Diffuse idiopathische Skeletthyperostose
nach dem französischen Internisten Jacques Forestier (1890-1978)
Synonyme: Spondylosis hyperostotica, Morbus Forestier-Ott, Morbus Forestier, Spondylitis hyperostotica
Englisch: diffuse idiopathic skeletal hyperostosis, Forestier disease, ankylosing hyperostosis
Definition
Die diffuse idiopathische Skeletthyperostose, kurz DISH, ist eine häufige idiopathische knochenbildende Diathese, die v.a. die Wirbelsäule betrifft und zur Verknöcherung von Sehnen und Bändern führt.
siehe auch: Ossifikation spinaler Ligamente
- ICD10-Code: M48.1
Ätiologie
Die genaue Ursache der Spondylosis hyperostotica ist derzeit (2023) unbekannt. Sie scheint auf einer überschießenden Reaktion auf Stimuli zur Knochenneubildung zu basieren.
Epidemiologie
DISH ist die häufigste nicht-entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule. Die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter. In Europa kommt sie bei mindestens 12 % der Bevölkerung über 65 Jahre vor. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
Prädisponiert sind Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas.
Symptome
Das Beschwerdebild ist sehr variabel. Selbst ausgeprägte Hyperostosen der Wirbelsäule können mitunter symptomfrei verlaufen. Die Patienten klagen am häufigsten über Bewegungseinschränkungen und Rückenschmerzen. Ungefähr 25 % der Patienten weisen aufgrund von mechanischer Kompression und Entzündung bzw. Fibrose der Ösophaguswand auch Schluckbeschwerden (Dysphagie) auf.
Komplikation
Geringe Traumata können bei ausgeprägter DISH zu Querfrakturen der Wirbelkörper führen, die als Chalk Stick Fracture oder Carrot Stick Fracture bezeichnet werden. 40 % dieser Patienten weisen neurologische Defizite auf. Die Mortalitätsrate liegt bei 20 % in 3 Monaten. Diese Frakturen kommen viel häufiger bei ankylosierender Spondylitis vor.
Diagnostik
Inspektion
Bei der klinischen Untersuchung kann eine verstärkte Kyphose der Brustwirbelsäule (BWS) bei gut erhaltener Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule (LWS) auffallen. Auch im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) ist – selbst bei auffälligem radiologischem Befund – die Beweglichkeit meist gut erhalten. Bei der HNO-ärztlichen Untersuchung zeigt sich an der Rachenhinterwand und im Hypopharynx oft eine Vorwölbung, die sich hart palpiert.
Labor
Das Labor ist unauffällig. Es fehlen Hinweise auf eine Entzündung.
Bildgebung
Die Diagnose DISH wird radiologisch gestellt. In den meisten Fällen erkennt man im Röntgenbild anterior und direkt lateral der Wirbelkörper eine zuckergussartig-fließende ("flowing") heterotope Verknöcherung unter Einbeziehung des Ligamentum longitudinale anterius. Die Verknöcherungen führen zur Überbrückung von mehreren angrenzenden Wirbelkörpern. Bei ausgeprägter Ossifikation können die neu gebildeten Knochenformationen auch Knochenmark beinhalten. Eine signifikante Arthrose oder Ankylose der Facettengelenke (Spondylarthrose) sowie degenerative Bandscheibenveränderungen (Chondrosis intervertebralis) liegen dabei nicht vor. Die Knochendichte ist für gewöhnlich normal, wobei eine Osteopenie in ausgeprägten Fällen möglich ist.
Die Brustwirbelsäule ist immer betroffen, insbesondere rechtsseitig, da die Pulsation des Aortenbogens die Knochenbildung auf der linken Seite hemmt. In über 90 % d.F. ist auch die Lendenwirbelsäule, in 75 % die Halswirbelsäule (incl. Dens axis oder vorderem Atlasbogen) betroffen. Auch die oberen, nicht-synovialen Anteile des Iliosakralgelenks (ISG) können involviert sein.
