Morbus Addison
Synonym: primäre Nebenniereninsuffizienz, "Bronzekrankheit"
Englisch: Addison's disease
Definition
Der Morbus Addison ist eine seltene, jedoch potentiell lebensbedrohliche Erkrankung mit einem vollständigen Funktionsverlust der Nebennierenrinde.
Ein Morbus Addison ist als Erkrankung der Nebennierenrinde (Primäre Nebenniereninsuffizienz) von sekundären Nebenniereninsuffizienzen abzugrenzen.
Ätiologie
Bei einem Morbus Addison wird die gesamte Nebennierenrinde zerstört. Je nach Geschwindigkeit des zerstörenden Prozesses kann es dabei akut oder auch chronisch einschleichend zu einer ausfallsbedingten Symptomatik kommen. Akute Mangelerscheinungen (Addison-Krise) erfordern als lebensbedrohlicher Zustand ärztliche Notfallbehandlung im Krankenhaus.
Ursachen für die Unterfunktion der Nebenierenrinde sind vor allem:
- Eine organspezifische Autoimmunerkrankung mit Bildung von Antikörpern gegen Nebennierenrindengewebe (gelegentlich auch im Rahmen einer pluriglandulären Insuffizienz). Die Autoantikörper richten sich dabei gegen das Enzym 21-Hydroxylase (21-OH), das an der Synthese der Steroidhormone beteiligt ist. Es kommt zum klinischen Bild einer Autoimmunadrenalitis, die für über 90% der Fälle von Morbus Addison verantwortlich ist.
- Polyendokrine Autoimmunerkrankungen in Form des Schmidt-Syndroms
- Hämorrhagischer Infarkt (Sepsis, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, arterielle Hypertonie, Hämorrhagische Diathesen)
- Tuberkulose der Nebenniere
- Hämochromatose
- Adrenogenitales Syndrom
- Metastasen eines Primärtumors
- Toxizität von Medikamenten (z.B. Ketoconazol)
- Amyloidose der Nebennieren
Iatrogen kann ein Morbus Addison durch eine beidseitige Adrenalektomie verursacht werden.
Pathophysiologie
Durch den Funktionsverlust der Nebennierenrinde ergibt sich ein Cortisolmangel. Im Gegensatz zu den sekundären Störungen der Nebennierenfunktion kommt es darüber hinaus zu einem Mangel an Mineralkortikoiden (Aldosteron) und bei Frauen zu einem Androgenmangel (DHEA). Die ACTH-Sekretion ist beim primären Morbus Addison erheblich gesteigert.
Durch den Aldosteronmangel kommt es zu folgenden Stoffwechselveränderungen:
Der Cortisolmangel äußert sich durch eine Hypoglykämie.
Symptomatik
Die Symptomatik der Erkrankung kann anfangs unspezifisch sein. Im Vollbild umfasst sie verschiedene Organsysteme:
Haut
Ein typisches Addison-Symptom ist die Hyperpigmentation der Haut. Sie wird durch die Freisetzung von α-MSH bei der Spaltung von ACTH aus der Vorstufe POMC hervorgerufen. Auffällig ist vor allem die Pigmentierung von Handlinien, frischen Narben und Lippenrändern sowie der Haut der Genitalregion.
Gastrointestinaltrakt
Herz-Kreislaufsystem
ZNS
Weitere Symptome
Die Patienten klagen oft über ein allgemeines Schwächegefühl. Durch die Kombination von Hypoglykämie und Hypotonie kann es bei den Patienten zu einer plötzlichen Bewusstlosigkeit kommen. Im Blutbild findet sich häufig eine begleitende Anämie. Die Retentionswerte können ebenfalls ansteigen.
Bei Frauen löst der Androgenmangel Menstruationsstörungen, eine herabgesetzte Libido und einen Verlust der Achsel- und Schambehaarung aus.
Anmerkung: Zusammenfassend ist am häufigsten ein Symptomkomplex bestehend aus Schwäche, Gewichtsverlust, Hyperpigmentation und Hypotension wegweisend zur Verdachtsdiagnose Morbus Addison.
Addison-Krise
Eine Addison-Krise ist die akut lebensbedrohliche Verlaufsform des Morbus Addison, die bei sehr raschem Funktionsverlust der Nebenniere (z.B. Infarzierung), akute Progredienz eines chronischen Funktionsverlustes oder aber Stresssituationen (Trauma, Infektionskrankheit) bei bestehendem latentem Morbus Addison hervorgerufen wird.
