Aviäre Bordetellose (Geflügel)
Synonym: Putenschnupfen
Englisch: avian brodetellosis, turkey coryza
Definition
Die aviäre Bordetellose ist eine weit verbreitete, hochkontagiöse Infektionskrankheit des Atmungstrakts junger Puten. Die Erkrankung ist mit dem durch Bordetella pertussis verursachten Keuchhusten des Menschen vergleichbar.
Ätiologie
Bordetellen sind gramnegative, kokkoide bis pleomorphe Stäbchenbakterien mit einer Größe von 0,2 bis 0,5 x 0,2 bis 2,0 µm. Als strikte Aerobier bilden sie sowohl Oxidase als auch Katalase, entfalten jedoch keinerlei fermentative Stoffwechselaktivität.
Bordetella avium besitzt mehrere Virulenzfaktoren und Plasmide, die Träger von Resistenzgenen sein können. Zu den speziesspezifischen Toxinen gehören:
- Hämagglutinin
- tracheotropes Zytotoxin
- hitzelabiles dermonekrotisches Toxin
- hitzestabiles Endotoxin
- Osteotoxin
Epidemiologie
Die aviäre Bordetellose ist weltweit verbreitet und stellt eine wirtschaftlich bedeutsame bakterielle Erkrankung dar. Das Wirtsspektrum von Bordetella avium umfasst neben Hühnervögel auch Puten, Enten, Gänse, Rebhühner, Wachteln sowie verschiedene Zier- und Wildvögel. Puten erkranken in der Regel schwerer als Hühner.
Als Erregerreservoir kommen latent infizierte Nutzgeflügelarten sowie Wildvögel in Frage.
Pathogenese
Bordetella avium wird horizontal (aerogen) übertragen. Vertikale Infektionen sind nicht bekannt. Die Bakterien werden dabei sowohl durch belebte als auch unbelebte Vektoren in Stallungen eingetragen. Aufgrund der hohen Kontagiosität kommt es zu einer raschen Verbreitung in der gesamten Herde.
Mithilfe spezifischer Adhärenzfaktoren und des besonderen Tropismus zum Flimmerepithel bindet der Erreger unmittelbar nach der Übertragung an die Trachealschleimhaut. Infolge der Infektion kommt es zur Ziliostase und zum Verlust der Zilien. Dieser spezifisch pathologische Prozess beginnt im Bereich der nasalen Schleimhäute und kann sich stetig bis zu den Primärbronchien ausdehnen. Aufgrund der Toxine kommt es zu dystrophisch-nekrotischen Alterationen der Schleimhaut und zu einer katarrhalisch-fibrinösen und entzündlichen Abwehrreaktion des Wirtsorganismus.
Die zweite und häufig subklinisch verlaufende Krankheitsphase ist durch protrahiert ablaufende und produktiv-entzündliche Reparationsvorgänge geprägt. Neben den lokal begrenzten Krankheitsprozessen treten auch systemische Reaktionen auf, die v.a. mit einer Schwächung der spezifischen und unspezifischen Abwehrfähigkeit sowie mit einer verminderten Adaptionsfähigkeit der Tiere verbunden sind. Der weitere Krankheitsverlauf wird daher maßgeblich durch Sekundärinfektionen (Escherichia coli, Mycoplasma gallisepticum, Salmonella spp., Pasteurella multocida u.ä.) verkompliziert, weshalb die Mortalität drastisch ansteigen kann.
Klinik
Nach einer Inkubationszeit von 7 bis 10 Tagen zeigen die ersten Tiere klinische Symptome. Da sich der Erreger rasch in einer empfänglichen Herde ausbreitet, sind stets mehrere Tiere gleichzeitig betroffen.
Junge Puten (bis etwa 6 Wochen) leiden an den unterschiedlichen Symptomen einer respiratorischen Erkrankung der oberen Atemwege. Charakteristisch sind Schnupfen, Nasen- und Augenausfluss sowie röchelnde Atemgeräusche. Ältere Tiere hingegen entwickeln häufig einen trockenen Husten. Aufgrund des teils massiven Nasen- und Augenausflusses verfärben und verschmutzen die Federn im Kopfbereich und an den Flügeln. Bei chronisch kranken Vögel kommt es aufgrund des mukösen Exsudats im oberen Trachealbereich und der Nasenöffnung zu einer ausgeprägten Dyspnoe. Die Tiere zeigen Inappetenz und nehmen schlecht an Gewicht zu, weshalb die Herde rasch auseinander wächst. Die Morbidität liegt bei etwa 80 bis 100 %, wobei die Mortalität weniger als 10 % beträgt. Durch Sekundär- oder Doppelinfektionen kommt es jedoch zu einem deutlich komplizierteren Krankheitsverlauf und einer höheren Mortalität.
Pathohistologie
Klinisch apparente Infektionen führen zu einer schweren Schädigung der Trachealschleimhaut sowie der Primärbronchien. Es kommt zur Bildung von seromukösem Exsudat im nasalen Bereich und folglich zu einer Sinusitis. Die Trachealschleimhaut erscheint hyperämisch und das Flimmerepithel löst sich zunehmend ab. Da die Knorpelkonsistenz weicher wird, flachen die Trachealringe dorsoventral ab. In hochgradigen Fällen ist die Trachea vollständig mit seromukösem Exsudat angefüllt und obstruiert. Abhängig vom Krankheitsverlauf und den klinischen Symptomen kann sich das Flimmerepithel innerhalb von 4 bis 6 Wochen vollständig wiederherstellen.
Im histologischen Schnittbild dominieren heterophile Granulozyten, Lymphozyten und Plasmazellen sowie die Bildung lymphozytärer Proliferationszentren in der Mukosa und Submukosa. Aufgrund von Thymusläsionen und Suppression der lymphozytären Blastogenese entwickelt sich eine ausgeprägte Immunsuppression. Da die Infektion mit Bordetella avium v.a. eine humorale Immunität induziert, kommt es zur Bildung von lokalem IgA und später auch IgY. Die dadurch entstandene Immunität bewirkt einen effektiven Schutz gegenüber Reinfektionen.
Diagnose
Sowohl die klinischen Symptome als auch das histopathologische Bild erlauben eine Verdachtsdiagnose. Diese wird durch den direkten oder indirekten Erregernachweis bestätigt.
Bordetella avium kann aus Tupferproben oder Organmaterial auf Blutagar und/oder MacConkey-Agar gezüchtet werden. Die Differenzierung und Identifizierung erfolgt über die Katalase- und Oxidasereaktion sowie anhand Gramfärbung und MALDI-TOF. Alternativ ist auch eine PCR möglich. Ein indirekter Nachweis der Bakterien kann mittels ELISA erfolgen.
Therapie
Die Bordetellose kann durch eine gezielte antibiotische Therapie (nach Antibiogramm), in Kombination mit strikten Hygienemaßnahmen und einer geeigneten Immunprophylaxe (Inaktivatimpfstoff, Lebendimpfstoff oder autogener Impfstoff) bekämpft werden.
Literatur
- Rautenschlein S, Ryll M. 2014. Erkrankungen des Nutzgeflügels. 1. Auflage. Stuttgart: UTB Verlag GmbH. ISBN: 978-3-8252-8565-5
- Siegmann O, Neumann U (Hrsg.) 2012. Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7., überarbeitete Auflage. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. ISBN: 978-84268333-4
- Mayr A, Rolle M. Mayr A (Hrsg.). 2007. Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre. 8., überarbeite Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1060-7
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