Vanishing Bile Duct Syndrome
Synonyme: Gallengangsverlustsyndrom, cholestatische Hepatopathie mit Schwund der Gallengänge
Englisch: vanishing bile duct syndrome
Definition
Unter dem Vanishing Bile Duct Syndrome, kurz VBDS, versteht man den Verlust der intrahepatischen Gallengänge mit daraus resultierender chronischer Cholestase.
Ätiologie
Das Vanishing Bile Duct Syndrome kommt kongenital oder erworben vor. Unter anderem tritt es bei Trisomie 17, 18 und 21 sowie bei der zystischen Fibrose und dem Alpha-1-Antitrypsinmangel auf.[1]
Das VBDS wurde bei primär biliärer Zirrhose (PBC), primär sklerosierender Cholangitis (PSC) und paraneoplastisch im Rahmen eines Hodgkin-Lymphoms beschrieben.[2]
Darüber hinaus können eine Reihe von Arzneistoffen ein VBDS auslösen, das sich üblicherweise in einem Zeitraum von einem bis sechs Monaten nach Beginn der Einnahme manifestiert. Insgesamt stehen derzeit (2024) mehr als 70 Wirkstoffe im Verdacht, ein VBDS auszulösen. Als gesichert gilt die Auslösung durch:[1][3]
- Antikonvulsiva: Carbamazepin, Lamotrigin
- Antimykotika
- Betalaktam-Antibiotika: Amoxicillin
- Betalaktamaseinhibitor: Clavulansäure
- Gichtmittel: Allopurinol
- Gyrasehemmer: Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin
- Makrolid-Antibiotika: Azithromycin
- Neuroleptika: Phenothiazine
- NSAR: Ibuprofen
- Sulfonamid-Antibiotika: Cotrimoxazol
- Trizyklische Antidepressiva
- Virostatika: Nevirapin
- Zytostatika: Temozolomid
Pathogenese
Es wird angenommen, dass die Epithelzellen der intrahepatischen Gallengänge durch kreuzreagierende T-Zellen, die Autoantigene erkennen, geschädigt werden, was zur Apoptose des Gallenepithels führt.[2]
Symptome
Zu den typischen Symptomen einer cholestatischen Hepatitis zählen ein persistierender Pruritus, Müdigkeit, Ikterus, Abdominalschmerzen, Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit. Zusätzlich kann eine schwere Dyslipidämie mit einer Hypercholesterinämie auftreten.
Diagnose
Ein durch Arzneistoffe ausgelöstes VBDS ist gekennzeichnet durch:
- dauerhaft erhöhte Alkalische Phosphatase und Bilirubin-Werte nach einer arzneimittelinduzierten Leberschädigung (Drug-induced liver injury, DILI), die mindestens sechs Monate zurückliegt
- Ausschluss einer PBC, PSC und einer Graft-versus-Host-Reaktion
- bioptisch gesicherte Rarefizierung der Gallengänge
Verlauf
Das VBDS kann zu einem nahezu vollständigen Verlust der intrahepatischen Gallangänge mit begleitender schwerer Cholestase führen und mündet dann in eine Leberzirrhose. Ein schwerer Verlauf kann ein bis drei Jahre nach Beginn der Erkrankung in tödliches Leberversagen münden.[1]
Führt das VBDS nur zu einem partiellen Gallengangsverlust, ist eine klinische Genesung möglich, es verbleibt jedoch ein chronischer Leberschaden, der sich in mildem Pruritus und erhöhten Transaminasen äußert.
Therapie
Eine standardisierte Therapie des VBDS gibt es nicht. Potenzielle Auslöser müssen sofort abgesetzt werden. Wenn Glukokortikoide eingesetzt werden, kann es durch sekundäre metabolischen Effekte im Endstadium der Lebererkrankung zu einer Verschlechterung kommen. Einen kurativen Ansatz bietet bei schweren Verläufen nur die Lebertransplantation.[1][4]
Eine Unterdrückung des Pruritus kann durch Verabreichung von Antihistaminika erreicht werden, insbesondere wenn der Juckreiz den Schlaf stört. Colestyramin und Colestipol können durch intestinale Bindung der Gallensäuren zu einer Linderung beitragen. Dabei muss die Aufnahme fettlöslicher Vitamine überwacht und diese gegebenenfalls substituiert werden. Ursodeoxycholsäure soll die Cholestase bessern.[5]
Die Behandlung der Hyperlipidämie mit Statinen hat sich als wenig effektiv erwiesen.
Ein experimenteller Ansatz ist derzeit die Immunsuppression durch Calcineurininhibitoren und monoklonale Antikörper.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 Vanishing Bile Duct Syndrome. LiverTox: Clinical and Research Information on Drug-Induced Liver Injury Updated 2019 Dec 11, abgerufen am 12.07.2024
- ↑ 2,0 2,1 Bakhit M et al. Vanishing bile duct syndrome in Hodgkin's lymphoma: A case report and literature review. World J Gastroenterol. 2017
- ↑ Vanishing bile duct syndrome – a complication of drug-induced liver injury. Prescriber Update 2023, abgerufen am 12.07.2024
- ↑ Izzo P et al. Vanishing Bile Duct Syndrome in an Adult Patient: Case Report and Review of the Literature. J Clin Med. 2022
- ↑ Pusl T, Beuers U. Ursodeoxycholic acid treatment of vanishing bile duct syndromes. World J Gastroenterol. 2006
um diese Funktion zu nutzen.