50 % der Patienten mit DISH weisen auch eine Ossifikation des Ligamentum longitudinale posterius (OPLL) auf. Umgekehrt zeigen 44 % der OPLL-Patienten eine anteriore vertebrale Hyperostose:
- Ist schwerpunktmäßig die Brustwirbelsäule betroffen, spricht man von DISH
- Ist schwerpunktmäßig die Halswirbelsäule betroffen, spricht man von OPLL
Weitere Bänder, die betroffen sein können, sind:
Weiterhin kommen Enthesiopathien im Bereich des Beckenkamms (66 %), des Tuber ischiadicum (53 %), des Trochanter major und minor (40 %) sowie in nicht-artikulären Abschnitten der Patella (29 %) vor.
Computertomographie
Die Computertomographie (CT) kann die Lokalisation der Verknöcherung, das Vorhandensein von Knochenmark sowie eine Beteiligung des Ilosakralgelenks bestätigen. Häufig ist eine CT notwendig, um subtile Querfrakturen nach leichtem Trauma nachzuweisen.
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist insbesondere bei Querfrakturen indiziert, um Verletzungen des Rückenmarks auszuschließen. Grundsätzlich zeigen sich folgende Befunde:
- T1w: geringes Signal bei anfänglicher Verknöcherung. Mit zunehmender Ossifikation entwickelt sich ein starkes Knochenmarksignal. Nach Kontrastmittelgabe nur geringes Enhancement.
- Flüssigkeitssensitive Sequenzen (T2w, PDw, STIR): hypointense Verknöcherungen (außer ausgeprägtes Fettmark). Nach Trauma ggf. hyperintense Verletzung des Rückenmarks.
Ösophagusbreischluck
Zur Abklärung von Dysphagie dient ein Ösophagusbreischluck in Seitenaufnahme, in dem sich als typischer Befund eine "Einkerbung" zeigt.
Differentialdiagnosen
- Arthrose der Wirbelsäule: Eine Spondylosis deformans im Rahmen von degenerativen Veränderungen ähnelt den Verknöcherungen bei DISH. Dabei zeigen sich jedoch i.d.R. auch degenerative Veränderungen der Facettengelenke und der Bandscheiben.
- Ankylosierende Spondylitis (Morbus Bechterew): Bei langstreckiger Fusion ähnliches Erscheinungsbild. Jedoch liegen bei der ankylosierenden Spondylitis eine Osteopenie sowie dünne, vertikale Syndesmophyten vor. Bei schwerer Verlaufsform kann das Ligamentum longitudinale anterius ebenfalls verknöchern. Im Bereich des ISG sind die unteren 2/3, also die synovialen Anteile betroffen.
- Degenerative Veränderungen bei langjähriger Einnahme von Retinoiden: prominente Osteophyten, welche die Wirbelkörper überbrücken können. Keine wirkliche Ossifikation des Ligamentum longitudinale anterius. Hauptsächlich Halswirbelsäule betroffen. Meist jüngeres Erkrankungsalter.
- Fluorose: Paraspinale Kalzifikation der Bänder. Osteoporose.
- Spondylitis psoriatica
- SAPHO-Syndrom
- Akromegalie
- Hyperparathyreoidismus
Diagnosekriterien
- Fließende Verknöcherung entlang der anterolateralen Seite von mindestens 4 angrenzenden Wirbelkörpern: Willkürliche Definition. Hilfreich für Differenzierung zwischen DISH und Spondylosis deformans.
- relativ unveränderte Höhe der Bandscheibenfächer ohne Vakuumzeichen oder Wirbelkörpersklerose: zur Unterscheidung zwischen DISH und Spondylosis deformans
- keine Ankylose der Facettengelenke: zur Abgrenzung von Spondyloarthropathien
- keine Erosionen oder Fusionen des ISG: Unterschied zu ankylosierender Spondylitis und anderen Spondyloarthropathien.
Mit diesen strengen Diagnosekriterien wird jedoch die Prävalenz einer DISH vermutlich unterschätzt, da Patienten mit DISH und gleichzeitig vorliegenden degenerativen Wirbelsäulenveränderungen nicht berücksichtigt werden.
Therapie
Es gibt zur Zeit (2022) keine ursächliche Therapie der Spondylosis hyperostotica. Die Behandlung ist rein symptomatisch und zielt auf die Erhaltung der Beweglichkeit durch Krankengymnastik. Bei Schmerzen kommen neben physikalischer Therapie auch NSAR infrage.
Im Falle einer zunehmenden Dysphagie ist die Operation mit Entfernung bzw. Reduktion der Exophyten angezeigt.