Intestinales Proteinverlust-Syndrom (Hund)
Synonym: Intestinales Eiweißverlust-Syndrom, intestinale Lymphangiektasie
Englisch: protein losing enteropathy, PLE
Definition
Unter dem intestinalen Proteinverlust-Syndrom des Hundes, kurz PLE, versteht man einen exzessiven Proteinverlust ins Darmlumen, der bei chronischen Enteropathien unterschiedlicher Ätiologie und Lokalisation auftritt.
Ätiologie
An der Entstehung von Lymphangiektasien im Dünndarm können primäre (angeborene) oder sekundäre (erworbene) Ursachen beteiligt sein.
Neben Neoplasien (z.B. Darmlymphosarkomen) führen Erkrankungen, die mit einem Pfortaderhochdruck einhergehen (z.B. schwere Rechtsherzinsuffizienz oder chronische Lebererkrankungen), zu einer Behinderung des Lymphabflusses aus dem Darm. Davon abzugrenzen sind idiopathische intestinale Proteinverlust-Syndrome bestimmter Hunderassen wie z.B. glatthaariger Wheaten- und Yorkshire Terrier, Basenjis und Lundehunden.
Pathogenese
Aufgrund unterschiedlicher entzündlicher Prozesse, wie z.B. perilymphatischer Zellinfiltrate bei chronischen Enteropathien oder infiltrativer Lymphadenopathien der Darmlymphknoten, kommt es zu einer deutlichen Behinderung der Lymphdrainage im Darmtrakt. Infolgedessen entwickelt sich ein Lymphrückstau in die Darmschleimhaut, der zur Bildung von Lymphangiektasien und zur verminderten Absorption von Flüssigkeit, Fetten und Proteinen aus dem Darmlumen führt. Gleichzeitig wird der Abstransport von Proteinen, Chylomikronen und Lymphozyten beeinträchtigt, sodass der Krankheitsprozess verschlimmert wird.
Die dilatierten Lymphgefäße in den Darmzotten weisen zusätzlich eine erhöhte Gefäßwandpermeabilität auf und neigen zur Spontanruptur. Mit der austretenden Lymphe gelangen Proteine, Lymphozyten und Chylomikronen ins Darmlumen, sodass es zu einer Verstärkung der bereits bestehenden Protein- und Fettmalabsorption kommt. Da dabei sowohl Albumine als auch Globuline verloren gehen, entwickelt sich eine Panhypoproteinämie. Der Albuminverlust wird dabei anfänglich durch eine gesteigerte Albuminsynthese in der Leber ausgeglichen, sodass es erst zeitlich versetzt zum Absinken des Albumins im Serum kommt.
Klinik
Die Klinik ist abhängig vom Schweregrad, der Krankheitsdauer, der Ausdehnung (abschnittsweise oder über die gesamte Darmlänge) und der Ursache der Lymphangiektasie sowie den damit einhergehenden Komplikationen.
Rund 50 % der betroffenen Hunde sind anorektisch und apathisch. Bei 90 % stellt sich ein chronischer oder intermittierender wässriger Durchfall ein und aufgrund des intestinalen Proteinverlust leiden ca. 75 % aller Hunde an Abmagerung. Durch das teils drastische Absinken des Serumalbumins auf Werte von < 15 g/l kommt es zur Ausbildung von Kehlgangs- und Unterbauchödemen, Aszites (ca. bei jedem fünften Patienten) und/oder Hydrothorax. Bei massivem Albuminverlust steigt das Thromboserisiko (> 350.000/µl), das nicht zwingend mit einem Verlust von Antithrombin einhergehen muss.
Bei rund 80 % der an PLE erkrankten Hunde erscheint die Darmschleimhaut endoskopisch verändert. Typisch ist eine hochgradige Villusdilatation oder eine reiskornartig veränderte Schleimhautoberfläche sowie eine verstärkt granulär wirkende Mukosa.
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind andere Ursachen für enterale Proteinverluste auszuschließen. In Frage kommen u.a. Schleimhauterosionen oder Blutverluste (z.B. bei Ancylostomatidose oder Neoplasien). Weitere Differenzialdiagnosen sind eine sekundäre Malabsorption im Rahmen einer chronischen Entzündung oder einer Dünndarmdysbakterie (Antibiotika-responsive Diarrhö).
Gleichzeitig müssen auch extraintestinale Ursachen der Hypoalbuminämie wie nephrogene Eiweißverluste (Glomerulonephritis) oder eine herabgesetzte hepatische Albuminproduktion bei schweren chronischen Hepatopathien in Betracht gezogen werden. Zu den seltenen Differenzialdiagnosen zählen chylöse Ergüsse.
Diagnose
Die Diagnosestellung erfolgt mehrstufig unter Ausschluss wichtiger Differenzialdiagnosen.
Eine Panhypoproteinämie bei gleichzeitig vorliegender Diarrhö ist hochverdächtig für ein intestinales Proteinverlust-Syndrom. Um einen möglichen Verlust über die Nieren ausschließen zu können, ist unbedingt ein Harnstatus (Urin-Protein-Kreatinin-Verhältnis) durchzuführen. Gleichzeitig muss eine Leberinsuffizienz abgeklärt werden. Die PLE ist weiterhin von einer IBD sowie ARD abzugrenzen. Bei diesen Krankheiten können zwar ebenfalls Proteine über den Darmtrakt verloren gehen, jedoch treten periphere Ödem und Aszites nur äußerst selten auf.
Eine Diagnosesicherung erfolgt mittels endoskopisch entnommener Bioptate und anschließender pathohistologischer Befundung (Lymphangiektasien, entzündliche Infiltrate in der Mukosa, dilatierte Krypten u.ä.). Die flüssigkeitsgefüllten Körperhöhlen sind mittels Thorakozentese bzw. Abdominozentese zu punktieren und zu beurteilen (hauptsächlich Transsudate).
Therapie
Bei sekundär entstandenen Lymphangiektasien ist die Grunderkrankung (z.B. Rechtsherzinsuffizienz) zu behandeln.
Bei IBD sowie anderen enteral bedingten Lymphangiektasien kommt Prednisolon (1 mg/kgKG 2x täglich p.o. für 6 Wochen und anschließend Ausschleichen) zum Einsatz. Glukokortikoid-resistente Fälle können versuchsweise mit Ciclosporin behandelt werden. Alternativ zeigt Chlorambucil (4 bis 6 mg/m2/Tag p.o. für 7 bis 21 Tage) einen guten Effekt.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Bei einer schwerwiegenden Hypoproteinämie ist eine Plasmatransfusion indiziert.
Prognose
Die Prognose ist vorsichtig und hängt wesentlich davon ab, ob die verantwortliche Grunderkrankung behandelt werden kann.
Literatur
- Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2017. Praktikum der Hundeklinik. 12., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-219961-3