Cabotegravir
Handelsname: Vocabrio®
Synonym: GSK1265744
Englisch: cabotegravir
Definition
Cabotegravir ist ein HIV-Integrase-Inhibitor, der zur Therapie einer HI-Virus-Infektion und zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) eingesetzt werden kann. Er wurde im Dezember 2020 als erstes HIV-Medikament zur Injektion zugelassen.
Chemie
Cabotegravir ist, ähnlich wie die anderen Integraseinhibitoren Bictegravir und Dolutegravir, ein zyklisches Carbamoyl-Pyridon. Die Summenformel lautet C19H17F2N3O5; die molare Masse beträgt 405,4 g/mol.[1]
Wirkmechanismus
Die Integrase ist ein Enzym, das virales Erbgut in die menschliche DNA einschleust. Die Integration viraler DNA in das menschliche Erbgut ist ein wichtiger Schritt im Replikationszyklus der Retroviren, da auf diese Weise die Wirtszellen umprogrammiert werden und virale Proteine produzieren.
Cabotegravir bindet an das aktive Zentrum der Integrase und blockiert damit den Strangtransfer der viralen DNA in das Chromatin der Wirtszelle. Daher wird Cabotegravir auch als Integrase-Strangtransfer-Inhibitor (INSTI) bezeichnet.
Pharmakokinetik
Cabotegravir weist nach intramuskulärer Injektion eine Flip-Flop-Kinetik auf. Bei einmaliger Injektion wird der Zeitpunkt der maximalen Plasmakonzentration nach sieben Tagen und der Steady State nach 44 Wochen erreicht. Die Plasmaproteinbindung beträgt > 99%. Das Verteilungsvolumen nach oraler Gabe liegt bei 12,3 Liter.
Die Biotransformation erfolgt hauptsächlich durch die Glucuronosyltransferase UGT1A1. Die biologische Halbwertszeit nach Injektion liegt zwischen 5,6 bis 11,5 Wochen.[2]
Indikationen
- In Kombination mit dem nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor Rilpivirin zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit einer HIV-1-Infektion und
- stabiler virologischer Supprimierung (Viruslast < 50 Kopien/ml) unter antiretroviraler Kombinationstherapie
- ohne bekannte Resistenzen oder Therapieversagen gegenüber NNRTI oder INSTI
- In Kombination mit Emtricitabin und Tenofovir zur Präexpositionsprophylaxe
Darreichungsformen und Dosierung
Cabotegravir ist als Filmtablette und Injektionslösung erhältlich. Die Injektion erfolgt intramuskulär in die Glutealmuskeln.
Kombinationstherapie mit Rilpivirin
- Orale Einleitungsphase: Der Patient wird oral mit 30 mg Cabotegravir und 25 mg Rilpivirin für 28 Tage behandelt wird. Diese Phase dient dazu, eine eventuell vorhandene Unverträglichkeit gegenüber dem Wirkstoff zu ermitteln.
- Initiierungsphase: Wurde die Therapie gut vertragen, kann auf die parenterale Gabe gewechselt werden: bei der ersten Gabe werden 600 mg Cabotegravir und 900 mg Rilpivirin intramuskulär verabreicht.
- Erhaltungsphase: Danach erfolgt die monatliche Injektion von 400 mg Cabotegravir und 600 mg Rilpivirin. Alternativ können alle zwei Monate 600 mg Cabotegravir und 900 mg Rilpivirin verabreicht werden.
Wird eine Injektion um mehr als sieben Tage verschoben, kann die oben genannte orale Therapie zur Überbrückung bis zur nächsten Injektion angewandt werden. Ist eine orale antiretrovirale Therapie für länger als zwei Monate gewünscht, sollte auf andere Wirkstoffe zurückgegriffen werden.[2]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Folgende Nebenwirkungen sind bekannt und treten häufig bis sehr häufig auf:[2]
- Lebertoxizität (regelmäßige Kontrolle der Leberwerte empfohlen)
- Immunrekonstitutionssyndrom
- lokale Reaktionen an der Einstichstelle
- Kopfschmerz, Schwindel, Müdigkeit
- Fieber
- Übelkeit, Erbrechen, Abdominalschmerz, Diarrhö
- Myalgie
- Gewichtszunahme
- Depression, Angst, Schlafstörungen
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bekannt[2]:
- Inhibitoren und Induktoren von UGT1A1 und UGT1A9
- CYP3A4-Induktoren (z.B. Rifampicin, Carbamazepin) erniedrigen die Carbotegravir-Plasmaspiegel. Dies ist jedoch nur bei der oralen und nicht der parenteralen Verabreichung des Medikaments von Bedeutung.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- gleichzeitige Therapie mit Rifampicin, Rifapentin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin oder Phenobarbital[2]
- HBV-/HCV-Konfektion
Klinische Studien
Cabotegravir wird - wie bei der Behandlung einer HIV-Infektion üblich - immer in Kombination mit anderen antiretroviralen Medikamenten verabreicht. Häufig wird hierfür der nicht-nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitor Rilpivirin verwendet. Für diese Kombination wurde eine langwirksame Zubereitung entwickelt, welche die Viruslast nachweislich senkt.[3] Diese Kombination könnte für die Postexpositionsprophylaxe genutzt werden; für die Beurteilung der Effektivität sind Phase-III-Studien geplant.[4]
Bereits durchgeführte Studien zeigten eine positive Wirksamkeit und Patientenzufriedenheit. Als Nebenwirkungen traten Fieber, Juckreiz und Schmerzen an der Injektionsstelle sowie Neutropenien auf.[5] Mehrere Phase-III-Studien zeigten, dass die Kombination aus Cabotegravir und Rilpivirin der herkömmlichen Therapie nicht unterlegen ist.[6][7]
Weblinks
- Cabotegravir clinicaltrials.gov, abgerufen am 16.01.2020
Quellen
- ↑ Cabotegravir in der pubchem-Datenbank, aufgerufen am 13.01.2020
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Fachinformation Vocabria 400mg/600mg Depot-Injektionslösung, abgerufen am 02.07.2021
- ↑ Letendre SL et al. Pharmacokinetics and antiviral activity of cabotegravir and rilpivirine in cerebrospinal fluid following Long-acting injectable Administration in HIV-infected adults, Journal of antimicrobial chemotherapy, Dec. 2019, abgerufen am 13.01.2020
- ↑ Clement ME et al. Long-acting injectable cabotegravir for the prevention of HIV infection, Current opinion in HIV and AIDS, Jan. 2020, abgerufen am 13.01.2020
- ↑ Murray MI et al. Satisfaction and acceptability of cabotegravir Long-acting injectable Suspension for prevention of HIV: Patient perspectives from the ECLAIR Trial, HIV Clin Trials, Aug 2018; abgerufen am 13.01.2020
- ↑ Cabotegravir + Rilpivirin bei HIV, arznei-news.de, August 2019; abgerufen am 13.01.2020
- ↑ Margolis DA et al. Long-acting intramuscular cabotegravir and rilpivirine in adults with HIV-1 infection (LATTE-2): 96-week results of a randomised, open-label, phase 2b, non-inferiority trial, Lancet. 2017 Sep 23;390(10101):1499-1510, abgerufen am 16.01.2020