Die Addison-Krise äußert sich symptomatisch zusätzlich zu den o.g. Symptomen als:
Durch die eingeschränkte Blutdruckregulation kann es zu einem schweren, in jedem Fall lebensbedrohlichen Schockzustand kommen.
Diagnostik
Die an die Anamnese und körperliche Untersuchung angeschlossene weiterführende Diagnostik dient vor allem der Unterscheidung des Morbus Addison von einer sekundären Nebenniereninsuffizienz:
- Im ACTH-Stimulationstest ist beim Morbus Addison keine erhöhte Cortisolsekretion auslösbar
- Die Bestimmung eines hohen ACTH-Spiegels spricht für einen primären Morbus Addison
- Niedrige morgendliche Cortisol-Spiegel bei morgendlicher Bestimmung
Die beste Differentialdiagnose erlaubt jedoch die unterschiedliche klinische Symptomatik der beiden Formen der Insuffizienz. Bei bestehenden Zeichen einer Addison-Krise sollten noch vor Durchführung weiterer diagnostischer Schritte Glukokortikoide und Mineralkortikoide als lebensrettende Maßnahme verabreicht werden.
Nachweis von Autoantikörpern
Autoantikörper gegen die Nebennierenrinde sind mit dem Auftreten einer Autoimmunadrenalitis assoziiert. Mittels indirekter Immunfluoreszenz können diese Autoantikörper detektiert werden.
Material
Für die Untersuchung wird 1 ml Serum oder Plasma benötigt.
Referenzbereich
Bei einer Ausgangsverdünnung von 1:10 sollten bei der indirekten Immunfluoreszenz kein Hinweis auf Autoantikörper vorliegen. Bei positivem Serum zeigt das Zytoplasma der Steroidhormon-produzierenden Zellen im Bereich des Kortex eine granuläre bis glatte Fluoreszenz.
Interpretation
Zu Beginn der Autoimmunadrenalitis liegt die Prävalenz der Autoantikörper bei über 80 %. Mit zunehmender Atrophie der Nebennieren lassen sich immer seltener Autoantikörper nachweisen. Die Bestimmung der NNR-Autoantikörper ermöglicht die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber anderen Ursachen des Morbus Addison. Ein positiver Antikörpernachweis kann allerdings auch bei Krankheiten aus dem Kreis der autoimmunen Polyendokrinopathien vorliegen.
Therapie
Die Therapie des Morbus Addison besteht in einer lebenslangen Substitution von Glukokortikoiden und Mineralkortikoiden. Der betroffene Patient muss über das Wesen seiner Erkrankung und eventuell erforderliche Therapieanpassungen wie eine Dosiserhöhung bei vermehrter körperlicher Aktivität oder emotionalem Stress informiert werden.
Die Glukokortikoid-Substitution sollte der natürlichen zirkadianen Rhythmik nachempfunden werden (z.B. 25 mg Hydrocortison morgens, 10 mg mittags). Vermehrter körperlicher Stress erfordert eine vorübergehende Erhöhung der Dosierung.
Bei einer Addisonkrise sollten umgehend hohe Dosen von bis zu 200 mg Hydrocortison pro Tag intravenös verabreicht werden. Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus.
Die Mineralkortikoid-Substitution erfolgt durch morgendliche Gabe des Aldosteronderivats Fludrocortison (etwa 0,1 mg/d), welches die gleiche mineralkortikoide Wirkung wie Aldosteron aufweist. Zielpunkte der Substitution sind die Normalisierung der Elektrolyte, des Renins und eine ausreichende Blutdruckregulation bei Orthostase (s. Schellong-Test).
Die Patienten sollten einen Notfallausweis mit sich führen, in dem die Erkrankung vermerkt ist und ein Glukokortikoid-Notfallset bei sich tragen.
Podcast
Weblinks
- Quinkler, M; Beuschlein F, Hahner S, Meyer G, Schöfl C, Stalla GK(2013)."Nebennierenrinden-Insuffizienz – lebensbedrohliche Erkrankung mit vielfältigen Ursachen". Deutsches Ärzteblatt110(51-52): A-882-8. abgerufen am 14.01.2014
Quellen
- Lehnert, H: Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. 3. Auflage, 2010. Thieme Verlag. DOI: 10.1055/b-0034-13740
- Laborlexikon.de, abgerufen am 06.04.2021
- Stöcker W: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik. Springer, Berlin, Heidelberg. 2019
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: ©Kamran Chaudhry / Unsplash