Dorsal displacement of the soft palate (Pferd)
Synonyme: Dorsalverlagerung des weichen Gaumens, DDSP
Definition
Anatomie
Pferde sind obligate Nasenatmer. Die Epiglottis liegt normalerweise dorsal mit ihrem rostralen und freien Ende dem Gaumensegel (Palatum mollae) auf. Dadurch kann der Luftstrom ungehindert von der Nase in die Trachea geleitet werden. Das Gaumensegel bildet mit seinen seitlichen Schleimhautfalten, die vom kaudolateralen Ende des weichen Gaumensegels zur Kaudalwand des Pharynx ziehen, den Arcus palatopharyngeus und begrenzen so das Ostium intrapharyngeum.[1][2]
Ätiopathogenese
Die Ätiologie der Erkrankung ist noch (2020) nicht vollständig geklärt. Anhand der betroffenen Strukturen unterscheidet man zwischen intrinsischen, extrinsischen und strukturellen Dysfunktionen.[3]
Intrinsische Dysfunktionen
Intrinsische Dysfunktionen treten dann auf, wenn die Kontraktionskraft der Muskeln des Gaumensegels vermindert sind. Durch die gestörte Funktion der palatinalen sowie phalatopharyngealen Muskeln kommt es zur Ausbildung des DDSP.[4] Diese Form der DDSP wird hauptsächlich bei jungen Pferden beobachtet, die an lymphoider Hyperplasie im Pharynxbereich leiden. Zur Hyperplasie soll es aufgrund der Nähe zum pharyngealen Ast des Nervus vagus kommen, da dieser am Boden des Luftsacks verläuft (bildet auch das Dach des Pharynx).
Extrinsische Dysfunktionen
Extrinsische Dysfunktionen entstehen infolge einer Störung der Muskeln, die sowohl die Position des Larynx als auch des Zungenbeins (Os hyoideum) kontrollieren.[5] Der Musculus thyrohyoideus - innerviert durch den Nervus hypoglossus - verhindert bei körperlicher Belastung die kaudale Verlagerung des Larynx. Wird er geschädigt, z.B. bei Durchtrennung seiner Sehne, kommt es zu veränderten Lageverhältnissen und zu einer Dorsalverlagerung des Gaumensegels.
Strukturelle Dysfunktionen
Neoplasien und Granulome im Bereich der Cartilago epiglottica sowie neuromuskuläre Veränderungen können ebenfalls zu einem DDSP führen. Sie werden als strukturelle Dysfunktionen bezeichnet.[3]
Klinik
Symptome treten nur bei hohen körperlichen Belastungen auf, da nur dann die Obstruktion zu einer Behinderung des Luftstroms führt und eine Ateminsuffizienz resultiert. Betroffene Pferde stoppen abrupt ab (etwa ab der Hälfte der Rennstrecke), husten, zeigen Erstickungsanzeichen, Backenblasen und einen exspiratorischen Stridor. Es wirkt so, als hätten sich die Tiere verschluckt.
Diagnose
Anamnese (Leistungsabfall), Symptome (abruptes Stoppen, Erstickungsanzeichen) und klinische Untersuchung geben erste Hinweise für eine Verdachtsdiagnose.[1]
Die Diagnosesicherung erfolgt mittels Endoskopie der oberen Atemwege (Goldstandard). Da die Anomalie in Ruhe nicht feststellbar ist, muss die Untersuchung in Bewegung durchgeführt werden (Laufband oder Rennstrecke). Bei Rennpferden empfiehlt sich (aufgrund der höheren Sensitivität) die Endoskopie am Laufband.[6]
Therapie
Die Therapie richtet sich nach den zugrundeliegenden Auslösern und muss individuell angepasst werden. Grundsätzlich kann zwischen einer konservativen und einer chirurgischen Therapie unterschieden werden.
Bei jungen Pferden (2 bis 3 Jahre) wird ein DDSP oftmals durch eine (juvenile) follikuläre Pharyngitis ausgelöst. In diesem Fall sollte eine Behandlung mit NSAIDs und gezieltem Training erwogen werden. Bei Pferden, die im Training stehen und bei denen keine Entzündungen vorliegen, können spezielle Halfter die Symptome lindern. Das sogenannte "cornell collar" ist ein spezielles Halfter, das mit Metallzapfen ausgestattet ist. Diese haken im Bereich der Cartilago thyroidea ein und ziehen so den Larynx nach rostral. Auf diese Weise wird eine Dorsalverlagerung des Gaumensegels verhindert.
In der Literatur sind verschiedene chirurgische Techniken beschrieben, um eine DDSP zu behandeln:
- Myektomie des Musculus sternothyreoideus und Musculus sternohyoideus
- Staphylektomie (Trimmen des Kaudalrandes des Gaumensegels)
- Palatoplastik (Resektion mit Laser oder Thermokauter)
- Laryngeal tie-forward
Beim laryngeal tie-forward wird durch Fadenzügelung die Bewegung des Musculus thyrohyoideus verändert, sodass der Larynx nach kranial und dorsal verlagert wird. Auf diese Weise ist eine Verlagerung des Gaumensegels nach dorsal nicht mehr möglich.[7] Diese Operation wird meist in Kombination mit einer Myektomie des Musculus sternothyreoideus durchgeführt, um die Erfolgsrate zu erhöhen.
In den ersten Tagen postoperativ können NSAIDs (z.B. Flunixin) und in den ersten 5 bis 7 Tagen ein Breitbandantibiotikum (z.B. Penicillin und Gentamicin) verabreicht werden. Die Tiere sollten für mindestens 2 Wochen Boxenruhe halten und können dann wieder langsam in das Training überführt werden.[1]
Prognose
Nach einer erfolgreich durchgeführten Operation (z.B. laryngeal tie-forward) liegt die Erfolgsquote bei rund 87 %, sodass diese Pferde wieder im Leistungssport eingesetzt werden können.[8]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Auer, Stick, Kümmerle & Prange. Equine surgery. 5th edition. Elsevier, 2019
- ↑ Nickel R, Schummer A, Seiferle E. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere, Band I: Bewegungsapparat. Parey Verlag, 2003
- ↑ 3,0 3,1 Reed SM, Bayly WM, Sellon DC. Equine internal medicine. 4th edition. Elsevier, 2018
- ↑ Holcombe SJ et al. Effect of bilateral blockade of the pharyngeal branch of the vagus nerve on soft palate function in horses, Am J Vet Res. 1998 Apr;59(4):504-8, abgerufen am 02.02.2020
- ↑ Marta Cercone, et al. Investigation into pathophysiology of naturally occurring palatal instability and intermittent dorsal displacement of the soft palate (DDSP) in racehorses: Thyro-hyoid muscles fatigue during exercise, PLoS One. 2019; 14(10): e0224524. Published online 2019 Oct 25, abgerufen am 02.02.2020
- ↑ Allen KJ et al. Comparisons of overground endoscopy and treadmill endoscopy in UK Thoroughbred racehorses, Equine Vet J. 2010 Apr;42(3):186-91, abgerufen am 02.02.2020
- ↑ Offord S et al. The effect of the laryngeal tie-forward procedure and soft palate cautery on nasopharyngeal diameter in horses, Vet Rec. 2015 Jan 3;176(1):19, abgerufen am 02.02.2020
- ↑ Woodie JB et al. Surgical advancement of the larynx (laryngeal tie-forward) as a treatment for dorsal displacement of the soft palate in horses: a prospective study 2001-2004, Equine Vet J. 2005 Sep;37(5):418-23, abgerufen am 02.02.2020