Akute Rhinosinusitis
Synonyme: Akute Sinusitis, Rhinosinusitis acuta, Sinusitis acuta
Englisch: acute rhinosinusitis, acute sinusitis
Definition
Die akute Rhinosinusitis, kurz ARS, ist eine akute Entzündung einer oder mehrerer Nasennebenhöhlen mit einer Symptomdauer von kleiner oder gleich 12 Wochen.[1] Von einer rezidivierenden akuten Rhinosinusitis spricht man, wenn die Symptome mindestens 4 mal innerhalb von 12 Monaten auftreten.
Nomenklatur
Der Begriff "akute Rhinosinusitis" ersetzt nach aktuellem Verständnis (2021) die älteren Bezeichnungen "akute Sinusitis" bzw. "akute Nebenhöhlenentzündung", da nicht nur die Schleimhaut der Nasennebenhöhlen, sondern auch die der Nasenhöhle betroffen ist.[1][2]
Ätiologie
Akute Rhinosinusitiden werden meist durch Viren, seltener durch Bakterien ausgelöst. Auch eine Kombination ist möglich, z.B. als bakterielle Superinfektionen im Rahmen eines Virusinfekts. Die häufigsten viralen Erreger sind:
Die häufigsten Erreger einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis sind:
- Streptococcus pneumoniae
- Streptococcus pyogenes
- Haemophilus influenzae
- Moraxella catarrhalis
- Staphylococcus aureus
Anaerobier, Enterobacteriaceae sowie Pilze spielen in den akuten Formen eine untergeordnete Rolle und sind charakteristisch für chronische Verläufe. Gelegentlich treten nosokomiale Infektionen durch eine liegende Magensonde oder nasale Intubation auf.
Pathogenese
Eine akute Rhinosinusitis kann auf 2 Wegen entstehen:
- rhinogen: aufsteigend aus den Nasengängen im Rahmen einer Rhinitis
- dentogen: ausgehend von Entzündungen der Zähne des Oberkiefers; entsprechend nur bei einer Sinusitis maxillaris möglich.
In den meisten Fällen entwickelt sich die akute Rhinosinusitis aszendierend aus einer akuten Rhinitis. Bei einer Rhinitis sind die Nasennebenhöhlen fast immer mitbeteiligt. Wie groß die Beteiligung ist, hängt auch von der individuellen Anatomie ab. So genannte "Engstellen" gehören zu den prädisponierenden Faktoren. Diese Engstellen können zum Beispiel durch Septumdeviation, Nasenmuschelhyperplasie oder eine zu große Rachenmandel entstehen und begünstigen durch die Veränderung der Ventilationsverhältnisse und/oder einen Sekretstau den Eintritt von Erregern in die Nasennebenhöhlen.
Weitere prädisponierende Faktoren sind:
Lokalisation
Am häufigsten sind die vorderen Siebbeinzellen, die Stirnhöhle und die Kieferhöhle von einer akuten Rhinosinusitis betroffen. Seltener sind die hinteren Siebbeinzellen oder die Keilbeinhöhle beteiligt, da sie ein eigenes Ventilations- und Drainagesystem besitzen.
Symptome
Leitsymptom der akuten Rhinosinusitis sind Kopfschmerzen. Die Schmerzen sind je nach Befall unterschiedlich lokalisiert:
- Stirnkopfschmerzen bei Befall der Stirnhöhle, der Siebbeinzellen und der Kieferhöhle
- Schmerzen oberhalb des Oberkiefers bei Befall der Kieferhöhlen
- Schmerzen am Schädeldach bei Befall der Keilbeinhöhle
Die Schmerzen verstärken sich beim Bücken.
Diagnostik
Eine unkomplizierte Rhinosinusitis wird klinisch diagnostiziert. Bei rezidivierenden Verläufen sollte eine Endoskopie (z.B. Rhinoskopie) erfolgen.
Bildgebende Verfahren kommen bei der akuten Rhinosinusitis nicht routinemäßig zum Einsatz. In der Computertomographie zeigen sich folgende Befunde:
- (asymmetrische) Schleimhautschwellung (≥ 5 mm)
- Luft-Flüssigkeit-Spiegel
- Sekretverlegung
- Submukosale Sekretretenton (Retentionszyste): Kontrastmittel-aufnehmende Mukosa umschließt hypodenses Sekret
Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Nasennebenhöhlen wird insbesondere bei intrakraniellen Komplikationen durchgeführt.
