Fibrinolytikum
Synonym: Thrombolytikum
Englisch: fibrinolytic agent
Definition
Fibrinolytika sind Medikamente, die im Rahmen der Lysetherapie zur Behandlung von Thrombosen verwendet werden.
Indikation
Indikation einer Lysetherapie sind in der Regel akute und subakute Gefäßverschlüsse, bei denen eine rasche Revaskularisation in Folge potentiell letaler Komplikationen obligat ist.
Hierzu zählen:
- akute und subakute venöse und arterielle Thrombosen
- chronische periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
- akuter Myokardinfarkt (<12 h)
- ischämischer zerebraler Insult
- Lungenembolie
Da sich die Einsatzbereiche der unterschiedlichen Präparate (s.u.) unterscheiden, sollte auf Herstellerhinweise geachtet werden.
Wirkmechanismus
Fibrinolytika sind i.d.R. Enzyme, die durch Aktivierung von Plasminogen zu Plasmin die physiologische Fibrinolyse einleiten. Die Auflösung der thrombusorganisierenden Fibrinnetze führt dann zum Thrombuszerfall (Thrombolyse).
Eine Ausnahme stellt die Streptokinase dar. Das Protein besitzt keine Enzymaktivität und wirkt indirekt fibrinolytisch, indem es einen Aktivator-Komplex mit Plasminogen bildet.
Pharmakokinetik
Fibrinolytika werden hepatisch metabolisiert und renal ausgeschieden. Ihre jeweiligen Halbwertszeiten können untenstehender Tabelle entnommen werden.
Präparate
Entsprechend ihrer Fibrinspezifität werden Fibrinolytika in zwei Generationen eingeteilt:
- Fibrinolytika der 1. Generation: aktivieren frei zirkulierendes (systemisches) und am Thrombus gebundenes (lokales) Plasminogen.
- Fibrinolytika der 2. Generation: aktivieren vorrangig an Fibrin gebundenes Plasminogen. Hierzu zählen u.a. rekombinante Gewebeplasminogenaktivatoren (rtPA), die zur enzymatischen Plasminogenaktivierung eine zusätzliche Bindung an Fibrin benötigen. Ihre Wirkung ist somit lokal auf den Thrombus bezogen.
Bei den Präparaten handelt es sich zumeist um Trockensubstanzen. Die Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten auf dem Markt vertretenen Fibrinolytika und deren Halbwertszeit:
Präparat | Handelsname | Halbwertszeit | Besonderheiten |
---|---|---|---|
1. Generation (lokale und systemische Fibrinolyse) | |||
Streptokinase | Streptase® | 30 min | Gewinnung aus ß-hämolysierenden Streptokokken |
Urokinase | Actosolv®, Urokinase medac® | 16 min | Erstmals im Urin nachgewiesen, Gewinnung aus fetalen Nierenzellkulturen |
Anistreplase | Eminase® | 90-105 min | anisoylierter Plasminogen-Streptokinase-Aktivator-Komplex (APSAC) |
2. Generation (lokale Fibrinolyse) | |||
Reteplase | Rapilysin® | 18 min | |
Alteplase | Actilyse® | 11-14 min | |
Tenecteplase | Metalyse® | 18 min |
Die bereits 1966 im Speichel der Vampirfledermaus (Desmodus rotundus) entdeckte Substanz Desmoteplase (ein hochselektiver Plasminogenaktivator) besitzt in Deutschland keine Zulassung.[1] Der Entwicklungsprozess durch die Firma Lundbeck wurde 2014 unterbrochen.[2]
Applikationsformen
Fibrinolytika können systemisch mittels peripher-venösem Zugang oder lokal über einen zum Thrombus vorgeschobenen Katheter (Katheterlyse) infundiert werden.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Die Hauptkomplikation der Fibrinolytika stellen Blutungen dar. Streptokinase kann als bakterielles Syntheseprodukt allergische Reaktionen hervorrufen und die körpereigene Bildung von Antikörpern induzieren.
Cave: Bei Revaskularisation akuter arterieller Verschlüsse ist ein definiertes Zeitfenster einzuhalten, da die Reperfusion länger unterversorgter Gebiete ein Tourniquet-Syndrom verursachen kann.
Es gelten folgende Zeitvorgaben:
- Systemische Lysen zur Therapie der akuten pAVK und des ischämisch zerebralen Insultes sollten ein Zeitfenster von 3 bis 6 Stunden nicht überschreiten.
- Bei Myokardinfarkt gilt die Empfehlung von 12 Stunden, wobei sich eine Lysetherapie mittels lokaler Katheterapplikation auch später noch als sinnvoll erweisen kann. Hier gilt allerdings die Abwägung zwischen therapeutischem Nutzen und Blutungskomplikation.
Kontraindikationen
Als absolute Kontraindikationen der Lysetherapie gelten:
- Akute Blutungen
- Intrazerebrale Blutungen (ICB)
- V.a. Subarachnoidalblutung (SAB)
- andere aktive, nicht zu kontrollierende/stillende Blutungen
Als relative Kontraindikationen der Lysetherapie gelten:
- Gehirn
- Gastrointestinaltrakt
- Schwere Lebererkrankung
- Ulzerierende Gastritis < 3 Mo
- Ösophagusvarizen
- Schwerer Stroke (NIHSS > 25) bzw. großer Stroke (> 1/3 MCA)
- postischämisch systemische Applikation nach 6 h (s.o.)
- Endokarditis/Perikarditis
- Schwangerschaft
- hämorrhagische Diathese, Thrombozytenzahl < 100.000 μl
- Heparingabe innerhalb der letzten 48 h, erhöhte aPTT
- Hypertonie > 185 mmHg systolisch bzw. > 110 mmHg diastolisch
- Blutzuckerwert < 2,7 bzw. > 22,7 mmol/l
- Vorangegangene tiefe intramuskuläre Injektionen
- Tumoren mit erhöhter Blutungsgefahr
- Akute Pankreatitis
- Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) vor weniger als 10 Tagen
Bei akuter Lebensgefahr und therapeutischer Alternativlosigkeit existieren in der praktischen Umsetzung keine Kontraindikationen.
Antidot
Tranexamsäure oder Aminomethylbenzoesäure können bei Hyperfibrinolyse als Antidot gegeben werden.
Quellen
- ↑ Renneberg & Süßbier: Biotechnologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag, 3. Aufl.
- ↑ Lundbeck discontinues further development of desmoteplase; 2014 profit guidance range narrowed