Gefäßdissektion
von lateinisch: dissecare - zerlegen, zerschneiden
Englisch: vascular dissection, artery dissection
Definition
Unter einer Gefäßdissektion versteht man die Aufspaltung der Gefäßwand, im engeren Sinn das Einreißen der Intima einer Arterie mit nachfolgender Einblutung in die Gefäßwand.
Epidemiologie
Gefäßdissektionen sind eine wichtige Ursache ischämischer Schlaganfälle bei jüngeren Erwachsenen. Die Inzidenz der Aortendissektion liegt bei etwa 2–3 pro 100.000 Personen pro Jahr. Dissektionen der extrakraniellen Hirnarterien treten besonders im mittleren Lebensalter auf und machen einen relevanten Anteil der Schlaganfälle unter 50 Jahren aus.
Ätiologie
Pathophysiologisch liegen meist ein Einriss der Intima mit Einblutung in die Media oder eine Ruptur der Vasa vasorum zugrunde. Zu den Risikofaktoren zählen arterielle Hypertonie, angeborene Bindegewebserkrankungen wie das Marfan- oder Ehlers-Danlos-Syndrom, traumatische oder ruckartige Bewegungen (z.B. im Bereich der Halswirbelsäule), Schwangerschaft sowie entzündliche Gefäßerkrankungen. Auch iatrogene Dissektionen können im Rahmen invasiver Eingriffe auftreten, insbesondere bei Katheterinterventionen oder Gefäßmanipulationen. Zudem kommen spontane Dissektionen ohne erkennbare Auslöser vor.
Pathogenese
Durch den Einriss der Intima gelangt Blut in die Gefäßwand, das die Media aufspaltet. Es entsteht ein falsches Lumen zwischen den Wandschichten, welches das wahre Lumen komprimieren und dadurch die Durchblutung nachgeschalteter Gewebe beeinträchtigen kann. Zudem können sich im Dissektionskanal Thromben bilden, die eine Embolie auslösen. Bei großkalibrigen Arterien, insbesondere der Aorta, kann eine Ruptur in das umliegende Gewebe lebensbedrohlich sein.
Prinzipiell können alle Arterien, selten auch große Venen (z.B. Vena cava inferior) betroffen sein. Am häufigsten kommt es jedoch zur Aortendissektion, Carotisdissektion oder Vertebralisdissektion.
Klinik
Die Symptomatik ist abhängig vom betroffenen Gefäßterritorium. Typisch sind plötzlich einsetzende, starke Schmerzen – zervikal oder okzipital bei Dissektionen der hirnversorgenden Arterien, thorakal oder dorsal bei Aortendissektion. Hinzu kommen je nach Lokalisation fokal-neurologische Ausfälle, Horner-Syndrom, Hirninfarkte oder Kreislaufkollaps. Bei Aortendissektion können Blutdruckdifferenzen zwischen den Extremitäten oder Zeichen einer Perikardtamponade auftreten.
Diagnostik
Die Diagnosesicherung erfolgt per Bildgebung. Bei zervikaler Arteriendissektion gilt die MRT/MRA mit Fettsuppression und kontrastmittelgestützter Angiografie als Methode der Wahl. Für die Aortendissektion kommen vor allem CT-Angiografie, transösophageale Echokardiografie und MRT in Betracht. Eine Duplexsonografie kann ergänzend eingesetzt werden, ist jedoch weniger sensitiv. Laborchemische Parameter wie D-Dimere können unterstützend herangezogen werden.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach Lokalisation und Ausprägung. Bei Dissektionen der hirnversorgenden Arterien erfolgt in der Regel eine antithrombotische Therapie mittels Antikoagulation oder Thrombozytenaggregationshemmung zur Schlaganfallprophylaxe. Die Aortendissektion Typ A erfordert meist eine sofortige operative Versorgung, während Typ B primär konservativ mit Blutdruckkontrolle behandelt wird, sofern keine Komplikationen vorliegen. Schmerztherapie und engmaschige Überwachung sind essenziell.
Verlauf und Prognose
Die Prognose ist abhängig vom Gefäß und der Schnelligkeit der Therapieeinleitung. Unbehandelte Aortendissektionen, insbesondere Typ A, sind mit einer hohen Letalität verbunden. Bei zervikalen Dissektionen ist der Verlauf meist günstig, wenngleich Rezidive und persistierende neurologische Defizite möglich sind.
Prävention
Eine gezielte Prävention umfasst die Kontrolle modifizierbarer Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, das Vermeiden abrupter Nackenbewegungen sowie die regelmäßige Überwachung bei bekannter Gefäß- oder Bindegewebserkrankung.
Quellen
- Klinikum Heidelberg. Dissektion (Arterie). Sektion Vaskuläre Neurologie. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/erkrankungen/dissektion-202064
- Stiftung Deutscher Herz. „Gefährlicher Riss im Herzen – spontane Koronargefäßdissektion“. https://herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinfarkt/ursachen/spontane-koronargefaessdissektion
- „Cervical Artery Dissection“, Internet Book of Critical Care (IBCC). https://emcrit.org/ibcc/dissection/