Acetylcystein
Handelsnamen: Fluimucil®, ACC®, Acemuc®, Acetyst® u.a.
Synonyme: N-Acetylcystein, NAC, Mercaptursäure (obsolet)
Englisch: acetylcysteine
Definition
Acetylcystein ist ein antioxidativer, schleimlösender Wirkstoff, der v.a. in der Behandlung von Atemwegserkrankungen mit zäher Sekretbildung, sowie bei der Paracetamolvergiftung eingesetzt wird.
Chemie
Acetylcystein hat die Summenformel C5H9NO3S und eine molare Masse von 163,20 g·mol−1. Weiterhin ist es bekannt für seinen schwefeligen Geruch, der an den fauler Eier erinnert.
Wirkmechanismus
... als Expektorans
Acetylcystein gehört grundsätzlich zur Gruppe der Expektorantien, deren Funktion es ist, bei diversen Atemwegserkrankungen (z.B. Bronchitis, COPD, Mukoviszidose), die mit bronchialer Schleimbildung einhergehen, die Schleimlösung durch Verflüssigung zu fördern.
Während einer Atemwegserkrankung entsteht in den Bronchien eines Menschen Sekret, das vor allem aus Mucopolysacchariden aufgebaut ist. Die Moleküle werden durch Disulfidbrücken zusammengehalten. Acetylcystein besitzt die Fähigkeit, diese Bindungen zu spalten und somit eine Sekretolyse einzuleiten. Der zuvor zähe, schwer lösliche Schleim wird flüssig und kann somit leichter abgehustet werden.
... als Antidot
Außerdem wird Acetylcystein bei Paracetamolvergiftungen eingesetzt. Sie können bereits ab einer Einnahmemenge von 6 Gramm Paracetamol auftreten. Am effektivsten ist die Gabe von Acetylcystein, wenn sie innerhalb von 8 Stunden nach Paracetamolaufnahme begonnen wird.
Beim Abbau von Paracetamol in der Leber entstehen lebertoxische Stoffe (Chinonimin-Metabolite), die in der Biotransformation mithilfe von Glutathion neutralisiert werden können. Für die Zusammensetzung von Glutathion wird u.a. Cystein benötigt, das aus Acetylcystein gewonnen werden kann. Somit können durch eine solche Überdosierung entstehende Leberschäden minimiert oder gar verhindert werden.
Acetylcystein selbst ist ebenfalls antioxidativ und kann als Radikalfänger fungieren.
Pharmakokinetik
Acetylcystein weist einen hohen First-Pass-Effekt auf, es erreichen somit nur etwa 10 % des Wirkstoffes unverändert den Kreislauf. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 1 Stunde.
Während der Metabolisierung in der Leber entstehen neben dem aktiven Metaboliten Cystein ebenfalls Diacetylcystin, Cystin und gemischte Disulfide.
Indikationen
- Atemwegserkrankungen mit zäher Sekretbildung
- Husten
- akute oder chronische Bronchitis
- Laryngitis
- Rhinosinusitis
- Tracheitis
- Mukoviszidose (Zusatzbehandlung)
- Als Antidot bei:[1]
- Paracetamolintoxikation: Bereitstellung von SH-Gruppen für die Regeneration von Glutathion
- Acrylnitrilvergiftung
- Methacrylnitrilvergiftung
- Methylbromidvergiftung
- Prophylaxe der kontrastmittelinduzierten Nephropathie bei vorbestehender Niereninsuffizienz[2]
Darreichungsform
Acetylcystein wird meist oral (p.o.) in Form von Brausetabletten, Lutschtabletten, Lingualtabletten, Pulvern, Granulaten, Kapseln oder Sirup verabreicht. Darüber hinaus sind Injektionslösungen, Ampullen für Aerosolgeräte und Nasensprays erhältlich.
Dosierung
Zur Schleimlösung werden folgende Dosierung empfohlen:
- Erwachsene: 400-600 mg/d, verteilt auf 2-3 Einzeldosen
- Kinder und Jugendliche von 6 bis 14 Jahren: Tagesdosis von 400 mg, verteilt auf 2 Einzeldosen
- Kinder von 2 bis 5 Jahren: 200-300 mg/d, verteilt auf 2-3 Einzeldosen
Die Antidot-Behandlung bei Vergiftungen erstreckt sich nach dem Prescott-Schema über einen Zeitraum von 21 Stunden, innerhalb dessen eine Gesamtdosis von 300 mg/kgKG intravenös verabreicht wird. Die Hälfte der Gesamtdosis (150 mg/kg Körpergewicht) wird als Initialdosis innerhalb der ersten 60 Minuten der Behandlung gegeben.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Wechselwirkungen
Bei gleichzeitiger Einnahme mit Antibiotika wie Penicillin, Tetracyclin, Cephalosporinen oder Aminoglykosiden ist auf eine zeitverschobene Einnahme von mindestens 2 Stunden zu achten, da Acetylcystein diese Substanzen inaktivieren kann.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile
- Kinder unter 2 Jahren
Besondere Vorsicht ist angeraten bei:
- erhöhtem Risiko für gastrointestinale Blutungen
- Asthma bronchiale oder hyperreaktivem Bronchialsystem
- arterieller Hypertonie
Weitere Angaben finden sich in der Fachinformation.
Zulassung
Das Original Fluimucil® wurde erstmals 1966 in der Schweiz zugelassen.
Störfaktor
Bei der hoch dosierten Gabe als Antidot kann Acetylcystein als Störfaktor bei bestimmten Laboruntersuchungen wirken, bei denen die Trinder-Reaktion eingesetzt wird. Bekannt ist, dass Kreatinin, Cholesterin, Harnsäure, Laktat und Lipase zu niedrig bestimmt werden können.