Fliegenpilz
Synonyme: Amanita muscaria, Roter Fliegenpilz u.a.
Pharmazeutische Droge: Amanita muscaria
Handelsnamen: Muscarsan®, Spascupreel® u.a.
Englisch: amanita muscaria, fly amanita, fly agaric
Definition
Der Fliegenpilz ist ein Giftpilz aus der Familie der Amanitaceae und gehört zur Gattung der Wulstlinge. Die im Fliegenpilz enthaltenen Wirkstoffe werden in der Medizin als Naturheilmittel eingesetzt.
Systematik
- Klasse: Agaricomycetes
- Unterklasse: Agaricomycetidae
- Ordnung: Champignonartige (Agaricales)
- Familie: Wulstlingsverwandte (Amanitaceae)
- Gattung: Wulstlinge (Amanita)
- Art: Fliegenpilz (Amanita muscaria)
- Gattung: Wulstlinge (Amanita)
- Familie: Wulstlingsverwandte (Amanitaceae)
- Ordnung: Champignonartige (Agaricales)
- Unterklasse: Agaricomycetidae
Morphologie
Der Fliegenpilz besitzt einen charakteristischen roten Hut von 5-20 cm Durchmesser mit weißen Flocken, die leicht abgewischt werden können und bei Regen fehlen. Die Flocken sind Reste einer Gesamthülle (Velum universale), die den jungen Pilz anfangs schützend umschließt. Der Stiel ist bis 8-20 cm lang.
Der Fliegenpilz im engeren Sinne ist die Typusvarietät Amanita muscaria var. muscaria. Weitere Varianten sind:
- var. flavivolvata
- var. guessowii (auch var. formosa genannt)
- var. inzengae
Artverwandte Pilze sind:
- Amanita caesarea (Kaiserling): leicht zu verwechselnder Speisepilz
- Amanita pantherina (Pantherpilz): unterscheidet sich durch seine braune Kappe
- Amanita gemmata (narzissengelber Wulstling)
- Amanita regalis (brauner Fliegenpilz): wird z.T. auch als Varietät klassifiziert
- Amanita farinosa
- Amanita xanthocephala
- Tricholoma muscarium
Vorkommen
Der Fliegenpilz kommt vom Sommer bis zum Herbst in Nadel- und Laubwäldern in Europa, Asien und Nordamerika vor. Er bildet eine Mykorrhiza-Symbiose mit Birken und Fichten.
Inhaltsstoffe
Der Hauptinhaltsstoff des Fliegenpilzes ist die Ibotensäure (0,2-1 %), eine nicht proteinogene Aminosäure. Sie zerfällt unter Decarboxylierung leicht zu Muscimol, das v.a. in getrockneten Pilzen vorkommt. Im Körper wird Ibotensäure ebenfalls zu Muscimol metabolisiert und über den Urin ausgeschieden.
Muscimol ist der Wirkstoff, der die psychoaktive Eigenschaft des Pilzes verursacht. Es ist ca. fünfmal stärker wirksam als Ibotensäure. Weitere Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes sind Muscazon und Muscarin. Die Farbe der Kappe des Amanita muscaria stammt von Betalainen, Muscaflavin und Muscapurpurin.
Wirkmechanismus
- Ibotensäure: Agonist an glutaminergen Rezeptoren wie dem NMDA-Rezeptor
- Muscimol: Agonist am GABA-A-Rezeptor
- Muscarin: Agonist der muscarinischen Acetylcholinrezeptoren, spielt nur eine untergeordnete Rolle.
- Muscazon: pharmakologisch wenig aktiv
Naturheilkunde
Anwendung
Das Naturheilmittel Fliegenpilz wird traditionell gegen Stimmungsschwankungen verabreicht. Darüber hinaus kommt es bei krampfartigen gastrointestinalen Beschwerden zum Einsatz.
Applikationsformen
Das Naturheilmittel wird oral, rektal, subkutan, intramuskulär beziehungsweise intravenös in Form von Tabletten, Suppositorien oder als Injektionslösung appliziert.
