MIS-C
Synonyme: Multisystemisches Entzündungssyndrom bei Kindern, "PIMS-Syndrom", Kawa-COVID-19, PMIS
Englisch: pediatric multi-system inflammatory syndrome, PIMS, paediatric inflammatory multisystem syndrome temporally associated with SARS-CoV-2 infection, PIMS-TS
Definition
MIS-C, für Multisystem Inflammatory Syndrome in Children, auch PIMS oder PIMS-TS genannt, ist eine entzündliche Multisystemerkrankung bei Kindern, die nach Exposition gegenüber SARS-CoV-2 auftreten kann.
Hintergrund
MIS-C hat Ähnlichkeit mit dem Kawasaki-Syndrom, soll aber einen schwereren Verlauf zeigen. Die genaue Abgrenzung beider Krankheitsbilder ist zur Zeit (3/2021) nicht endgültig geklärt. Weiterhin zeigt MIS-C klinische Überschneidungen mit dem Toxic Shock Syndrome und dem sekundären Makrophagenaktivierungssyndrom.
Epidemiologie
Typischerweise tritt MIS-C 2-6 Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 auf. Betroffen sind Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Das mediane Erkrankungsalter liegt bei 7 Jahren. Männliche Kinder scheinen häufiger betroffen zu sein. Ähnliche Krankheitsbilder konnten vereinzelt auch bei Erwachsenen festgestellt werden.
Ätiopathogenese
Die genaue Ursache des MIS-C ist derzeit unklar. Ein zeitlicher Zusammenhang zu COVID-19 lässt eine kausale Rolle des Virus bzw. einer überschießenden Immunreaktion auf die Infektion wahrscheinlich erscheinen. Dabei soll es zu einem Zytokinsturm mit disseminierten Entzündungsprozessen kommen, die mehrere Organsysteme betreffen.
Klinik
Von MIS-C betroffene Kinder weisen ein anhaltendes Fieber (> 38,0 °C) auf. Weitere mögliche Symptome sind:
- Diarrhö, Erbrechen, Bauchschmerzen
- Myalgie
- Müdigkeit, Abgeschlagenheit
- Enanthem (Erdbeerzunge)
- Exanthem
- Konjunktivitis
- Lymphknotenschwellung, vor allem im Nacken
- geschwollene Hände und/oder Füße
- Kopfschmerzen
Weiterhin wurden über eine kardiovaskuläre Beteiligung mit Linksherzinsuffizienz, Myokarditis und Perikarditis berichtet. Als Folge kann sich eine Hypotonie bis hin zum Schock enwickeln.
Diagnostik
Die Diagnose des MIS-C erfolgt anhand der klinischen Symptome und des zeitlichen Zusammenhangs zu COVID-19. Im Labor können folgende Veränderungen auffallen:
- Erhöhung von ESR, CRP, Procalcitonin, Ferritin und Interleukin-6
- Thrombozytopenie, erhöhte D-Dimere und Fibrinogenspiegel
- Leukozytose mit Neutrophilie und Lymphopenie
- Hypoalbuminämie
- Anstieg der Leber-Transaminasen
- Hyponatriämie
- Anstieg von Troponin und NT-proBNP
Häufig finden sich unspezifische Veränderungen incl. Herzrhythmusstörungen im Elektrokardiogramm (EKG). Weiterhin sind sonographisch z.T. Pleura- und Perikardergüsse sowie Aszites nachweisbar.
Diagnosekriterien
Derzeit existieren keine allgemein akzeptierten Diagnosekriterien.
WHO
Die vorläufige WHO-Falldefinition umfasst folgende Kriterien:[1]
- Alter 0-19 Jahre, Fieber über 3 Tage
- und mindestens 2 der folgenden Faktoren:
- Exanthem oder bilaterale nicht-eitrige Konjunktivitis oder mukokutane Entzündungszeichen (oral, Hände, Füße)
- Hypotonie oder Schock
- myokardiale Dysfunktion, Perikarditis, Valvulitis, koronare Anomalien (Befunde in Echokardiographie, erhöhtes Troponin oder NT-proBNP)
- Koagulopathie (aPTT, erhöhte D-Dimere)
- akute gastrointestinale Beschwerden (Diarrhö, Erbrechen, Bauchschmerzen)
- und erhöhte Entzündungsparameter (ESR, CRP, Procalcitonin)
- und keine andere offensichtliche mikrobielle Ursache (z.B. bakterielle Sepsis)
- und Nachweis von COVID-19 (RT-PCR, Antigentest, positive Serologie) oder wahrscheinlicher Kontakt mit COVID-19-Patienten
RCPCH
Das Royal College of Paediatrics and Child Health (RCPCH) schlägt folgende Diagnosekriterien vor:[2]
- persistierendes Fieber
- Hyperinflammation (Neutrophilie, CRP-Anstieg, Lymphopenie)
- Organdysfunktion (Schock, kardiale, respiratorische, renale, gastrointestinale oder neurologische Störungen)
- weitere klinische, radiologische oder laborchemische Faktoren
- Ausschluss von anderen mikrobiellen Ursachen (z.B. bakterielle Sepsis, Toxic Shock Syndrome, Toxic Shock-like Syndrome, Myokarditis durch Enteroviren)
- positive oder negative SARS-CoV-2-PCR
CDC
Gemäß CDC gelten für das MIS-C folgende Diagnosekriterien:[3]
- Alter < 21 Jahre
- Fieber > 24 Stunden und und labordiagnostisch erhöhte Entzündungswerte
- und schwerer Krankheitsverlauf mit Notwendigkeit einer Hospitalisation und Beteiligung von mehr als 2 Organsystemen (Herz, Nieren, Atemwege, Blutbildendes System, Gastrointestinaltrakt, Haut, Nervensystem)
- und keine plausible andere Diagnose
- und Labornachweis einer aktuellen oder kurz zurückliegenden Infektion mit SARS-CoV-2 durch direkten Virusnachweis (z.B. RT-PCR) oder Serologie bzw. COVID-19-Exposition in den letzten 4 Wochen vor Auftreten der Symptome
Therapie
Die Therapie ist symptomatisch und erfordert eine intensivmedizinische Überwachung. Häufig werden intravenöse Immunglobuline (IVIG), Glukokortikoide, Acetylsalicylsäure sowie zum Teil Tocilizumab, Anakinra oder Infliximab verabreicht.
Prognose
Bei adäquater Therapie versterben unter 2 % der Patienten. Die ventrikuläre Funktion erholt sich i.d.R. nach einigen Tagen, wobei sich Aneurysmen der Koronararterien entwickeln können. Die langfristige Prognose ist derzeit unklar.
Literatur
- Li Jiang et al. COVID-19 and multisystem inflammatory syndrome in children and adolescents, Lancet Infect Dis. 2020 Aug 17, abgerufen am 10.09.2020
- Abrams JY et al. Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) Associated with SARS-CoV-2: A Systematic Review, J Pediatr. 2020 Aug 5, abgerufen am 10.09.2020
Quellen
- ↑ WHO. Multisystem inflammatory syndrome in children and adolescents temporally related to COVID-19, 15.05.2020, abgerufen am 10.09.2020
- ↑ RCPCH Guidance - Paediatric multisystem inflammatory syndrome temporally associated with COVID-19 (PIMS), abgerufen am 10.09.2020
- ↑ CDC Health Alert Network May 14, 2020, CDCHAN-00432, abgerufen am 16.5.2020
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