Katheterlyse
Englisch: catheter lysis, catheter-directed thrombolysis, CDT
Definition
Die Katheterlyse ist ein Verfahren zur lokalen Auflösung thromboembolischer Gefäßverschlüsse, das in der interventionellen Radiologie, Angiologie, Gefäßchirurgie und Kardiologie angewendet wird. Kombiniert man die Katheterlyse mit einem mechanischen Verfahren, spricht man auch von einer pharmakomechanischen Thrombolyse (PCDT).
Indikation
Indikationen des Verfahrens sind Erkrankungen, die durch akute und subakute arterielle sowie venöse Thrombosen ausgelöst werden. Hierzu zählen u.a.:
- akute Extremitätenischämie: durch arteriellen Embolus aus proximaler Quelle oder akute arterielle in situ Thrombose
- akute Mesenterialischämie: embolische (arteriell) oder thrombotische (arteriell oder venös) Genese
- Pfortaderthrombose: idiopathisch oder bei bekannter Ursache (z.B. Neoplasie)
- tiefe Beinvenenthrombose[1]
- Venenthrombose der Vena axillaris bzw. Vena subclavia (ASVT): primär (Paget-von-Schroetter-Syndrom) oder sekundär (z.B. bei einliegendem ZVK oder bei Malignom)
- Lungenarterienembolie: im Falle einer Reanimationspflichtigkeit oder bei intermediär-hohem Risiko (sPESI ≥1, Rechtsherzbelastung und positive kardiale Biomarker) und Zeichen einer hämodynamischen Dekompensation. Zu letzeren zählen das Eintreten einer Reanimationspflichtigkeit, eine persistierende Hypotension, Zeichen der verminderten Organperfusion und ein persistierender Katecholaminbedarf zur Aufrechterhaltung des systolischen Blutdrucks (≥ 90 mmHg).
- ischämischer Schlaganfall: in der Regel nur in Kombination mit mechanischer Thrombektomie
Bei chronischer Thrombose gelingt eine erfolgreiche Rekanalisation nur selten.
Vorbereitung
Präinterventionell wird die Stenose mittels Ultraschall, CT oder MRT dargestellt. Notwendige Medikamente sind:
Notwendige Materialien für die Katheterlyse sind:
- CDT-Infusionskatheter: besitzt meist mehrere Öffnungen
- Unifuse® (AngioDynamics): schneller Bolus oder Infusion mittels Infusionspumpe
- EKOS® (Boston Scientific): Ultraschall-gestützte prolongierte Katheterlyse
- Pulse-Spray® (AngioDynamics): Bolusinjektion für einmalige Applikation
- SpeedLyser® (AngioDynamics): entwickelt für Hämodialyse-Fisteln/Grafts
- Cragg-McNamara® (Medtronic): schneller Bolus oder Infusion mittels Infusionspumpe
- Fountain® / Mistique® (Merit Medical): schneller Bolus oder Infusion mittels Infusionspumpe
- PDCT wie z.B. AngioJet® (Boston Scientific): rheolytische Thrombektomie mittels Flüssigkeitsstrahl ± Gabe von Thrombolytika in "PowerPulse-Technik"
- Infusionspumpe
Durchführung
Als vaskuläre Zugangswege eignen sich:
- Arteria femoralis communis: Bei einem Thrombus in einer Arterie der unteren Extremität wird meist die kontralaterale Seite als retrograder Zugangsweg gewählt. Eine ipsilaterale antegrade Punktion kann für Verschlüsse unterhalb des Knies sinnvoll sein.
- Vena femoralis communis oder Vena jugularis interna: Bei venösen Thrombosen. Dabei kann das Einsetzen eines Cavaschirms erwogen werden. Dieser schützt vor gefährlichen iliofemoralen Thrombembolien und kann über der Vena jugularis interna eingesetzt und ggf. nach Intervention entfernt werden.[2]
Nach Schaffung eines Gefäßzugangs und Platzierung einer Schleuse (normalerweise ≥ 6 Fr) wird eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) durchgeführt. Dann wird ein Katheter und hydrophiler Draht (z.B. Glidewire, Roadrunner) bis durch den Thrombus vorgeschoben. Falls der Draht nicht vorschiebbar ist, sind z.B. spezielle 3- bis 4-Frs-Katheter mit glatter Spitze sowie auch koaxiale Führungskatheter denkbar. Ebenfalls möglich ist ein Wiederholungsversuch 2 bis 4 Stunden nach thrombolytischer Infusion am Thrombusrand. Sobald der Katheter den Thrombus passiert hat, muss mittels Kontrastmittelgabe die intraluminale Lage bestätigt werden. Der hydrophile Draht wird dann gegen einen hydrophoben Draht (z.B. Bentson, Rosen, Amplatz) getauscht. Über den Führungsdraht wird der Infusionskatheter platziert. Zunächst wird ein Bolus (z.B. 2 bis 5 mg Alteplase) verabreicht und anschließend eine kontinuierliche Infusion des Thrombolytikums (z.B. 0,5 - 1,0 mg/h Alteplase) angelegt. Gleichzeitig wird über einen weiteren Zugang ein initialer Heparinbolus von 2.000 bis 5.000 IE, gefolgt von einer Infusion mit 100 bis 500 IE/h appliziert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Postinterventionelles Management
Während der Infusion sollte der Patient stationär aufgenommen und engmaschig klinisch überwacht werden. Je nach Schmerzen kommen Analgetika zum Einsatz. Eine strikte Bettruhe sollte eingehalten werden. Häufig werden Fibrinogen, PTT und ein kleines Blutbild alle 6 - 8 Stunden angefordert. Falls Fibrinogen unter 100 mg/dl sinkt oder die PTT auf > 60 s ansteigt, sollten Thrombolytika abgesetzt und eine normale Kochsalzlösung verabreicht werden. Bei Fibrinogen < 150 mg/dl oder Abfall um > 50 % wird die Lysegeschwindigkeit um 50 % reduziert.