Nebenwirkungen
Kontraindikationen
- Verschluss der Gallenwege, Cholelithiasis
- Ikterus
- Alkoholismus
- Schwangerschaft, Stillzeit aufgrund mangelnder Untersuchungen
- Kinder unter 12 Jahren aufgrund mangelnder Untersuchungen
Rauschmittel
Der Fliegenpilz war den sibirischen Völkern und Schamanen bereits in früheren Zeiten als Rauschmittel bei spirituellen Zeremonien bekannt. Wegen seiner hohen Toxizität wurde der Fliegenpilz v.a. in getrocknetem Zustand konsumiert. In einigen indigenen Völkern wird auch der Urin des Schamanen getrunken, nachdem dieser den Fliegenpilz konsumiert hat.
Toxikologie
Die Toxizität des Fliegenpilzes variiert je nach Standort bzw. Herkunft zum Teil sehr stark. Die Verwendung des Fliegenpilzes als Droge ist gefährlich, da seine Inhaltsstoffe unberechenbar schwanken. Muscimol führt zu psychischer Erregung, Benommenheit und geistiger Desorientiertheit. Eine Vergiftung mit Fliegenpilzen wird als Pantherina-Syndrom bezeichnet.
Letale Dosis
Die letale Dosis von oral aufgenommenem Muscimol liegt bei Ratten bei 45 mg/kgKG. Die letale Dosis beim erwachsenen Menschen wird auf 1 g geschätzt. Diese Menge entspricht 100 g Fliegenpilz-Trockenmasse bzw. 1000 g frischer Fliegenpilze (ca. 10 ganze Pilze).
Symptome
Eine Vergiftung mit Amanita muscaria oder Amanita pantherina gleicht einem Ethanol-Rausch und setzt 30-180 Minuten nach Einahme ein. Mögliche Symptome sind:
- ungewöhnliche visuelle Eindrücke, Halluzinationen
- Depressionen
- Konzentrationsschwäche
- Desorientierung
- Euphorie
- Delirium
- Muskelkrämpfe, Tremor
- Ataxie
- Lähmungen
- epileptische Anfälle
- Tachykardie, Arrhythmien
- Schwitzen
- Mydriasis
- Hypersalivation, Xerostomie
- Störungen des Gastrointestinaltrakts: Übelkeit, Erbrechen, Brechreiz, Diarrhoe, Abdominalschmerzen
In schweren Folgen kann es zu Vigilanzstörungen bis hin zum Koma kommen. Spätfolgen wie Interessenlosigkeit und Gedächtnisstörungen sind selten möglich. Todesfälle sind sehr selten und lediglich in historischen Berichten dokumentiert.
Therapie
Bei starken Vergiftungserscheinungen ist eine sofortige intensivmedizinische Versorgung angezeigt. Die Gabe von Aktivkohle kann erwogen werden, wenn die Einnahme weniger als vier Stunden zurückliegt. Innerhalb einer Stunde nach Einnahme kann auch eine Entleerung des Magen-Darm-Trakts mittels einer Magenspülung durchgeführt werden.
Weitere Maßnahmen sind Elektrolytsubstitution und Azidosebehandlung ggf. unter Gabe von Natriumbicarbonat. Nach Überdosierung ist eine Entgiftung wie bei Pyrrolidin-Alkaloiden angezeigt.
Giftzentralen in Deutschland
- Berlin: Berliner Betrieb für Zentrale gesundheitliche Aufgaben Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen Tel.: 030-19240
- Göttingen: Giftinformationszentrum-Nord der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Tel.: 0551-19240
- Mainz: Klinische Toxikologie und Beratungsstelle bei Vergiftungen der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen Tel.: 06131-19240 oder 23 24 66
Trivia
Der Fliegenpilz hat seinen Namen daher, dass man insbesondere in osteuropäischen Ländern, Fliegenpilzstücke in gesüßte Milch einlegte und im Freien platzierte. Fliegen und andere Insekten wurden durch die süße Milch angelockt und betäubt. Diese etymologische Herleitung wird inzwischen zunehmend angezweifelt.
Weblinks
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