Leitungsanästhesie (Pferd)
Synonym: Regionalanästhesie
Englisch: regional anesthesia, nerve block
Definition
Als Leitungsanästhesie bezeichnet man eine Form der Anästhesie beim Pferd, die meist im Rahmen einer Lahmheitsdiagnostik zur Anwendung kommt.
Hintergrund
Mithilfe einer Leitungsanästhesie wird durch die gezielte Injektion eines Lokalanästhetikums der angrenzende Nerv desensibilisiert. Diese als perineurale Anästhesie bezeichnete Technik führt im Idealfall zu einer Anästhesie aller distal der Injektion liegenden Versorgungsareale des entsprechenden Nervs.
Indikation
Leitungsanästhesien kommen u.a. bei folgenden Indikationen zum Einsatz:
- Lahmheitsuntersuchung im Sinne einer diagnostischen Anästhesie (z.B. Eingrenzung der Verletzung auf eine bestimmte Region)
- Chirurgische Eingriffe (z.B. Gelenklavage)
- Röntgen (z.B. zum Selbstschutz)
Vorgehen
Leitungsanästhesien können häufig mit 20- bis 25-G-Kanülen durchgeführt werden. Aufgrund der Pharmakokinetik wird meistens Mepivacain verwendet. Das zu applizierende Volumen hängt von der Region und der Größe des Nervs ab und liegt zwischen 0,5 und 2 ml. Bei großen und tief liegenden Nerven können aber auch bis zu 20 ml notwendig sein. Die Wirkung tritt in der Regel innerhalb von 5 und 15 Minuten ein und muss mittels externem Reiz (z.B. Berühren mit einem stumpfen Gegenstand) überprüft werden.
Bei Leitungsanästhesien müssen vorab nicht die Haare an der betroffenen Region entfernt werden. Es genügt, wenn die Applikationsstelle großzügig mit 70%igem Alkohol mehrmals desinfiziert wird. Anschließend wird das Lokalanästhetikum in einer Spritze aufgezogen und die Kanüle ohne Spritze an der gewünschten Stelle versenkt. Erst wenn das Pferd ruhig steht, wird die Spritze aufgesetzt und der Wirkstoff appliziert. Da die Nerven sowohl medial als auch lateral an der Gliedmaße verlaufen, muss die Injektion immer an beiden Seiten vorgenommen werden.
Methode
Im Rahmen der Lahmheitsdiagnostik haben sich verschiedene Leitungsanästhesien bewährt. Um die betroffene Region eingrenzen zu können, müssen Leitungsanästhesien stufenweise (immer von distal nach proximal) vorgenommen werden. Auf diese Weise kann durch das standardisierte Vorgehen die Lahmheit meist auf eine bestimmte Region eingegrenzt werden.
Aufgehobene Gliedmaße
Folgende Leitungsanästhesien werden an der aufgehobenen Gliedmaße (durch einen Helfer) durchgeführt:
Block | Nerv | Technik |
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TPA (TPA-1) |
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FRB (TPA-2 + R. dorsalis) |
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MPA |
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T4PA |
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H4PA |
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FTUA (HE) |
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Abgestellte Gliedmaße
Folgende Leitungsanästhesien werden an stehender Gliedmaße durchgeführt. Aufgrund dessen muss besonders auf die Sicherheit aller beteiligten Personen geachtet werden:
Block | Nerv | Technik |
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FTUA (VE) |
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NUA |
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NMA |
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T6PA |
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H6PA |
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NTA |
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NFA |
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Beurteilung
Nach erfolgter Injektion muss unbedingt die notwendige Einwirkzeit abgewartet werden. Erst dann sollte das Pferd erneut vorgeführt werden (Schritt, Trab). Das Ergebnis der Leitungsanästhesie wird dann mit negativ, positiv oder mit Restlahmheit beurteilt. Der Grad der verbliebenen Lahmheit ist in Prozent anzugeben (z.B. die Lahmheit ist um 60 bis 70 % besser als vor der diagnostischen Anästhesie).
Im Zweifelsfall sind weitere diagnostische Schritte (z.B. Provokationsproben) anzuschließen.
Zahnmedizin
Leitungsanästhesien kommen auch im Rahmen von zahnmedizinischen Behandlungen (z.B. Backenzahnextraktionen) zum Einsatz. Abhängig vom betreffenden Nerv sind sie zum Teil sehr aufwendig und mit Risiken wie Blutungen und Abszedierungen behaftet.
Oberkiefer
Block | Nerv | Bereich |
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Foramen-maxillare-Anästhesie | Nervus infraorbitalis | P3 bis P4, M1 bis M3 |
Foramen-infraorbitale-Anästhesie | Nervus infraorbitalis | I1 bis I3, C und P1 bis P2 |
Unterkiefer
Block | Nerv | Bereich |
---|---|---|
Foramen-mandibulae-Anästhesie | Nervus alveolaris inferior | M1 bis M3 |
Foramen-mentale-Anästhesie | Nervus alveolaris inferior | I1 bis I3, C und P1 bis P4 |
Literatur
- Brehm W, Burk J, Delling U, Hagen J, Köhler M, Litzke LF, Nowak M, Rijkenhuizen A, Schusser GF, Tietje S, Troillet A. Krankheiten des Bewegungsapparats. In: Brehm W, Gehlen H, Ohnesorge B, Wehrend A (Hrsg.). 2017. Handbuch Pferdepraxis. 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG. 849-1148. ISBN: 978-3-13-219621-6
- Brehm W, Hertsch B, Jahn W, Stadtbäumer G, Stadler P. 2013. Leitfadensammlung: Zur Sorgfalt bei diagnostischen Anästhesien im Rahmen der Lahmheitsuntersuchung und bei therapeutischen Injektionen synovialer Einrichtungen beim Pferd. Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM).
- Pferdechirurgie. Tabelle der Leitungsanästhesien. Universitätsklinik für Pferde, Veterinärmedizinische Universität Wien.
- Simon T, Herold I. 2009. Praxisleitfaden der Zahn- und Kiefererkrankungen des Pferdes. 1. Auflage. Stuttgart: Parey in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-4178-6