomaviren sind kleine, unbehüllte dsDNA-Viren mit einem zirkulären Genom (ca. 5 kbp). Das Nukleokapsid ist verdreht ikosaedrisch aufgebaut und misst etwa 45 nm im Durchmesser. Die DNA liegt im Virion als Superhelix vor. Damit assoziiert sind vier zelluläre Histone (H2a, H2b, H3, H4).

5.2. Virusproteine

Die Polyomaviren selbst besitzen keine DNA-Polymerase zur Vermehrung ihrer viralen DNA. Typischerweise werden zwei frühe regulatorische Proteine während der Infektion exprimiert: großes Tumorantigen (LTAg) und kleines Tumorantigen (STAg). Die sogenannten späten Strukturproteinen (VP1, VP2, VP3) werden nach dem Beginn der viralen DNA-Replikation synthetisiert.

Verschiedene Polyomaviren können außerdem weitere Proteine bilden, z.B. ALTO, MTAg oder VP4. Außerdem bilden SV40, BKV und JCV das sogenannte Agnoprotein. Dieses regulatorische Protein spielt eine wichtige Rolle bei der viralen Transkription, Reifung und beim Austritt aus der Zelle.

Partikel der BKV und JCV sind die einzigen Vertreter mit der Fähigkeit zur Hämagglutination.

Die Kapside sind sehr umweltstabil und können weder mit Diethylether, noch mit 2-Propanol oder Detergenzien inaktiviert werden. Sie sind bei 50 °C für eine Stunde hitzestabil.

6. Klinik

6.1. Epidemiologie

Humane Polyomaviren sind ubiquitär vorhanden. Die Rate an seropositiven gesunden Individuen schwankt zwischen 40 und 90 %. Die Primärinfektion erfolgt typischerweise in früher Kindheit. Über die Art der Übertragung ist relativ wenig bekannt. Vermutet werden Tröpfchen- oder Schmierinfektionen, wobei auch Bluttransfusionen oder Organtransplantationen infrage kommen.

6.2. Pathogenese

Nach der Erstinfektion persistieren Polyomaviren lebenslang in verschiedenen Organen:

Die Infektion mit humanen Polyomaviren bei gesunden Individuen verläuft fast immer asymptomatisch. Erst bei dauerhafter Immunsuppression (z.B. i.R. von AIDS oder bei Transplantationen) können die Viren reaktiviert werden und zu Erkrankungen führen:

Die Rolle der anderen humanen Polyomaviren insbesondere im Zusammenhang mit Krebserkrankungen ist aktuell (2019) noch unklar.

6.3. Diagnostik

Die ersten klinischen Anzeichen einer PML sind Sprachstörungen und Demenz. Im Verlauf kommt es u.a. zu Paresen und Sensibilitätsstörungen. In der MRT zeigen sich Läsionen der weißen Substanz, meist in kortexnähe. Zur Diagnosestellung werden Hirnbiopsien oder Liquor mittels PCR untersucht.

Beim BK-Polyomavirus kann die Viruslast mittels PCR-Untersuchung des Urins oder des Plasmas festgestellt werden. Zur Diagnose einer Nephropathie eignen sich Nierenbiopsien. Mittels ELISA können die Antikörpertiter bestimmt werden.

6.4. Therapie

Es existiert aktuell (2019) keine spezifische antivirale Therapie.

7. Prophylaxe

Es gibt bis dato (2019) keine Möglichkeit der Impfung gegen Polyomaviren.

8. Literatur

  • Susanne Modrow, Dietrich Falke, Uwe Truyen, Hermann Schätzl (2010): Molekulare Virologie. 3. Auflage, Spektrum
  • Suerbaum, Hahn, Burchard, Kaufmann, Schulz: Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 7. Auflage, Springer, 2012

9. Quellen

  1. ICTV Report, abgerufen am 08.10.2019

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