Gefäßfehlbildung
Synonyme: Gefäßmissbildung, Gefäßmalformation
Definition
Unter einer Gefäßfehlbildung oder Gefäßmissbildung versteht man angeborene oder erworbene Fehlbildungen der Blut- oder Lymphgefäße.
Hintergrund
Gefäßfehlbildungen können einzeln oder multipel auftreten. Meistens sind sie angeboren und zeigen keine Größenprogredienz bzw. wachsen lediglich mit. Ein Pseudowachstum entsteht durch zunehmende Vasodilatation.
Nomenklatur
Die Bezeichnung Hämangiom wird häufig synonym für Gefäßmalformation verwendet. Jedoch ist ein Hämangiom im engeren Sinne eine vaskuläre Neoplasie, die sich i.d.R. kurz nach der Geburt manifestiert, eine Wachstums- und Regressionsphase aufweist und v.a. die Haut befällt. Viele Gefäßmalformationen werden jedoch irreführend als Hämangiom bezeichnet (z.B. zerebrales kavernöses Hämangiom, Leberhämangiom).
Einteilung
...nach Gefäßart
...Ausprägung
- einfach
- kombiniert
- assoziiert mit anderen Anomalien
...nach Durchblutung
- Slow-Flow
- Fast-Flow
...nach Lokalisation
Weiterhin können Gefäßfehlbildungen anhand der Lokalisation unterschieden werden, z.B.:
Klassifikation
Gefäßanomalien werden häufig anhand der ISSVA-Klassifikation eingeteilt in
- Gefäßtumoren: echte Neoplasien
- benigne: z.B. infantiles Hämangiom
- lokal aggressiv oder Borderline: z.B. Kaposi-Sarkom
- maligne: z.B. Angiosarkom
- Vaskuläre Malformationen: Fehlbildung im Rahmen der Gefäßreifung
- einfach
- kombinierte Gefäßmalformationen (mindestens 2 Malformationen in einer Läsion)
- vaskuläre Malformationen benannt nach großen Gefäßen
- vaskuläre Malformationen assoziiert mit anderen Anomalien
Einfache vaskuläre Malformationen
Flussdynamik | Gefäßkomponente |
---|---|
Slow-Flow (94 %) |
Kapilläre Malformation (9 %) |
Fast-Flow (6 %) |
Kapilläre Malformationen
Kutane bzw. mukosale kapilläre Malformationen (CM) werden häufig auch als Feuermal, Naevus flammeus oder Portwein-Naevus bezeichnet. Sie sind seit Geburt bestehende Gefäßfehlbildungen, die auf einer dysplastischen Erweiterung von Kapillaren in der Dermis beruhen. Sie manifestieren sich als scharf begrenzte, fleckige oder flächenartige, meist im Hautniveau gelegene, hell- bis dunkelrote, z.T. bläuliche Flecken der Haut. Sie persistieren lebenslang und sind gelegentlich mit einer isolierten Hypertrophie der betroffenen Körperregion oder Extremität (CM-Hemihyperplasie-Syndrom) bzw. des darunterliegenden Weichteilgewebes assoziiert.
Kapilläre Malformationen im engeren Sinne müssen abgegrenzt werden vom Naevus simplex (Storchenbiss, Engelskuss), der Cutis marmorata teleangiectatica congenita sowie von teleangiektatischen kapillären Malformationen.
Kapilläre Malformationen werden nach ISSVA wie folgt eingeteilt:
- Naevus simplex (Storchenbiss, Engelskuss)
- kutane und/oder mukosale CM (Feuermal, Portweinfleck)
- nicht-syndromale CM
- CM mit Überwuchs von Knochen und/oder Weichteilgewebe (CM-Hemihyperplasie-Syndrom)
- CM mit ZNS- und/oder okulären Anomalien (Sturge-Weber-Syndrom)
- diffuse CM mit Überwuchs (DCMO)
- retikuläre CM
- mit Mikrozephalie (MIC-CAP)
- mit Megalenzephalie und Polymicrogyrie (MCAP)
- zusammen mit arteriovenöser Malformation (bei CM-AVM)
- Cutis marmorata teleangiectatica congenita (CMTC)
- Teleangiektasien: z.B. hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (HHT)
- Andere
Lymphatische Malformation
Lymphatische Malformationen (LM) bestehen aus dysplastischen Lymphgefäßen und können z.T. zystische Raumfoderungen bilden. Sie manifestieren sich v.a. im Säuglings- und Kleinkindesalter als hautfarbene, weiche Schwellung. Prädilektionsstelle ist die Kopf-Hals-Region (67 %).
Beim Gorham-Sout-Syndrom ersetzt das Lymphgewebe das Knochengewebe. Bei der generalisierten lymphatischen Anomalie sind die Knochen ebenfalls betroffen, wenn auch nicht in gleichem Ausmaß. Bei der sogenannten Central Conducting Lymphatic Anomaly liegt eine Hypo- oder Aplasie von zentralen Lymphgefäßen vor, sodass es zu Beinödemen, exsudativer Enteropathie und serösen Ergüssen kommt.
