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Hemiplegia laryngis (Pferd)

Synonyme: Kehlkopfpeifen, Röhren, Pfeiferdampf, Recurrensparese
Englisch: larnyngeal hemiplegia, recurrent laryngeal neuropathy

1. Definition

Als Hemiplegia laryngis bezeichnet man eine bei Pferden auftretende und chronisch verlaufende Obstruktion des Larynx. Sie entsteht infolge einer uni- oder bilateralen Neuropathie des Nervus laryngeus recurrens.

Die Erkrankung entspricht der Recurrensparese des Menschen.

2. Anatomie

Die Larynxmuskeln werden großteils vom Nervus laryngeus recurrens innerviert (mit Ausnahme des Musculus cricothyreoideus). Dieser motorische Nerv zweigt beiderseits in unterschiedlicher Höhe vom Nervus vagus ab, um an die jeweiligen Muskeln heranzutreten.[1]

Der rechtseitige Nervus laryngeus recurrens entspringt dicht kaudal der Ansa subclavia vom Stamm des Nervus vagus. Anschließend schlingt er sich beim Pferd um den Truncus costocervicalis, um an der ventrolateralen Fläche des Truncus bicaroticus und der Trachea zu verlaufen. Von hier aus zieht er ventral der Arteria carotis communis wieder kopfwärts. Der linksseitige Nervus laryngeus recurrens zweigt erst auf Höhe der Herzbasis vom Nervus vagus ab, um dann um das Ligamentum arteriosum sowie die Aorta zu ziehen. Anschließend verläuft er medial der großen Arterienstämme im lockeren Bindegewebe des Mittelfellspaltes eingebettet zur Apertura thoracis cranialis. Von hier aus verläuft er ebenso ventrolateral an der Arteria carotis communis kopfwärts.[2]

3. Vorkommen

Hemiplegia laryngis betrifft grundsätzlich Pferde jeden Alters und aller Rassen, tritt aber gehäuft bis zum 10. Lebensjahr auf. Bestimmte Zuchtlinien (Warm- und Vollblutpferde) sind genetisch prädisponiert und überproportional oft betroffen.

Die Prävalenz liegt (abhängig von der Rasse) zwischen 1,6 und 8 %.[3][4]

4. Ätiologie

In der Literatur sind verschiedene Ursachen für eine Störung der nervalen Versorgung der Kehlkopfmuskulatur beschrieben. Die genauen Auslöser der Erkrankung sind bislang (2020) nicht bekannt, es existieren jedoch verschiedene Erklärungen, wieso es zu einer Unterversorgung der Muskulatur kommen kann.

Folgende Faktoren spielen eine pathogenetische Rolle:

  • Demyelinisierung aufgrund einer Unterversorgung mit Nährstoffen, bedingt durch die Länge des Nervs
  • verstärkter Zug und Druck auf den Nerv
  • genetische Prädisposition
  • Pulsation der angrenzenden Gefäße
  • Trauma

Bei unbekanntem Auslöser spricht man von einer idiopathischen Hemiplegia laryngis.[5][6]

5. Pathophysiologie

Durch den progressiven Verlust myelinisierter Axone kommt es zur nervalen Unterversorgung der Muskeln. Es folgt eine neurogene Atrophie der intrinsischen Larynxmuskeln mit daraus resultierender Dysfunktion der Cartilago arytenoidea. Durch die fehlende Innervation wird der Cartilago arytenoidea nicht mehr in Abhängigkeit der Atmung ab- und adduziert, sodass es zu unphysiologischen Bewegungen innerhalb des Larynx kommt.

Die Rima glottidis gesunder Pferde ist bei Höchstleistungen vollständig geöffnet, um einen maximalen Luftstrom gewährleisten zu können. Wenn die Larynxmuskeln atrophieren, ist eine maximale Abduktion der Cartilago arytenoidea nicht mehr möglich. Durch den gleichzeitigen Unterdruck während der Inspiration kommt es zu einer progressiven Verengung der Rima glottidis und somit zu einem erhöhten Atemwiderstand. In weiterer Folge entwickeln betroffene Pferde durch die Hypoxämie eine metabolische Azidose.

Die Paralyse kann sowohl uni- als auch bilateral auftreten, wobei meist die linke Cartilago arytenoidea betroffen ist (Hemiplegia laryngis sinistra).

6. Klinik

Die klinischen Symptome sind abhängig vom Schweregrad der Obstruktion und äußern sich meist in Form von Leistungsabfall und inspiratorischem Stridor.

7. Diagnose

Die Diagnose ergibt sich aus Anamnese, klinischer Untersuchung und bildgebenden Verfahren.

Bei körperlicher Belastung kommt es rasch zu drastischen Leistungseinbußen, oft in Kombination mit einem monotonen Pfeifgeräusch (Röhren). Der Stridor entsteht aufgrund der obstruierten Rima glottidis und des dadurch entstehenden erhöhten Atemdrucks und -widerstands. Bei der klinischen Untersuchung kann aufgrund der Muskelatrophie der sonst nicht tastbare Processus muscularis der Cartilago arytenoidea palpiert werden. Die Atrophie lässt sich auch mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung darstellen.

