Neisseria gonorrhoeae
nach Albert Ludwig Sigesmund Neisser, deutscher Dermatologe, Bakteriologe und Sozialhygieniker (1855 - 1916)
Synonym: Gonokokken
Englisch: Neisseria gonorrhoeae, gonococci
Definition
Neisseria gonorrohoeae ist ein Bakterium, das durch direkten Schleimhautkontakt (z. B. Geschlechtsverkehr) übertragen wird, und unter anderem die Erkrankung Gonorrhö ("Tripper") auslöst.
Eigenschaften
Gonokokken sind gramnegative, semmelförmige Bakterien, die meist paarig angeordnet sind (Diplokokken). Die optimalen Wachstumsbedingungen herrschen bei 37°C und mikroaerophiler Umgebung mit erhöhtem CO2-Gehalt (5-10%).
Die Virulenz der Gonokokken wird durch verschiedene Eigenschaften bestimmt. Die Erreger bilden Pili und Fimbrien aus, die der Haftung an Schleimhautzellen dienen. Daher kommt es oft zu wiederkehrenden Infektion mit Gonokokken. Die Pilusproteine und die Membran zeigen eine starke antigenetische Variabilität.
Gonokokken verfügen zusätzlich über sogenannte OPA-Proteine (OPA = opacity), die dem direkten Kontakt zur Wirtszelle dienen. Durch diese Proteine binden die Gonokokken an CD66, CGM1 und Heparansulfat-Proteoglykane auf Epithelzellen, Fibroblasten sowie Makrophagen und induzieren die Phagozytose. Durch die genetische Variabilität des OPA-Gens und durch Antigenshifts weisen Gonokokken eine hohe Variabilität auf. Gleichzeitig wird eine IgA-Protease produziert, welche die Antikörper in Schleimhautsekreten unwirksam macht. Lipooligosaccharide in der Zellmembran bewirken eine Serumresistenz und ermöglichen ein extrazelluläres Überleben. Des Weiteren verfügt Neisseria gonorrhoeae über Eisenfangsysteme, die das Wachstum dieser Bakterienspezies fördern. Wie andere Erreger können sie plasmidcodierte Penicillinasen bilden.
Die Erreger lösen eine Entleerung (Degranulation) der Lysosomen aus, wodurch die Vermehrung in Makrophagen möglich ist. Manche Stämme besitzen darüber hinaus eine Kapsel.
Übertragung
Das Erregerreservoir ist der Mensch. Neisseria gonorrhoeae wird durch Geschlechtsverkehr (Kontaktinfektion), manchmal auch während der Geburt übertragen. Über Endozytose durch Epithelzellen der Urogenitalschleimhaut kann es zu eitrigen Entzündungen im subserösen Gewebe kommen.
Die Inkubationszeit beträgt ca. 2-6 Tage, beim Mann ist sie etwas kürzer als bei der Frau.
Beim Mann kann es zu Entzündung der Prostata (Prostatitis) und der Nebenhoden kommen, bei der Frau zur Beckeninfektion sowie zur Entzündung von Eileitern (Salpingitis) und des Bauchfells (Peritonitis). Abhängig von der Form des Sexualkontaktes kann auch eine Proktitis und eine Pharyngitis resultieren. Außerdem kann Neisseria gonorrhoeae Endokarditis, Arthritiden sowie eine Sepsis verursachen.
Bei Neugeborenen kann eine eitrige Bindehautenzündung (Konjunktivitis) auftreten, auch als Ophthalmia neonatorum bezeichnet. Um dieser Erkrankung vorzubeugen, ist bei Gonokokken-Infektion der werdenden Mutter eine Prophylaxe mit Medikamenten zu empfehlen. Früher wurde auch eine so genannte Credé-Prophylaxe durchgeführt.
