Hydroxychloroquin
Handelsnamen: Quensyl®, Plaquenil®
Synonyme: HCQ, Hydroxychloroquinsulfat u.a.
Englisch: hydroxychloroquine
Definition
Hydroxychloroquin ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Antiprotozoika. Es wird in der Malaria-Therapie und als DMARD in der Rheumatologie eingesetzt.
Chemie
Hydroxychloroquin ist ein 4-Aminochinolin mit der Summenformel C18H26ClN3O und einer molaren Masse von 335,87 g·mol−1.
siehe auch: Chloroquin
Wirkmechanismus
Antiprotozoische Wirkung
Hydroxychloroquin wirkt prinzipiell gegen alle vier humanpathogenen Malariaerreger, außer gegen chloroquinresistente Plasmodienstämme. Diese Erreger gewinnen während ihres intraerythrozytären Wachstums Energie aus dem Abbau des Hämoglobins. Dabei entsteht das für sie giftige Abbauprodukt Ferriprotoporphyrin IX (FPPIX). Durch eine nicht-enzymatische Aggregatbildung wird FPPIX zu ungiftigem Hämozoin umgewandelt. Hydroxychloroquin bildet wie andere 4-Aminochinoline stabile Komplexe mit FPPIX und erhöht so die Zahl von nicht-aggregierten FPPIX-Molekülen, was dann letztendlich zum Absterben der Parasiten führt.
Antiinflammatorische Wirkung
Die Mechanismen der immunmodulatorischen antiinflammatorischen Wirkung von Hydroxychloroquin (und Chloroquin) sind bisher (2024) noch nicht vollständig verstanden und wurden zum Großteil im Rahmen von in-vitro-Studien erforscht.
Aufgrund der leicht basischen Eigenschaften akkumuliert Hydrochloroquin in Lysosomen und bewirkt dort eine Hemmung lysosomaler Funktionen. Es wird vermutet, dass dadurch die Funktion von Lymphozyten gehemmt wird und ggf. auch antiinflammatorische Effekte entstehen.[1]
Ein möglicher antiinflammatorischer Effekt ist die Hemmung der Antigenpräsentation über den lysosomalen Weg. Lysosomen sind neben dem Recycling von Zellbestandteilen auch an der Prozessierung und MHC-II-Präsentation von Antigenen beteiligt. Gleiches gilt für Autoantigene. Da Hydroxychloroquin den pH-Wert innerhalb der Lysosomen erhöht, könnte dadurch die Reifung von Lysosomen und somit die Präsentation der Autoantigene gestört werden.[1]
Ein weiterer beobachteter Mechanismus ist die Störung von Toll-like-Rezeptoren (TLR). Hydroxychloroquin soll über eine Änderung des pH-Werts in Endosomen z.B. die Signaltransduktion von TLR7 und TLR9 beeinflussen. Beide Rezeptoren können durch während einer Autoimmunreaktion durch Zelltrümmer aktiviert werden. Dies führt wiederum zur Aktivierung von Immunzellen und zur Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine, die dann durch Hydroxychloroquin gehemmt wird.[1]
Pharmakokinetik
Die Plasmahalbwertszeit ist sehr lang und beträgt durchschnittlich 45 Tage. Hydroxychloroquin wird renal ausgeschieden.
Indikationen
Hydroxychloroquin ist zur Prävention sowie Therapie der Malaria indiziert. Zu weiteren Indikationen zählen die rheumatoide Arthritis (RA) und Hauterkrankungen wie Photodermatosen und der Lupus erythematodes.
Applikationsformen
Das Arzneimittel wird in Form von Tabletten appliziert.
Nebenwirkungen
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff bzw. den anderen 4-Aminochinolinen sowie Chinin
- Myasthenia gravis
- Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
- Makulopathie
- Retinopathie
- Die Anwendung bei hämatologischen Erkrankungen ist kontraindiziert.
- Die Anwendung bei einer Netzhauterkrankung im Auge ist kontraindiziert.
- Schwangerschaft, Stillzeit
- Kinder
Off-Label-Use
In der Anfangsphase der COVID-19-Pandemie wurde Hydroxychloroquin eingesetzt, obwohl weder Wirksamkeit noch Sicherheit bei dieser Indikation hinreichend belegt waren. Die Anwendung basierte hauptsächlich auf In-vitro-Untersuchungen und begrenzten klinischen Daten. Die FDA erteilte im März 2020 eine Emergency Use Authorization (EUA), die bereits im Juni 2020 widerrufen wurde, nachdem keine klinische Evidenz für positive Wirkungen im Vergleich zur Standardbehandlung von hospitalisierten COVID-19-Patienten gezeigt werden konnte.[2][3] Die RECOVERY-Studie belegte eine signifikant höhere kardiovaskuläre Mortalität, eine Metaanalyse wies eine um 11 % erhöhte Gesamtmortalität aus.
Eine Nachuntersuchung von 44 Kohortenstudien aus Belgien, Frankreich, Italien, Spanien, der Türkei und den USA kam zu der Einschätzung, dass durch die Behandlung mit Hydroxychloroquin in der frühen Phase der Pandemie schätzungsweise 16.990 Todesfälle verursacht worden seien.[4] Die Studie wurde jedoch stark kritisiert und schließlich zurückgezogen.[5]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Schrezenmeier et al., Mechanisms of action of hydroxychloroquine and chloroquine: implications for rheumatology, Nature Reviews Rheumatology, 2020
- ↑ Liakoni E. Hydroxychloroquin und COVID-19. Schweiz Med Forum 2020
- ↑ Schenk M. Wie Fake News in der Medizin groß werden. Dtsch Arztebl 2021
- ↑ Pradelle A et al. Deaths induced by compassionate use of hydroxychloroquine during the first COVID-19 wave: an estimate. Biomed Pharmacother. 2024
- ↑ Editor’s Note on "Deaths induced by compassionate use of hydroxychloroquine during the first COVID-19 wave: An estimate" Biomedicine & Pharmacotherapy, 171 (2024), Volume 171, February 2024, Pages 116183
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