Komplikationen
Eine akute Rhinosinusitis kann zu orbitalen und intrakraniellen Komplikationen führen.
siehe auch: Chandler-Klassifikation
Orbital
Sind nur Augenlider und periorbitales Weichgewebe betroffen (präseptale Zellulitis) ist i.d.R. eine konservative Behandlung ausreichend. Bei einer Beteiligung der Orbitahöhle (orbitale Zellulitis) ist eine operative Behandlungsindikation gegeben. Orbitale Abszesse erscheinen als umschriebene, randständig kontrastmittelaufnahmende Flüssigkeitsformationen mit möglichen Lufteinschlüssen. In der MRT zeigt die Abszesshöhle eine Diffusionsstörung.
Infolge der Entzündung kann eine Thrombose der Vena ophthalmica superior entstehen. Die Vene erscheint in der MRT meist dilatiert und weist nach Kontrastmittelgabe einen Füllungsdefekt auf.
Intrakraniell
Zu den seltenen, aber lebensbedrohlichen intrakraniellen Komplikationen der akuten Rhinosinusitis zählen:
- Meningitis: verdickte Hirnhäute mit Kontrastmittelaufnahme
- epidurale bzw. subdurale Empyeme: randständige Kontrastmittelaufnahme, linsen- bzw. sichelförmig mit zum Hirnparenchym hyperintensem T2w-Signal, hypointensem T1w-Signal und Diffusionsstörung der liquiden Anteile. In der FLAIR-Sequenz gute Abgrenzung zum Liquor und iso- oder leicht hyperintens zum Hirnparenchym. In der CT hypodens zum Hirnparenchym.
- Hirnabszess: radiologisches Erscheinungsbild ähnelt dem epiduralen bzw. subduralen Abszess mit zusätzlich umgebendem Ödem.
- Sinus-cavernosus-Thrombose: bei Sinusitis sphenoidalis oder indirekt durch fortgesetzte Thrombose der Vena ophthalmica superior
Therapie
Konservative Therapie
Eine akute Rhinosinusitis wird primär durch abschwellende Nasentropfen (Naphazolin, Xylometazolin) und topische nasale Steroide (z.B. Mometason) behandelt, um den Sekretabfluss über die Nase zu gewährleisten. Bei abschwellenden Nasentropfen sollte die Dauer der Anwendung so kurz wie möglich sein, um eine Atrophie der Nasenschleimhaut zu verhindern. Als "hohe Einlage" bezeichnet man das Einbringen von Xylometazolin getränkten Wattebäuschen in den mittleren Nasengang. Dies wird bei Affektionen der Stirnhöhle verwendet.
Der zusätzliche Einsatz von Sekretolytika (z.B. Ambroxol) ist möglich, ihre Wirksamkeit bei Rhinosinusitis jedoch umstritten. Das gleiche gilt für Mukolytika auf pflanzlicher Basis wie Myrtol, Cineol, Pelargonium und Bromelain.
Nasenspülungen mit isotonen oder hypertonen Lösungen können bei chronischer Rhinosinusitis eine Symptomlinderung bewirken, auf den Verlauf einer akuten Rhinosinusitis scheinen sie keinen Einfluss zu haben.
Bei allergischer Grunderkrankung (z.B. allergischer Rhinitis) können zusätzlich topische oder systemische Antihistaminika gegeben werden, bei Schmerzen Analgetika.
Da bei einer nur klinisch diagnostizierten akuten Rhinosinusitis eine Unterscheidung zwischen einer viralen und bakteriellen Erkrankung kaum möglich ist, sollten Antibiotika nur dann gegeben werden, wenn der Verdacht einer bakteriellen Ursache nahe liegt, z.B. bei starken Beschwerden und Fieber oder wenn Komplikationen drohen. Ausnahmen gelten für Patienten mit Immundefizienz, chronisch entzündlicher Lungenerkrankung oder anderen besonderen Risikofaktoren. Die Behandlung erfolgt dann insbesondere mit Amoxicillin. Auch Cephalosporine, Makrolide, Tetrazykline und neuere Fluorchinolone kommen zum Einsatz.
Invasive Therapie
Unter Lokalanästhesie kann in schweren Fällen eine Druckentlastung durch Punktion der Nebenhöhle erfolgen.
Prognose
Bei Nichtausheilung kann eine akute Rhinosinusitis in eine chronische Rhinosinusitis übergehen, da permanente Schleimhautschwellungen und somit Engstellen zurückbleiben.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Rhinosinusitis S2k-Leitlinie AWMF-Register-Nr. 017/049 und 053-012
- ↑ Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps (EPOS) 2012, Rhinology, suppl. 23, p1-298
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