Man unterscheidet zwischen folgenden Formen
- zystische LM: makrozystisch, mikrozystisch, gemischt
- generalisierte lymphatische Anomalie (GLA): incl. kaposiforme Lymphangiomatose (KLA)
- LM bei Gorham-Stout-Syndrom
- tubuläre/kanalikuläre LM, Central Conducting Lymphatic Anomaly (CCLA)
- Acquired progressive lymphangioma (progressives Lymphangiom)
- primäres Lymphödem
- Andere
Venöse Malformationen
Venöse Malformationen sind angeborene Gefäßfehlbildungen mit unreifen, venösen Gefäßanlagen in Form eines schwammartigen oder tubulären Geflechts. Sie manifestieren sich z.B. durch bläulich durch die Haut durchschimmernde Läsionen, können jedoch auch in Organen auftreten. Sie durchziehen oft zahlreiche Gewebeschichten und führen zu variablen Symptomen. Aufgrund von rezidivierenden Thrombophlebitiden kommt es oft zu Schmerzen und funktionellen Einschränkungen.
Venöse Malformationen (VM) werden wie folgt unterteilt:
- (common) venöse Malformation
- familiäre mukokutane VM (VMCM)
- Blue-rubber-bleb-naevus-Syndrom (Bean-Syndrom)
- Glomuvenöse Malformation (GVM)
- Zerebrale kavernöse Malformation (CCM)
- familiäre intraossäre vaskuläre Malformation (VMOS)
- verruköse venöse Malformation (verruköses Hämangiom)
- Andere
Arteriovenöse Malformationen
Arteriovenöse Malformationen (AVM) bestehen aus einem fehlgebildeten Gefäßareal in Form von multiplen netzartigen arteriovenösen Shunts ("Nidus"). Man unterscheidet zwischen:
- sporadischer AVM
- AVM bei hereditärer hämorrhagischer Teleangiektasie (HHT)
- AVM mit kapillärer Malformation (CM-AVM)
- anderen Formen
Arteriovenöse Fistel
Arteriovenöse Fisteln (AVF) bestehen aus einer direkten arteriovenösen Shuntverbindung und stellen somit die einfachste Form einer AVM dar. Sie werden weiter differenziert in:
- sporadische AVF
- AVF bei HHT
- AVF bei CM-AVM
- andere Formen
Kombinierte vaskuläre Malformationen
- CM + VM (CVM): Kapillär-venöse Malformation
- CM + LM (CLM): Kapillär-lymphatische Malformation
- CM + AVM (CAVM):Kapillär-arteriovenöse Malformation
- LM + VM (LVM): Lymphatisch-venöse Malformation
- CM + LM + VM (CLVM): Kapillär-lymphatisch-venöse Malformation
- CM + LM + AVM (CLAVM): Kapillär-lymphatische-arteriovenöse Malformation
- CM + VM + AVM (CVAVM): Kapillär-venöse-arteriovenöse Malformation
- CM + LM + VM + AVM (CLVAVM): Kapillär-lymphatisch-venöse-arteriovenöse Malformation
Vaskuläre Malformationen benannt nach großen Gefäßen
Unter den Begriff "vaskuläre Malformationen benannt nach großen Gefäßen" werden in der ISSVA-Klassifikation Fehlbildungen von Gefäßen zusammengefasst, die bereits weitgehend ausgereift und oftmals tubulär vergrößert sind. Ein Beispiel ist die Marginalvene beim Klippel-Trénaunay-Syndrom.
Vaskuläre Malformationen assoziiert mit anderen Anomalien
- Klippel-Trénaunay-Syndrom: CM + VM +/- LM + Extremitätengroßwuchs
- Parkes-Weber-Syndrom: CM + AVF + Extremitätengroßwuchs
- Servelle-Martorell-Syndrom: VM Extremität + Knochen + Extremitätenkleinwuchs
- Sturge-Weber-Syndrom: faziale + leptomeningeale CM, okuläre Anomalie +/- Großwuchs von Knochen- oder Weichteilgewebe
- CM-Hemihyperplasie-Syndrom (DCMI): CM Extremität + kongenitaler nicht progressiver Extremitätengroßwuchs
- Maffucci-Syndrom: VM +/- Spindelzellhämangiom + Enchondrom
- MIC-CAP: CM + Mikrozephalie
- MCAP: Megalenzephalie + Polymikrogyrie
- CLOVES-Syndrom: LM + VM + CM +/- AVM + ossäre + Gewebehyperplasie
- Proteus-Syndrom: CM + VM und/oder LM + asymmetrischer, progredienter somatischer Großwuchs
- Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom: AVM + VM + Makrozephalie + Fettgewebshyperplasie
- CLAPO-Syndrom: CM + LM + Asymmetrie Gesicht und Extremitäten + Überwuchs
Unklassifizierbare vaskuläre Anomalien
- intramuskuläres Hämangiom
- Angiokeratom
- sinusoidales Hämangiom
- akraler arteriovenöser Tumor
- Multifokale Lymphangioendotheliomatose-Thrombozytopenie-Syndrom (MLT)
- PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom
- Fibro-adipöse-vaskuläre-Anomalie (FAVA)
Literatur
- Compendium Gefäßanomalien, abgerufen am 11.09.2020
- ISSVA-Klassifikation, abgerufen. am 11.09.2020