Intravenöse Immunglobuline
Synonyme: IVIG, Standardimmunglobuline
Definition
Intravenöse Immunglobuline, kurz IVIG, sind Konzentrate homologer (menschlicher) IgG-Antikörper. Sie sind eine Form der passiven Immunisierung und sind zur Substitutionsbehandlung bei verschiedenen angeborenen oder erworbenen Störungen der Antikörperbildung zugelassen.
Abgrenzung
Neben der intravenösen Gabe von Immunglobulinen ist auch die subkutane oder intramuskuläre Verabreichung von IgG möglich. Bei diesen Produkten spricht man entsprechend von subkutanen Immunglobulinen (SCIG) bzw. intramuskulären Immunglobulinen (IMIG).
Herstellung
Intravenöse Immunglobuline werden aus gepoolten Blutplasmaspenden von mehreren tausend Spendern gewonnen. Sie bestehen zu 95 % aus IgG-Antikörpern, die aufgrund des Herstellungsprozesses polyklonal und polyvalent sind. In geringen Mengen sind auch IgA, IgE und IgM enthalten. Daneben gibt es spezielle IgM-angereicherte Immunglobuline mit einem Anteil von mehr als 10 % IgM.
IVIG werden durch Zugabe von Hilfsstoffen stabilisiert, z.B. durch Sorbit oder Sucrose. Die Produkte sind chargendokumentationspflichtige Plasmaderivate.
Pharmakokinetik
Die Wirkungsdauer ist von der Halbwertszeit der IgGs (ca. 23 Tage) abhängig, nur durch regelmäßige Applikation kann ein bestimmter (protektiver) Talspiegel überschritten werden.
Indikationen
- Bei Patienten mit hereditärer (Bruton-Syndrom, SCID, CVID, Hyper-IgM-Syndrom) oder sekundärer (chronische lymphatische Leukämie, neonatale HIV-Infektion) Immundefizienz dienen intravenöse Immunglobuline der Antikörpersubstitution. Damit erwirbt der Patient humorale Immunität gegen alle Antigene, gegen die auch ein Großteil der Spender einen ausreichenden Antikörper-Titer aufweist. Dies umfasst Erreger, mit denen sich die Spender regelhaft infizieren (z.B. Scharlach), gegen die ein hoher Impfschutz besteht (z.B. Hepatitis B) und alle alltäglichen Erreger.
- Bei vielen Autoimmunerkrankungen (Immunthrombozytopenie, Kawasaki-Syndrom, PIMS, Graft-versus-Host-Reaktion von allogenen Stammzelltransplantaten, Lyell-Syndrom, Guillain-Barré-Syndrom etc.) haben intravenöse Immunglobuline eine nachgewiesene Wirkung und Zulassung, der Wirkmechanismus ist jedoch ungeklärt.
Risiken
Das Infektionsrisiko durch intravenöse Immunglobuline ist durch das konsequente Spenderscreening, Quarantänelagerung und mehrstufige Virusinaktivierungsverfahren als sehr gering einzustufen.[1] Ein theoretisches Risiko stellt die Übertragung von Prionen dar.
Bei einem autoimmun-bedingten IgA-Mangel können die Autoantikörpern des Empfängers mit den IgA-Molekülen der Spender präzipitieren (Gefahr eines anaphylaktischen Schocks). Ein IgA-Mangel sollte daher vor Gabe von IVIG ausgeschlossen werden.
Weitere, seltene Risiken sind:
- akute Niereninsuffizienz (v.a. Sucrose-stabilisierte IVIG)
- aseptische Meningitis
- reversible Enzephalopathie
- Hautreaktionen
- vaskuläre Ereignisse durch erhöhte Viskosität (Embolie)
Probleme
- Durch einen Preis von ungefähr 60-70 € pro Gramm und eine durchschnittliche Applikation von 500 mg/kg Körpergewicht ist die Behandlung mit intravenösen Immunglobuline sehr teuer. Die jährlichen Behandlungskosten sind abhängig von der Indikation. Bei Patienten mit primärem Antikörpermangel können sie zwischen 20.000 und 25.000 Euro pro Jahr betragen.[2]
- Durch zunehmenden Off-label-Use, vor allem in der Hämatologie und Neurologie (z.B. gegen aplastische Anämie, posttransfusionelle Purpura, multiple Sklerose, systemischen Lupus erythematodes, multifokale motorische Neuropathie) sowie beim habituellen Abort kann es zur Verknappung kommen.[3]
Quellen
- ↑ Anforderungen an die Qualität von Immunglobulin-Präparaten
- ↑ Beauté J et al.: Economic evaluation of immunoglobulin replacement in patients with primary antibody deficiencies, Clinical and experimental immunology, 2010
- ↑ Immunglobuline: Indikation genau stellen, Deutsches Ärzteblatt 2007
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