Hashimoto-Enzephalopathie
Synonyme: Hashimoto-Enzephalitis, Steroid-responsive Enzephalopathie bei Autoimmunthyroiditis (SREAT)
Englisch: Hashimoto's encephalopathy, steroid-responsive encephalopathy associated with autoimmune thyroiditis (SREAT)
Definition
Als Hashimoto-Enzephalopathie, kurz HE, bezeichnet man eine vermutlich autoimmunbedingte Enzephalopathie, die bei Vorliegen von schilddrüsenspezifischen Autoantikörpern in Begleitung einer Hashimoto-Thyreoiditis auftreten kann.
Epidemiologie
Die Prävalenz wird auf ca. 2/100.000 geschätzt. Sie betrifft viermal häufiger Frauen und tritt primär in der 5. bis 6. Lebensdekade auf, wobei ein Fünftel aller Fälle Kinder sind.
Ätiopathogenese
Die Ursache des Hashimoto-Enzephalopathie ist derzeit (2020) unklar. Der kausale Zusammenhang zwischen der HE und der Hashimoto-Thyreoiditis bzw. den schilddrüsenspezifischen Autoantikörpern ist umstritten. Denkbar ist auch die Koinzidenz einer Autoimmunenzephalitis und der häufigen Schilddrüsen-Autoimmunerkrankung.
Neben TPO- und Tg-Antikörpern zeigen einige Patienten auch Autoantikörper gegen α-Enolase. Des Weiteren kann eine Hashimoto-Enzephalopathie mit erhöhten intrathekalen oder Serum-IgG4-Spiegeln assoziiert sein. Pathophysiologisch werden eine autoimmune Vaskulitis des ZNS mit/ohne Immunkomplexablagerungen, eine Autoimmunreaktion auf von der Schilddrüse und dem ZNS geteilten Antigenen oder die toxische Wirkung von Thyreoliberin (TRH) im ZNS diskutiert.
Klinik
Klinisch imponiert die Hashimoto-Enzephalopathie als rezidivierende oder progressive, subakut oder akut auftretende Erkrankung. In Abhängigkeit des Schweregrades zeigen sich folgende Symptome:
- kognitive Defizite, Verwirrtheit, Amnesien, andere psychiatrische Symptome (36–47 %)
- Bewusstseinsstörungen: transiente Somnolenz bis hin zum Koma (48 %)
- epileptische Anfälle bis hin zum Status epilepticus (53–66 %)
- fokal-neurologische Defizite (27 %)
- Myoklonien (38–41 %)
- Ataxien (41 %)
Psychiatrische Symptome sind häufige Erstmanifestationen, insbesondere akute Psychosen, formale Denkstörungen, sozialer Rückzug und Depression, visuelle und auditive Halluzinationen, Wahn sowie fortschreitende Demenz.
Eine Hypothyreose kann vorliegen, die meisten Patienten mit einer Hashimoto-Enzephalopathie sind jedoch euthyreot und sehr selten hyperthyreot.
Diagnostik
Bei passender Klinik und obligatem Vorliegen von TPO- und/oder Tg-Antikörpern im Serum und Liquor kann eine Hashimoto-Enzephalopathie diagnostiziert werden. Charakteristischerweise finden sich in jeweils 80 % d.F. eine leichte bis mittelschwere Proteinerhöhung im Liquor (ohne Pleozytose) sowie eine diffuse Verlangsamung ohne epileptische Aktivität im EEG, deren Ausprägung mit dem klinischen Bild korreliert. Weitere EEG-Befunde umfassen triphasic waves und frontale intermittierende rhythmische Delta-Aktivitäten (FIRDA).
In der kranialen MRT finden sich oft unspezifische fokale und konfluierende hyperintense Bezirke in der weißen Substanz. In der SPECT zeigt sich eine globale oder fokale Hypoperfusion, im 18FFDG-PET ein Hypometabolismus.
Diagnosekriterien
Bei der HE handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Zur Diagnosestellung wurden folgende Kriterien vorgeschlagen:[1]
- Enzephalopathie, die durch kognitive Beeinträchtigung und mindestens eines der folgenden Merkmale gekennzeichnet ist:
- TPO-Antikörper im Serum
- Eu- oder leichte Hypothyreose (TSH basal 20,0 mIU/l), die keine Enzephalopathie darstellen würde
- keine Hinweise für Infektion, toxische, metabolische oder neoplastische Prozesse in Blut-, Urin- oder Liquoranalyse
- kein serologischer Nachweis derzeit diagnostizierbarer neuronaler bzw. paraneoplastischer Autoantikörper, die für eine andere Diagnose sprechen würden
- keine Auffälligkeiten in bildgebenden Untersuchungen, die vaskuläre, neoplastische oder andere strukturelle Läsionen aufweisen, die erklärend für eine Enzephalopathie wären
- vollständige oder fast vollständige Rückkehr zum neurologischen Ausgangszustand des Patienten nach Glukokortikoidbehandlung
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch müssen andere Autoimmunenzephalopathien, insbesondere eine idiopathische oder paraneoplastische limbische Enzephalitis erwogen werden. Hierbei zeigen sich z.B. Anti-VGKC-, Anti-NMDA- oder Anti-Hu-Antikörper.
Therapie
Die Hashimoto-Enzephalopathie wird symptomatisch mit Hilfe von Glukokortikoiden behandelt:
- Methylprednisolon in einer Dosis von 500-1.000 mg/d intravenös für ca. 5 Tage oder
- Prednisolon 1-2 mg/kgKG/d per os als isolierte Therapie oder nach intravenöser Therapie mit schrittweiser Dosisreduktion und Erhaltungstherapie für 1-2 Jahre.
Zur Zweitlinientherapien stehen Azathioprin, Methotrexat, Rituximab, Mycophenolat und IVIG zur Verfügung. Auch eine Plasmapherese kann erwogen werden.
Prognose
In 75-90 % d.F. kommt es zur Vollremission, letale Verläufe sowie bleibende neurologische Residuen sind jedoch möglich.
Quellen
- ↑ Castillo P et al. Steroid-responsive Encephalopathy Associated With Autoimmune Thyroiditis, Arch Neurol. 2006, Feb; 63(2):197-202, abgerufen am 24.04.2020
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