Die Diagnosesicherung erfolgt mittels Endoskopie des Larynx. Die Untersuchung sollte sowohl in Ruhe als auch in Bewegung (dynamische Endoskopie) durchgeführt werden, um die maximale Ausdehung der Obstruktion feststellen zu können. Die laryngeale Dysfunktion wird in vier Schweregrade klassifiziert:[5]

Grad Beschreibung Subtyp Beschreibung
I synchrone und symmetrische Bewegungen bei maximaler Abduktion der Cartilago arytenoidea
II asynchrone und/oder asymmetrische Bewegungen bei maximaler Abduktion der Cartilago arytenoidea A transient asynchrone, flatternde oder verzögernde Bewegungen der Cartilago arytenoidea sichtbar, symmetrische Abduktion nach dem Schlucken möglich
B überwiegend asymmetrische Rima glottidis, reduzierte Beweglichkeit der Cartilago arytenoidea
III asynchrone und/oder asymmetrische Bewegungen der Cartilago arytenoidea, vollständige Abduktion nicht mehr möglich A überwiegend asymmetrische Rima glottidis, reduzierte Beweglichkeit der Cartilago arytenoidea, symmetrische Abduktion nach dem Schlucken nicht möglich
B sichtbare Atrophie der Adduktoren und Asymmetrie der Cartilago arytenoidea
C deutliche Atrophie der Adduktoren und Asymmetrie der Cartilago arytenoidea bei nur geringer Beweglichkeit
IV vollständige Unbeweglichkeit der Cartilago arytenoidea und Stimmfalten

8. Differenzialdiagnosen

9. Therapie

Die Therapie hängt einerseits von den an das Pferd geforderten Leistungen (Freizeit-, Renn- oder Dressurpferd), andererseits vom Schweregrad der Obstruktion ab. Rennpferde sowie Pferde, die sehr hohe Leistungen im Dressur- und Springsport erbringen müssen, benötigen immer eine chirurgische Therapie. Freizeitpferde hingegen können konservativ behandelt werden, da die Dysfunktion der Cartilago arytenoidea nur ein "kosmetisches" Problem (Stridor) darstellen kann und das Pferd nicht beeinträchtigt sein muss.

9.1. Chirurgische Therapie

In der Literatur sind verschiedene Operationsverfahren beschrieben, die - abhängig vom Schweregrad - zu einer Erweiterung der Rima glottidis führen:

Die Laryngoplastik in Kombination mit der Ventrikulektomie ist zur Zeit (2020) der therapeutische Goldstandard und ermöglicht bei erfolgreicher Operation in ca. 65 bis 85 % d.F. eine Rückkehr in den Leistungssport. Bei der Laryngoplastik wird die betroffene Seite durch die plastische Verlagerung der Cartilago arytenoidea nach außen in eine Öffnungsstellung gebracht (ca. 70 % Abduktion im Vergleich zur Gegenseite). Auf diese Weise kann die Obstruktion behoben und eine ungehinderte Inspiration ermöglicht werden. Durch die zusätzliche Resektion der Stimmtasche (Ventrikuloektomie) kann die Erfolgsrate deutlich erhöht werden.

Die Pferde müssen postoperativ für mindestens 4 Wochen Boxenruhe halten, wobei erst nach frühestens 60 Tagen das Training wieder begonnen werden darf. In den ersten 3 Tagen nach der Operation sollte ein Breitspektrumantibiotikum (z.B. Penicillin und Gentamicin) und in den ersten 5 bis 7 Tage ein NSAID (z.B. Flunixin oder Phenylbutazon) verabreicht werden. Zusätzlich muss für ca. 10 Tage ein Pharynx-Spray (Antiphlogistikum BID) verwendet werden.[5]

10. Quellen

  1. Nickel R., Schummer A., Seiferle E. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band I: Bewegungsapparat. Parey Verlag, 2003
  2. Nickel R, Schummer A, Seiferle E. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band IV: Nervensystem. Parey Verlag, 2003
  3. Dixon PM et al. Laryngeal paralysis: a study of 375 cases in a mixed-breed population of horses Equine Vet J. 2001 Sep;33(5):452-8, abgerufen am 01.02.2020
  4. Brown JA et al. Prevalence of pharyngeal and laryngeal abnormalities in Thoroughbreds racing in Australia, and their association with performance Equine Vet J. 2005 Sep;37(5):397-401, abgerufen am 01.02.2020
  5. 5,0 5,1 5,2 Auer, Stick, Kümmerle & Prange. Equine surgery. 5th edition. Elsevier, 2019
  6. Reed SM, Bayly WM, Sellon DC. Equine internal medicine. 4th edition. Elsevier, 2018

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