Jejuni-Campylobacteriose (Geflügel)
Synonyme: Campylobacter-jejuni-Infektion, infektiöse Hepatitis, Vibrionenhepatitis (veraltet)
Definition
Als Jejuni-Campylobacteriose bzw. infektiöse Hepatitis bezeichnet man eine sporadisch auftretende und subakut bis chronisch verlaufende Infektionskrankheit des Geflügels.
Ätiologie
Campylobacter jejuni ist ein gramnegatives, uni- oder bipolar begeißeltes, schlankes, gekrümmt bis spiralig gewundenes, nicht-sporenbildendes und 0,2 bis 0,5 x 1,5 bis 5 µm großes Stäbchenbakterium. Es ist dazu befähigt, verschiedene Virulenzfaktoren auszubilden, u.a. Enterotoxine, Zytotoxine und Endotoxine.
Der Erreger kann ausschließlich im mikroaeroben Milieu (5 % Sauerstoff, 10 % Kohlendioxid und 85 % Stickstoff) auf Blutagar oder speziellen Selektivnährmedien und bei 37 bis 42 °C angezüchtet werden. In Oberflächenwasser, Kot und Einstreu überleben die Bakterien bei einer Umgebungstemperatur von 25 °C nur wenige Tage bis maximal 2 bis 3 Wochen.
Epidemiologie
Campylobacter jejuni ist sowohl bei Wild- als auch beim Wirtschaftsgefügel weltweit verbreitet. Klinisch manifeste Erkrankungen sind bei Hühnern und Puten beschrieben. Zusätzlich kommen auch Infektionen bei Enten und Tauben vor.
Die Pathogenität bei anderen domestizierten und wildlebenden Vögeln ist bisher (2021) ungeklärt. In Bodenhaltung lebende Tiere sind nach Erregereinschleppung innerhalb von ein bis zwei Wochen fast zu 100 % infiziert.
Pathogenese
Aufgrund des breiten Wirtsspektrums kommen neben dem Menschen auch fast alle Haus- und eine große Anzahl an Wildtiere als Infektionsquelle in Betracht.
Die Erregereintragung in die Herde sowie in geschlossene Stallungen erfolgt in der Regel direkt durch das Personal. Diese führen zu einer raschen Verbreiten der Bakterien innerhalb des Betriebes (z.B. durch kontaminierte Kleidung und Schuhe). Seltener finden Infektionen durch kontaminierte Einstreu, Futter und Trinkwasser statt. Da für eine klinisch manifeste Infektion jedoch nur wenige vermehrungsfähige Erreger notwendig sind, sind auch indirekte Übertragungen durch Vektoren (z.B. Insekten und Schwebstoffe) möglich.
Nach der oralen Aufnahme des Erregers kommt es in den meisten Fällen zu einer Besiedlung oder Infektion der Darmschleimhaut, v.a. im Bereich des Ileums, der Blinddärme und des Enddarms. In diesen Darmabschnitten können die Bakterien über viele Monate hinweg persistieren, ohne eine klinische Erkrankung hervorzurufen. Die Pathogenese ist beim Wirtschaftsgeflügel noch nicht vollständig geklärt (2021). Es wird jedoch angenommen, dass neben der Virulenz der Bakterien auch die genetisch determinierte Krankheitsanfälligkeit, das Alter des Wirts sowie sekundäre Infektionen (z.B. mit Parasiten oder anderen Pathogenen) die Krankheitsentstehung begünstigen. Bei ihrer Besiedelung können die Bakterien jedoch unterschiedlich pathogen sein:
- Entweder findet eine massive Erregervermehrung im Darmlumen statt (jedoch ohne Anheftung an die Schleimhautzellen), oder
- es kommt zur Erregervermehrung in den Schleimhautzellen, worauf die Bakterien anschließend in die Lamina propria eindringen. Von dort aus erfolgt sekundär eine hämatogene Besiedelung der Leber, der Milz sowie anderer Organe.
Durch das synergistische Einwirken mehrerer Erreger und Faktoren kommt es letztendlich zu den krankheitsspezifischen Leberveränderungen. Die genauen Pathomechanismen sind jedoch noch ungeklärt (2021).
Klinik
Das klinische Bild hängt maßgeblich von der Organmanifestation ab. Es können zwei Krankheitsverläufe unterschieden werden:
Enterale Erkrankungen
Bei einer rein enteralen Erkrankung kommt es bei betroffenen Küken zu vermehrten Todesfällen. Die Tiere leiden an wässrigen bis mukösen Durchfällen und an einem gestörten Allgemeinbefinden.
Hepato-enterale Erkrankungen
Eine hepato-enterale Erkrankung hingegen geht nur selten mit einem akuter Krankheitsverlauf und mit letalem Ausgang einher. Diese Erkrankungen verlaufen überwiegend chronisch und sind durch wässrig-muköse Durchfälle, Apathie, Abmagerung, Anämie und Kammrückbildungen (bei Legehennen) gekennzeichnet. Innerhalb der Herde können vereinzelt somnolente Tiere und ein Legeleistungsrückgang von bis zu 10 % beobachtet werden.
Die Gesamtmortalität schwankt zwischen 2 und 25 %.
Histopathologie
Bei enteraler Manifestation ist ein wässriger bis schleimiger Dünn- und Blinddarminhalt bei hydropisch verdickter und geröteter Darmschleimhaut nachweisbar.
Bei hepato-enteralen Erkrankungen hingegen können neben den Veränderungen der Darmschleimhaut auch nekrotische Herde im Herzmuskel, in der Milz, in den Nieren und in der ödematös-verdickten Gallenblasenwand festgestellt werden. Die Leber ist gelb-grünlich bis dunkelrot verfärbt, deutlich vergrößert und mit zahlreichen netzartigen nekrotischen Bezirken durchsetzt. Liegen zusätzlich noch multiple Blutungen vor, erscheint die Leber bunt marmoriert. Chronisch kranke Tiere zeichnen sich durch Abmagerung, Anämie, ein Hydroperikard, Aszites und eine derb-zirrhotisch-veränderte Leber aus.
Im histologischen Schnittbild dominieren Hämorrhagien, herdförmige Nekrosen sowie gefäßnahe lymphozytäre und granulozytäre Infiltrate in der Leber, Milz und in den Nieren. Selten können auch Bindegewebsproliferationen, v.a. im Bereich der Gallengänge, sowie granulomatöse Herde in den Parenchymen gefunden werden.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind Infektionen mit Vibrio cholerae, Brachyspira alvinipulli sowie Helicobacter pullorum auszuschließen.
Diagnose
Anhand histopathologischer Befunde kann eine Verdachtsdiagnose geäußert werde. Die Diagnose wird letztendlich durch den direkten Erregernachweis (entweder mikroskopisch oder kulturell) - in Kombination mit den histopathologischen Befunden - gesichert.
Therapie
Da die enterale Manifestation in der Regel mild verläuft, ist eine antibiotische Therapie meist nicht notwendig. Durch den Einsatz von Antibiotika kann zwar die Anzahl der Campylobacter-infizierten Tieren vorübergehend reduziert werden, eine Erregerelimination ist jedoch nicht möglich.
Prophylaxe
Die Stallungen sind regelmäßig zu reinigen und zu desinfizieren. Parallel dazu sollte eine Anpassung der Hygiene- sowie Schutzmaßnahmen (Kontrolle des Personals u.ä.) erfolgen.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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