Labormedizin
Material
Bei Männern wird Urethralsekret untersucht bzw. ein Harnröhrenabstrich gemacht. Auch das Ejakulat kann untersucht werden. Bei Frauen erfolgt ein Cervixabstrich. Bei Harnröhrenabstrichen sollte der Patient mind. 60 min lang kein Wasser gelassen haben, bei Cervixabstrichen muss der Schleimpropf vorher entfernt werden. Auch die Untersuchung von Urin ist möglich, in diesem Falle wird Erststrahlurin benötigt.
Für Gonokokken sind spezielle Transportbedingungen notwendig, da die Erreger empfindlich gegenüber Kälte und Luftsauerstoff sind. Für Abstriche sind spezielle Transportmedien erhältlich. Optimal ist die direkte Beimpfung eines geeigneten Nährbodens mit Urethral- bzw. Cervixsekret.
Kultur
Gonokokken lassen sich auf feuchten, eiweißreichen Nährmedien anzüchten (z.B. Thayer-Martin-Medium). Geeignet ist auch Kochblutagar mit einem zugesetzten Antibiotikum, um die Begleitflora zu unterdrücken. Eine biochemische Differenzierung ist auf Lingelsheim-Nährböden möglich.
Die Koloniemorphologie ist typisch. Die Kolonien sind klein, rund und durchscheinend. Die Erreger sind Oxidase-positiv. Anfärben lassen sie sich mit Methylenblau oder mit Gram-Färbung. Gonokokken sind gramnegativ, nach Antibiotikabehandlung jedoch oft gramlabil. Es besteht Verwechslungsgefahr mit Pseudogonokokken.
Weitere Nachweismethoden
Weitere Nachweismethoden außer der Kultur sind:
- Ausstrich und Mikroskopie
- Methylenblaufärbung
- Grampräparat
- direkte Immunfluoreszenz (wenig verbreitet)
- Molekulargenetische Untersuchung (PCR)
Für die PCR sind kommerzielle Testsysteme verfügbar, die oft gleichzeitig auch Chlamydia trachomatis nachweisen können. Die PCR eignet sich auch für den Nachweis aus Urinproben.
Auch bei eindeutiger Klinik und mikroskopischem Bild sollte eine kulturelle Bestätigung angestrebt werden, da aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresistenz der Neisserien eine Resistenztestung empfehlenswert ist.
Antikörpernachweis (obsolet)
Gonokokken-Antikörper können im Blutserum mittels einer Komplementbindungsreaktion nachgewiesen werden (Referenzbereich: Titer von < 1:10). Jedoch eignet sich diese Methode aufgrund der unzureichenden Sensitivität und Spezifität nicht zum Nachweis einer Gonokokken-Infektion und spielt keine Rolle bei der Diagnostik.
Therapie
Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae werden mit Cephalosporinen der dritten Generation oder Makroliden (Azithromycin) behandelt.
Resistenzen
Ein großes Problem bei der Therapie besteht darin, dass Gonokokken viele Penicillin- und Tetrazyklinresistenzen haben. Sie sind in der Regel plasmidcodiert. Vereinzelt sind Stämme auch bereits gegen Cephalosporine resistent, wie z.B. der Stamm H041, der 2011 in Schweden entdeckt wurde und gegenüber Ceftriaxon resistent ist.
Das GORENET am Robert-Koch-Institut (RKI) erhebt in Deutschland Daten zur Resistenzentwicklung bei Neisseria gonorrhoeae.
Meldepflicht
Seit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 16.09.2022 besteht für alle Nachweise von Neisseria gonorrhoeae gemäß § 7 Abs. 3 IfSG eine nichtnamentliche Meldepflicht. Diese Regelung löst die ältere Meldepflicht von 2020 ab, die nur für Neisseria gonorrhoeae mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Azithromycin, Cefixim oder Ceftriaxon galt.
Die Meldung an das Robert Koch-Institut soll elektronisch über das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) erfolgen.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 29.03.2021
- https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Gonorrhoe.html