Nach frühestens 8 Stunden kann eine Kontroll-DSA erfolgen. Bei vollständiger Regredienz des Thrombus kann mit einer systemischen Antikoagulation begonnen bzw. sollte diese fortgeführt werden. Liegt weiterhin ein signifikanter Restthrombus vor, kann die Thrombolyse-Infusion fortgeführt oder eine mechanische Thrombektomie bzw. PCDT erwogen werden. Liegt eine Stenose zu Grunde, kann ein Stent implantiert werden. Wenn keine klinische/angiographische Besserung eintritt und Anzeichen einer Chronifizierung vorliegen, ist ein Abbruch des Verfahrens zu erwägen. Bei fehlender angiographischer Besserung und klinischer Verschlechterung kommen chirurgische Optionen infrage.
Vorteile
Vorteile der Katheterlyse gegenüber der systemischen Thrombolyse sind weniger systemische Blutungskomplikationen und eine effektivere Lyse durch lokal stark erhöhte Konzentrationen des Fibrinolytikum.
Komplikationen
Die wichtigsten Komplikationen der Katheterlyse sind:
- Blutungen (incl. hämorrhagischer Schlaganfall oder intraabdomineller Blutungen)
- distale Embolien (incl. Extremitätenischämie und Lungenarterienembolie)
Periprozedurale bzw. frühe Komplikationen sind:
- Lungenembolie (bei venöser Katheterlyse)
- Reperfusionssyndrom (bei arterieller Katheterlyse): entzündliche Reaktion auf vorherige Ischämie oder Nekrose, wobei die Symptome von Extremitätenschwellung bis hin zur systemischen Reaktion mit Multiorganversagen reichen. Therapeutisch kommen z.B. eine Fasziotomie bei Kompartmentsyndrom, eine Antikoagulation zur Verhinderung einer progredienten Thrombose oder eine Amputation infrage.
- allergische Reaktion auf thrombolytische Medikamente
- Gefäßdissektion
Die wichtigsten verzögerten Komplikationen sind:
- Hämatom am Zugangsort
- Thromboserezidiv
- Katheterinfektionen: bei > 72 h Thrombolyse wird eine prophylaktische Antibiotikagabe empfohlen.
Kontraindikation
Absolute Kontraindikationen der Katheterlyse sind:
- akute Blutungen oder eine unkorrigierbare Koagulopathie
- Aortendissektion
- Z.n. hämorrhagischem oder kürzlich zurückliegendem ischämischem Schlaganfall
- Kürzlich zurückliegendes Schädel-Hirn-Trauma oder intrakranielle Operation (≤ 3 Monate)
- intrakranielle Neoplasie
Relative Kontraindikationen sind:
- ischämischer Schlaganfall vor > 3 Monaten
- Kürzlich durchgeführte größere thorakale oder abdominale Operation (≤ 3 Wochen)
- Kürzlich erlittenes schweres Trauma (≤ 4 Wochen)
- Kürzlich aufgetretene gastrointestinale Blutung (≤ 3 Monate)
- lange oder traumatische kardiopulmonale Reanimation (> 10 min)
- Unkontrollierter Bluthochdruck
- Allergie gegen angiographische Kontrastmittel
- Schwangerschaft
- Nieren- oder Leberinsuffizienz
Alternative Verfahren
Therapeutische Alternativen der Katheterlyse sind:
- offene chirurgische Thrombektomie
- mechanische Thrombektomie
- systemische Thrombolyse
Quellen
- ↑ Enden et al. Long-term outcome after additional catheter-directed thrombolysis versus standard treatment for acute iliofemoral deep vein thrombosis (the CaVenT study): a randomised controlled trial. Lancet, 2012
- ↑ Ahmed O et al. Meta-Analysis of the Usefulness of Inferior Vena Cava Filters in Massive and Submassive Pulmonary Embolism. Am J Cardiol. 2020
Literatur
- Buckley JR, Wible BC. In-Hospital Mortality and Related Outcomes for Elevated Risk Acute Pulmonary Embolism Treated With Mechanical Thrombectomy Versus Routine Care. J Intensive Care Med. 2022
- Fleck D et al. Catheter-directed thrombolysis of deep vein thrombosis: literature review and practice considerations. Cardiovasc Diagn Ther. 2017
- Watson L, Broderick C, Armon MP. Thrombolysis for acute deep vein thrombosis. Cochrane Database Syst Rev. 2016
- Comerota AJ. Thrombolysis for deep venous thrombosis. J Vasc Surg. 2012
- Manninen H et al. Catheter-directed thrombolysis of proximal lower extremity deep vein thrombosis: a prospective trial with venographic and clinical follow-up. Eur J Radiol. 2012
- Karnabatidis D et al. Quality improvement guidelines for percutaneous catheter-directed intra-arterial thrombolysis and mechanical thrombectomy for acute lower-limb ischemia. Cardiovasc Intervent Radiol. 2011